Kurz nach der Unterzeichnung des Staatsvertrags über die jüdische Militärseelsorge am Freitag in Berlin kamen im Rahmen des Gemeindetags mehr als 100 Zuhörer zu einem Podiumsgespräch zum Thema »Militärrabbiner in der Bundeswehr – zwischen Tradition und Herausforderung« zusammen.
Moderator Doron Kiesel, der wissenschaftliche Direktor der Bildungsabteilung im Zentralrat, führte in das Thema ein. »Die Idee der Militärseelsorge ist natürlich keine genuin jüdische«, sagte er. Aber es gebe Vorbilder. Damit sprach Kiesel auf die Militärseelsorge der beiden großen Kirchen an, die bereits 1957 Staatsverträge dazu mit der Bundesrepublik geschlossen haben. »Selbst wenn es das Angebot damals gegeben hätte, hätte die jüdische Gemeinde so etwas nicht realisieren wollen wegen der Vorbehalte gegen das deutsche Militär und die Traumata nach der Schoa«, so Kiesel. Erst in jüngster Zeit sei dann entschieden worden, in dieser Frage auf die Bundesregierung zuzugehen.
Zuerst habe geklärt werden müssen, wie Juden zur Bundeswehr stehen, sagte Rabbiner Walter Homolka, der Vorsitzende der Union progressiver Juden in Deutschland, der selbst Oberstleutnant der Reserve in der Bundeswehr ist. Dann galt es herauszufinden, wie viele Juden es in der Bundeswehr gibt, 2010 habe es eine Handreichung über den Umgang mit Juden in der Bundeswehr gegeben, »und der letzte Schritt ist jetzt, die jüdische Militärseelsorge zu etablieren«.
staatsvertrag Als Vertreter der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) saß der Frankfurter Rabbiner Julian-Chaim Soussan auf dem Podium. Sein Bruder ist Militärrabbiner bei den amerikanischen Truppen. »Der Staatsvertrag«, so Soussan, sei Ausdruck dessen, »dass wir heute sagen: Wir schützen nicht deren Demokratie, sondern unsere Demokratie«. Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland habe damit »die Chance, in dieser Gesellschaft den letzten Schritt auf dem Weg zur Zugehörigkeit zu gehen«.
»Der Staatsvertrag«, so Rabbiner Soussan, sei Ausdruck dessen, »dass wir heute sagen: Wir schützen nicht deren Demokratie, sondern unsere Demokratie«.
Auf dem Weg zum Staatsvertrag haben die beiden großen Kirchen dem Zentralrat geholfen. Und so begrüßte Moderator Kiesel den evangelischen Militärbischof Sigurd Rink und den katholischen Militärgeneralvikar Monsignore Reinhold Bartmann auf dem Podium. Rink beglückwünschte die jüdische Gemeinschaft zum Staatsvertrag und lobte den Zentralrat, er habe sehr gut verhandelt.
Dessen Geschäftsführer Daniel Botmann, der auch mit auf dem Podium saß, sagte, Militärrabbiner seien ein großer Zugewinn sowohl für die Gemeinden als auch für die Bundeswehr. Die Tatsache, dass den deutschen Soldaten im Lebenskundlichen Unterricht künftig Rabbiner jüdische Werte vermitteln werden, sei eine große Errungenschaft. »Damit leisten wir einen beachtlichen Dienst an der Gesamtgesellschaft, denn die Soldaten haben Familie und Freunde, und sie sitzen an Stammtischen …«
ÖKUMENE Der Vertreter der katholischen Militärseelsorge, Monsignore Reinhold Bartmann, hob hervor, dass im Militär die Ökumene, die gute Zusammenarbeit zwischen Katholiken und Protestanten, weiter fortgeschritten sei als im zivilen Bereich.
Diese Idee griff der liberale Rabbiner Walter Homolka auf und sagte: »Ich finde es eine tolle Chance, dass Liberale und Orthodoxe etwas gemeinsam anpacken.« Bei den amerikanischen Streitkräften würde das Miteinander gut funktionieren. »Wir sollten optimistisch sein.«
»Der Kampf ist nicht zwischen orthodox und liberal zu führen, sondern um die, die überhaupt nicht mehr in die Synagoge gehen«, sagte Zentralratsgeschäftsführer Daniel Botmann.
Zentralratsgeschäftsführer Daniel Botmann reagierte darauf und appellierte: »Der Kampf ist nicht zwischen orthodox und liberal zu führen, sondern um die, die überhaupt nicht mehr in die Synagoge gehen. Das ist unsere Herausforderung heute.«
gemeinden Die Gesprächspartner auf dem Podium standen auch den Zuhörern Rede und Antwort. So fragte Alexander Sperling, der Geschäftsführer des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen, wie sich die Schaffung eines Militärrabbinats auf die Gemeinden auswirken wird. »Woher sollen denn diese zehn Rabbiner kommen?« Man sei besorgt in den Gemeinden, dass Rabbiner abgeworben werden.
Zentralratsgeschäftsführer Daniel Botmann versuchte, die Bedenken zu zerstreuen: »Es gibt auch Militärrabbiner im Nebenjob. Das schafft Chancen für kleinere Gemeinden in Standortnähe.« Im Übrigen sei das Interesse an den neuen Jobs bei den Rabbinern groß. »Ich habe schon einen ganzen Stapel von Bewerbungen auf dem Schreibtisch.«