Belegen Sie mir, dass es G’tt gibt.» Dies ist eine Herausforderung, die schon so lange existiert, wie es Religionen gibt. Religion wird als Glaube an eine Übermacht definiert. Wenn wir Judentum als unsere Religion angeben, dann ist der Glaube an G’tt grundsätzlich inbegriffen. Und dennoch stellen viele Juden das infrage.
Dieses Infragestellen macht eine überzeugende Antwort um noch vieles schwieriger. Außerdem wird jedwede Antwort normalerweise mit einem Schwall von Protest beantwortet. Zum Beispiel wird gefragt: «Wenn es einen G’tt gibt, wo war Er während des Holocaust?» oder «Warum stoßen guten Menschen schlimme Dinge zu?». In diesem Artikel werden wir uns mit dem Kern des Problems befassen.
Farben Um die Existenz G’ttes zu beweisen, sollte zuerst die Frage analysiert werden: Was erachten wir als einen Beweis? Wie beweisen wir, dass irgendetwas existiert? Stellen wir uns zum Beispiel einen blinden Mann vor. Für ihn existieren keine Farben – und trotzdem gibt es Farben. Diese Tatsache wurde durch andere, die sehen können, nachgewiesen. Der Blinde glaubt und vertraut den anderen, dass es Farben gibt, obwohl genau dies außerhalb seines persönlichen Erfahrungsbereiches liegt.
Nehmen wir die Elektrizität: Wenn wir eine Lampe anschalten, sehen wir nicht die Elektrizität, sondern nur ihre Auswirkung. Oder die Schwerkraft: Wenn eine Sache nach unten fällt, dann können wir die Schwerkraft weder hören noch sehen, fühlen, riechen oder schmecken, wir sehen nur ihre Auswirkung. Die Wissenschaftler stehen immer noch vor einem Rätsel, da sie nicht genau definieren können, woraus Schwerkraft besteht.
Diese Beispiele belegen, dass der Beweis der Existenz aller Dinge nicht unbedingt bedeuten muss, dass wir diese Dinge selbst sinnlich wahrnehmen können. Sie existieren schon deshalb, weil wir ihre Auswirkungen sehen oder weil wir (wie der Blinde) anderen glauben, die sie sehen. Wir glauben, dass G’tt keinen Körper und auch keine Art von Körper besitzt. Er ist überall und erschafft Zeit und Raum. Per Definition können wir Ihm keine körperliche Beschreibung zuordnen. Daher können Menschen G’tt nicht sehen. Um die Existenz G’ttes zu beweisen, müssen wir entweder Seine Auswirkungen mit eigenen Augen sehen oder jenen, die dies können und Seine Auswirkungen gesehen haben, vertrauen.
Ereignis Vor Gericht ist der stärkste Beweis eine Zeugenaussage. Wenn wir etwas mit eigenen Augen gesehen haben, dann sind wir von seiner Existenz überzeugt. Selbst Gesehenes ist zwangsläufig glaubwürdiger als Hörensagen. Jede geschichtliche Tatsache wurde durch Augenzeugen niedergeschrieben und damit bezeugt. Je mehr Menschen das gleiche Ereignis bezeugen können, umso glaubhafter ist es, dass dieses Ereignis tatsächlich stattgefunden hat.
Tatsächlich gäbe es heute, wenn die Geschichte über Generationen hinweg geändert worden wäre, verschiedene Versionen. Aber alle stimmen darin überein, dass die Juden aus Ägypten gezogen sind und 49 Tage später am Berg Sinai standen, um von G’tt die Zehn Gebote zu hören.
Das ist nicht nur bekannt, weil es so in der Tora geschrieben steht, sondern einfach nur wegen der Überlieferung. Denn aufeinanderfolgende Generationen haben diese Geschichte im immer gleichen Wortlaut ihren Kindern und Enkeln erzählt. Diese Tatsachen basieren auf den selbst gemachten Erfahrungen eines ganzen Volkes. Daher ist es eine unbestrittene Tatsache: Es gab eine Generation von Juden, die zur Zeit des Auszugs aus Ägypten lebte, die zehn Plagen sah, an der Flucht vor dem Pharao und an der Offenbarung am Berg Sinai beteiligt war. Diese Erlebnisträger berichteten den in der Wüste geborenen Generationen von jenen Ereignissen, deren Zeitzeugen sie einst wurden; jede Generation gab es der nächsten und übernächsten weiter.
In der jüdischen Geschichte gab es niemals weniger als eine Million Juden, die diese Tradition überliefert hat. Diese Geschichte blieb die gleiche, obwohl die Juden über die Welt verstreut waren. Am Berg Sinai hörten 600.000 Männer im Alter von 20 bis 60 Jahren die Zehn Gebote. Da auch Frauen und Kinder sowie Männer unter 20 und über 60 anwesend waren, können wir von insgesamt drei Millionen Menschen ausgehen, welche Zeugen für diese Zehn Gebote von G’tt geworden sind. Dieses in der Tora festgehaltene Ereignis ist gleichzeitig eine bezeugte und daher unbestrittene geschichtliche Tatsache. Es ist unwissenschaftlich, einer durch Zeugen belegten Tatsache keinen Glauben zu schenken.
