Baalei Teschuwa

Die Rückkehrer

Die Baalei-Teschuwa-Bewegung der zum Glauben Zurückgekehrten hat bei der Verbreitung des Judentums eine Schlüsselrolle gespielt. Foto: Thinkstock

Die Baalei-Teschuwa-Bewegung, die nach dem Sechstagekrieg Auftrieb bekam, hat das Erscheinungsbild der orthodoxen Welt in Israel und den Vereinigten Staaten grundlegend verändert. Vom Großraum New York abgesehen, besteht die jüdische Gemeinschaft zu einem Drittel bis zur Hälfte aus zum Judentum Zurückkehrten und Geirim. Die Entscheidung von Zehntausenden Juden, die in nichtorthodoxen Elternhäusern aufgewachsen sind, für ein Leben von Tora und Mizwot – darunter zahlreiche, die auf der säkularen Erfolgsleiter ganz nach oben geklettert sind – stärkt den Glauben vieler orthodoxer Juden.

Neben den bloßen Zahlen haben die religiös Gewordenen viele Talente hervorgebracht – Ärzte, Rechtsanwälte, Schriftsteller. Die Anhängerschaft einiger der profundesten modernen Tora-Denker, darunter Rabbi Moshe Shmuel Shapiro, rekrutierte sich zum großen Teil aus Baalei Teschuwa, die meist aus dem gebildeten säkularen jüdischen Bürgertum stammten. »Rückkehrer« wie Rabbi Akiva Taitz und Rabbi Jeremy Kagan, beide Schüler von Rabbi Shapira, nutzten ihre weltliche Bildung, um einige der wichtigsten Tora-Ideen in die moderne Sprache der nichtreligiösen Welt zu vermitteln.

So überrascht es nicht, dass diejenigen, die jetzt nach den Regeln der Halacha leben, bei der Verbreitung des Judentums auf der ganzen Welt eine Schlüsselrolle spielen. Und nicht zuletzt legen die Baalei Teschuwa an die gläubige Welt die strengsten Richtlinien an – jene Maßstäbe, die sie ursprünglich zu dieser Welt hingezogen hatten.

Unterschiede Meine Antwort auf beinahe alle über die Bedeutung der Baalei Teschuwa gestellten Fragen lautet: Es hängt davon ab, jeder ist anders. Ich zum Beispiel schreibe aus der Perspektive eines ganz bestimmten Kreises, nämlich jener, die die Möglichkeit hatten, viele Jahre in Eretz Israel zu lernen. So wie unsere Einwanderer-Großeltern und -Urgroßeltern wollten, dass ihre Nachkommen zu echten Amerikanern werden, beten wir dafür, dass ihre Kinder nicht sofort als die Kinder von »Rückkehrern zum Judentum« identifiziert werden. Gemeinden, die ausschließlich aus Baalei Teschuwa bestehen, sind wirklich keine gute Sache.

Trotzdem neigen die meisten, selbst diejenigen, die völlig in der orthodoxen Welt aufgegangen sind, dazu, Ehepartner oder Freunde zu wählen, die den gleichen Weg gegangen sind wie sie selbst. Beinahe jeder orthodox Gewordene hat mindestens einen Freund, mit dem er den kulturellen Bezugsrahmen seiner Jugend gemein hat und den seine »seit der Geburt frommen« Freunde entweder nicht wahrnehmen oder darüber hinaus sogar ablehnen.

Ich habe nie geleugnet, dass ich Baal Teschuwa bin – schon gar nicht auf Agudah-Tagungen, wenn Jiddisch gesprochen wird –, ich bin damit aber auch nicht hausieren gegangen. Ein guter Freund meinte neulich zu mir, der schräge Sitz meines Hutes und die Unordnung meiner Ziziot würden mich verraten. Wenn ich jemals versucht hätte, als »schon seit seiner Geburt Frommer« durchzugehen, hätte mich diese Aussage in Verlegenheit gebracht. So aber lächelte ich bloß. Meine Kinder kennen noch viel mehr verräterische Anzeichen, zum Beispiel, dass ich zu laut über Witze lache.

prozess Zum orthodoxen Judentum zurückzukehren, ist ein langer Prozess, selbst nachdem man Schomer Mizwot geworden ist, einer, der die Gebote einhält. Für die meisten von uns endet dieser Prozess nie – und sollte es vielleicht auch nicht. Die Gefahr besteht, dass man sich auf seinen Lorbeeren ausruht, weil man einmal eine mutige Entscheidung getroffen hat. Wie mein Lernpartner bei der Chawrusa einmal mir gegenüber bemerkte, als mein Kopf am ersten Sederabend ermüdet niedersank: »Es ist erstaunlich, wie viel einige Leute für die Tora aufgeben, und wie wenig sie tun, nachdem sie diese Entscheidung getroffen haben.«

Jeder Mensch ist von den Erfahrungen der Vergangenheit geprägt – und er wird ein Leben lang von ihnen beeinflusst. Der Versuch, die Vergangenheit völlig hinter sich zu lassen, enthält immer einen Aspekt von Selbstvernichtung. Die meisten alten Freundschaften gehen allmählich von selbst zu Ende, wenn sich das eigene Leben entscheidend verändert. Auf familiäre Beziehungen trifft dies nicht zu.

