Der Gelehrte Rava sagte einst: Die Länge des Lebens, Kinder und Unterhalt hängen nicht von den eigenen Verdiensten ab, sondern vom Schicksal. So waren zum Beispiel die Gelehrten Rabba und Rav Chisda beide fromme Weise, doch ihre Leben waren sehr unterschiedlich: Im Haus von Rav Chisda gab es sogar für die Hunde Brot aus feinstem Mehl, während es in Rabbas Haushalt auch für die Menschen nur grobes Gerstenbrot gab und selbst davon nicht viel. Im Haus von Rav Chisda fanden viele freudige Ereignisse statt – doch das Gegenteil war der Fall im Haus von Rabba. Jener starb mit 40, während Rav Chisda 92 Jahre alt wurde.
Im Traktat Moed Kattan 28a berichtet der Talmud, wie Rav Chisda und andere Weise dem Todesengel begegneten. Ihm gelang es nicht, Rav Chisda mitzunehmen, denn dessen »Mund war nie still vom Studium«. Deshalb setzte sich der Engel auf den Ast einer Zeder, der das Dach des Gebäudes stützte, in dem die Weisen lernten. Die Zeder knackte, Rav Chisda erschrak und schwieg kurz – da konnte der Todesengel ihn holen.
Rechtschaffen Von einem anderen Weisen, Rabbi Chija, berichtet der Talmud, dass der Engel des Todes wegen der Rechtschaffenheit des Gelehrten nicht in dessen Nähe kommen konnte. So erschien ihm eines Tages der Todesengel als Bettler. Er klopfte an die Tür und sagte: »Bring Brot für mich heraus«, und Rabbi Chija gab ihm Brot. Dann sagte der Todesengel: »Meister, hast du kein Erbarmen mit einem Armen? Warum erbarmst du dich nicht meiner und gibst mir, was ich will?« Daraufhin verriet ihm der Todesengel, wer er war, und zeigte ihm einen feurigen Stab, um zu bestätigen, dass er der Todesengel war. Da ergab sich Rav Chija.
Die Gemara erzählt von weiteren Begegnungen der Gerechten mit dem Todesengel. So lesen wir, dass Rav Seorim einst bei seinem Bruder Rava saß, der im Sterben lag. Rava sprach: »Sag dem Engel des Todes, er soll mich nicht quälen.« Weil Seorim wusste, dass Rava keine Angst vor dem Todesengel hatte, entgegnete er seinem Bruder: »Bist du kein Freund des Todesengels?«
Rava antwortete: »Seit beschlossen wurde, dass ich sterben soll, achtet der Engel des Todes nicht mehr auf mich.« Da sagte Rav Seorim: »Erscheine mir nach deinem Tod im Traum!« Und Rava erschien ihm, und Rav Seorim fragte seinen verstorbenen Bruder: »Und, hattest du Todesschmerzen?« Der antwortete: »Wie der Messerstich beim Blutablassen.«
TRAUM Etwas Ähnliches wird von Rav Nachman berichtet. Rava saß bei ihm und sah, dass er gleich sterben würde. Da sprach Rav Nachman zu Rava: »Sag dem Todesengel, er soll mich nicht quälen.« Rava antwortete: »Bist du nicht eine wichtige Person, die im Himmel respektiert wird?« Rav Nachman entgegnete: »Wer ist schon wichtig in der himmlischen Welt?«
Rava entgegnete dem Sterbenden: »Erscheine mir nach deinem Tod in einem Traum!« Und er erschien ihm, und Rava sagte zu ihm: »Meister, hattest du Todesschmerzen?« Rav Nachman antwortete: »Wie das Entfernen von Haaren aus Milch, was ein sehr sanfter Vorgang ist. Aber dennoch, wenn der Heilige, gepriesen sei Er, zu mir sagen würde: ›Geh zurück in diese physische Welt, wo du warst‹, dann würde ich nicht gehen wollen, denn die Angst vor dem Todesengel ist groß. Und ein zweites Mal möchte ich so eine schreckliche Erfahrung nicht machen.«
Dem Gelehrten Rav Scheschet erschien der Engel des Todes einmal auf dem Marktplatz. Rav Scheschet sagte zu ihm: »Soll ich wie ein Tier auf dem Markt sterben? Komm in mein Haus und töte mich dort wie einen Menschen.«
marktplatz Auch von Rav Aschi ist überliefert, dass ihm der Todesengel auf dem Marktplatz erschien. Rav Aschi sagte zu ihm: »Gib mir 30 Tage, damit ich meine Studien überprüfen kann, denn es heißt: ›Glücklich ist, wer mit seinem Wissen in der Hand hierher in den Himmel kommt.‹«
Am dreißigsten Tag kam der Todesengel, um ihn zu holen. Rav Aschi sagte zu ihm: »Warum hast du es so eilig, mich mitzunehmen? Warum kannst du meinen Tod nicht verschieben?« Der Engel sagte zu ihm: »Der Fuß von Rav Huna bar Nathan drängt dich, da er bereit ist, dein Nachfolger zu werden. (…) Deshalb kannst du nicht länger leben.«