Religionen Es soll hier nochmals betont werden, dass die Offenbarung am Berg Sinai für unser jüdisches Volk ganz anders als jene Offenbarungen, auf die andere Religionen Anspruch erheben, vor sich ging. Im Christentum wurde eine Offenbarung von einem einzelnen Mann zusammen mit einer zwölfköpfigen Jüngergruppe behauptet. Dasselbe gilt für Mohammed im Islam. Im Buddhismus war es ein alter Hindu, der Buddha, «der Erleuchtete», genannt wurde, dessen Schüler seine Lehre und Doktrinen annahmen und sich nach ihm Buddhisten nannten. Im Judentum war dagegen ein ganzes Volk bei der Offenbarung zugegen.
Ein berühmter Rabbiner, Schlomo Ben Aderet (Raschba), erklärt, dass notwendigerweise bei der Offenbarung am Berg Sinai ein ganzes Volk anwesend sein musste. Wäre nämlich nur Moses dabei gewesen, so hätte die Offenbarung durch alleiniges Zeugnis eines einzelnen Mannes schnell bestritten werden können. Daher war es notwendig, dass das ganze jüdische Volk am Berg Sinai stand und als ganzes Volk dieses Ereignisses teilhaftig wurde.
Jeder Einzelne, der aus Ägypten ausgezogen war, erlebte mit, wie G’tt sich offenbarte und den Juden die Zehn Gebote gab. Jeder hörte dieselbe Nachricht zur gleichen Zeit, als Moses sie hörte. Erst danach waren alle Juden ganz und gar überzeugt, dass jedes von Moses übermittelte Wort G’ttes auch tatsächlich von G’tt kam. Erwähnt werden muss schließlich auch, dass die Kinder Israels nur zu einem verschwindend geringen Teil ungebildete Sklaven waren, die man leicht hereinlegen konnte.
Vielmehr hatten sich die Juden in den modernsten Bibliotheken der damaligen Welt fortgebildet und dienten ihrem Volk als bedeutende Weise und Priester. Auch hatte sich in Ägypten eine hoch angesehene technische Intelligenz herausgebildet, die in Form von Architekten, Baumeistern und Zimmerleuten die Pyramiden und andere Bauwerke für die Pharaonen schuf, die als Weltwunder noch heutige Bauingenieure ins Staunen versetzen.
Schließlich schätzte der Pharao den Ideenreichtum und die Kreativität der Juden, die eben nicht so leicht (wie neue billige Arbeitssklaven) zu ersetzen waren, weshalb er sie nicht ziehen lassen wollte. Die, die aus Ägypten auszogen, waren durchweg eine gebildete Generation, die gerne argumentierte und eigensinnig auf ihrem durch Analysieren erworbenen Standpunkt beharrte – was für uns Juden bis heute charakteristisch ist.
Es wäre zum Beispiel für einige aus dieser Generation unmöglich gewesen, sich eine Begebenheit auszudenken, denn der scharfe Verstand dieses Volkes hätte sofort die Unglaubwürdigkeit der Geschichte erkannt und widerlegt. So musste also jeder Einzelne ausnahmslos zum Zeitzeugen werden, wenn eine wortgetreue Überlieferung später stets einheitlich durch ein ganzes Volk geschehen sollte.
Beleg Der Auszug und die Offenbarung bleiben deshalb unwidersprochene geschichtliche Begebenheiten. Zeugen sind, wie gesagt, der beste Beweis vor Gericht. Und umso besser ist es, wenn ein ganzes Volk ein Ereignis bezeugt. Das ist ein wissenschaftlicher Beleg der Existenz G’ttes.
Obwohl wir ihn nicht sehen können, sprechen wir nicht «wie der Blinde von Farbe», sondern vertrauen unseren Vorfahren, die diese Offenbarung miterlebt und sie sowohl mündlich als auch schriftlich überliefert haben. Deswegen heißt es vielleicht im ersten Gebot: «Ich bin der Herr, euer G’tt, der euch aus Ägypten herausgeholt hat.» Die Erschaffung der Welt ist ein viel komplexeres und erstaunlicheres Ereignis als der Auszug aus Ägypten. Warum hat G’tt also nicht gesagt: «Ich bin der Herr, euer G’tt, der Himmel und Erde erschaffen hat»?
Eine mögliche Antwort ist, dass sich heutzutage immer mehr Wissenschaftler mit dem Ursprung der Welt auseinandersetzen. Einige ignorieren G’tt in ihren Untersuchungen. Als G’tt mit den Juden sprach, machte Er diese Kommunikation sehr persönlich. «Ich bin der G’tt, den du selbst erlebt hast, wie Er dich aus Ägypten befreite, und der jetzt mit dir spricht.» Die Menschen am Berg Sinai brauchten keine philosophischen Beweise. Sie sahen mit ihren eigenen Augen und hörten mit ihren eigenen Ohren. Sie waren Zeugen am Berg Sinai. Das war ihr bester Beleg!
Das bekannteste Gebet im Judentum ist das Schma. In einer Sefer Tora oder Mesusa wird der Buchstabe Ajin des Wortes Schma und der Buchstabe Dalet in großem Fettdruck geschrieben. Zusammen buchstabieren sie das Wort Ed, was Zeuge bedeutet. Wenn ein Jude das Schma sagt, dann bezeugt er, dass es einen G’tt gibt. Dies haben unsere Vorväter erlebt, und sie haben uns dieses Wissen mittels einer ununterbrochenen Überlieferungskette vermittelt.