Der Rat von Rabbiner Simcha Wasserman ist immer noch der beste Rat, den ich jemals gehört habe: »Beweisen Sie Ihren Eltern, dass der Bund zwischen Ihnen noch fester wird, nachdem Sie Tora-Jude geworden sind.« Das ist jedoch schwer in die Tat umzusetzen, wenn von nichtreligiösen Eltern gefordert wird, ihre Kinder finanziell zu unterstützen, die sich für einen von den Werten der Eltern fundamental abweichenden Lebensstil entschieden haben.

Beistand Jeder Baal Teschuwa braucht einen Rabbiner, zu dem er schnellen und leichten Zugang hat. Dieser Rabbiner muss ihn gut kennen und in der Lage sein, sensibel auf die besonderen Umstände der Umkehr zu reagieren. In den wenigsten Fällen wird dieser derjenige sein, der die Entscheidung für ein religiöses Leben am meisten mit beeinflusst hat. Erfolgreiche Kiruv-Aktivisten, die in vorderster Front bei der Verbreitung des Judentums unter Juden stehen, veranlassen im Laufe der Jahre Hunderte Menschen dazu, diesen Weg zu wählen, und können den Kontakt nicht mit allen aufrechterhalten.

Dennoch ist nichts entmutigender für einen Baal Teschuwa, als das Gefühl zu haben, dass er nur eine weitere Feder am Hut des Kiruv-Aktivisten war. Einer, der den Schabbat einhält, zu werden, ist die von Geldgebern bevorzugte Messlatte, doch bedeutet es nicht unbedingt, dass der Betreffende tatsächlich stabil in das religiöse Leben integriert ist. Tatsächlich müssen viele Kiruv-Aktivisten feststellen, dass ihre finanzielle Förderung allein von der Zahl der neu Bekehrten abhängt, nicht aber von der Unterstützung, die sie denjenigen zukommen lassen, die bereits unter ihren Fittichen sind.

Ziele Neben einem Rabbiner brauchen Baalei Teschuwa Freunde, die schon immer religiös waren, und Vorbilder, die dafür sorgen, dass sie auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Eine der größten Herausforderungen, der sich ein zu seiner Religion Zurückgekehrter stellen müsste, ist es, realistische Ziele für sich und seine Kinder aufzustellen. Ich werde nie den verwunderten Blick meines Rosch Jeschiwa vergessen, als ich mich darüber beschwerte, dass mein achtjähriger Erstgeborener einmal an Chol Hamoed, den Tagen zwischen den Feiertagen, die Mischnajot nicht durchgehen wollte. Selbst nachdem wir zehn Jahre am Kollel gelernt haben, erinnern uns unsere Söhne daran, dass wir nie in der Cheder oder Jeschiwa Ketana gelernt haben und die Situation der Kinder nicht völlig begreifen können. Und sie haben recht.

Gleichzeitig ist es wichtig, dass Baalei Teschuwa nicht ihr Vertrauen in ihre Fähigkeit, für sich selbst zu denken, verlieren und völlig von einem Lehrer abhängig werden, der alle Entscheidungen für sie trifft. Nicht jeder Gedanke oder jedes Gefühl, das sie jemals gehabt hatten, ist notwendigerweise unzulässig, weil sie damals noch nicht fromm waren. Ihre frische Perspektive bereichert zudem in vielen Fällen ihre neue Gemeinde.

Ideal Was mich an der Unsicherheit der »Rückkehrer« am meisten beschäftigt, ist die Entdeckung, dass die Wirklichkeit der neuen Welt, in die sie eintreten, weit von einer perfekten Welt entfernt ist, und dass ihnen ein Ideal verkauft wurde. Dieser »Verkauf« basiert auf dem Vergleich des eigenen vergangenen Lebens mit dem Ideal des neuen Lebens, das ihnen winkt. Hinzu kommt, dass man anfangs nur das Beste, was die Tora-Welt zu bieten hat, erlebt und nur das Edelste und Reinste in ihr sieht.

Hätten wir von Anfang an all das gewusst, was wir jetzt wissen, wären wir vielleicht nicht fromm geworden. Und das wäre eine große Tragödie. