Don’t Worry, Be Happy, wir wollen den Messias! Solche und ähnliche Slogans begleiten das jüdische Volk bereits seit mehr als 2000 Jahren. Oder, wenn wir es genauer nehmen, möglicherweise seit mehr als 3000 Jahren – seit seiner Diaspora.
Die natürliche Tendenz der Weltvölker zur Wanderung führt zur kulturellen Integration in die Bevölkerungen, auf die sie stoßen, und zur Anpassung an deren Lebensweise. Dabei werden Volksmärchen und Sagen aus der Vergangenheit aufrechterhalten. Nach einer gewissen Zeit jedoch kann sich dies ändern. Der Deutsche, der sich in die USA begab, pflegt in seinem Haus noch immer die europäische Kultur. Seine Träume jedoch drehen sich jetzt um die Zukunft Amerikas, nicht um die Lage in Deutschland.
Hoffnung Ganz im Gegensatz dazu verhält sich das jüdische Volk, das seit Tausenden von Jahren von Ort zu Ort wanderte: Die Hoffnung auf die Einigung des Volkes Israel ist stets wach, und wir beten jeden Tag um ihre Erfüllung. Die Hoffnung auf Rückkehr ins Land Israel ist ebenso beständig und unbeugsam, und wir beten auch jeden Tag für sie. Selbstverständlich finden wir in diesen Hoffnungen Stärkung, und sie helfen uns bei der Wahrung der Identität in Zeiten von Verbannung und Exil. Vor unseren Augen liegt ein Ziel, und solange wir es noch nicht erreicht haben, lassen wir uns von ihm stärken. Aber was kann man dagegen machen, dass die Schwierigkeiten manchmal größer sind, als wir es ertragen können?
Die Kreuzzüge gegen den jüdischen Glauben, Pogrome, Blutverleumdungen wegen der Herstellung von Mazzot, Gesetze verschiedener Epochen gegen die Ausübung unseres Glaubens und sogar derzeit in ganz Europa (wie gegen Schächten und Beschneidung), die Vertreibung aus Spanien 1492 und die Flucht aus heute problematischen Städten wie Malmö in Schweden wegen des erkennbaren Erwachens des Antisemitismus: Was führt dazu, dass wir gerade in solchen Ereignissen Stärkung finden?
Kraft Juden haben in Ghettos und Konzentrationslagern Gebete organisiert und die jüdischen Feiertage bis zum letzten Atemzug begangen. Unsere Feste können wir als eine Art glaubensphilosophisch-theologische Urform ansehen, aus der heraus wir die Kraft des jüdischen Volkes verstehen und die Quellen erkennen, aus denen es die Energie für Standhaftigkeit in Zeiten der Freude und der Bedrängnis schöpft.
Viele Menschen, auch intelligente, sind der falschen Auffassung, dass G’tt nur mit uns ist, wenn es uns gut geht und wir froh sind, da vom Allmächtigen nur Gutes kommt. In Krisen aber ist die Erwartung auf die Befreiung vom Gefühl begleitet, dass der Allmächtige nicht unter uns verweilt – weshalb wir den Messias zur Erlösung erwarten.
Diese Auffassung schränkt unsere Beziehung zu G’tt sehr ein, und sie kann sogar die Dauerhaftigkeit der Diaspora festigen und uns das Gefühl einpflanzen, sie sei eine Art ständige Bestrafung – und es sei weder notwendig noch möglich, etwas daran zu ändern, da ein Sohn, der von seinem Vater des Tisches verwiesen wurde, nicht daran interessiert ist, zurückzukehren. Die Tora und die Weisen lehren eine andere Einstellung in unserem Verhältnis zum Heiligen, gesegnet sei Er. Dabei stellt sich heraus, dass wir auch in der Verbannung niemals allein sind.
Liebe Der Tannai Rabbi Schimon ben Jochai, der an Lag BaOmer, dem 18. Tag des Monats Ijar, verstorben ist, sagte: »Lass uns sehen, wie das jüdische Volk dem Heiligen, gesegnet sei Er, lieb ist. An jedem Ort, wohin es verbannt wurde, befindet sich G’tt mit ihnen! Als sie nach Mizrajim verbannt wurden, war G’tt mit ihnen (…), und vor der Verbannung sagte G’tt: So wird der Ewige, dein G’tt, dich zurückführen aus der Gefangenschaft und dich wieder sammeln, wobei er ›zurückführen‹ sagte und nicht ›zurückkehren‹, woraus man lernt, dass G’tt zusammen mit ihnen aus dem Exil zurückgekommen ist« (Talmud Bavli, Megila 29).
Der Zustand des jüdischen Volks in der Diaspora gleicht dem Zustand eines kranken Menschen. Aber genau in einem solchen Zustand verweilt G’tt mit uns: »Hoch und heilig throne ich – und bei dem Zerschlagenen und dem, der gebeugten Gemütes ist, zu beleben den Mut der Gebeugten, und zu beleben das Herz der Niedergeschlagenen« (Jesaja 57,15).
Die Überlebenskraft des jüdischen Volks kommt von der allzeitigen Anwesenheit und der Existenz des Ewigen gemeinsam mit uns! Wir schöpfen unsere Kraft zur Standhaftigkeit in schweren Zeiten nicht nur aus der Hoffnung auf das Kommen des Messias. Unsere Kraft wächst bereits durch das Wissen, dass wir in Zeiten von Exil und Vertreibung G’tt mit uns haben, und dass Er stets auf unsere Rettung ausgerichtet ist.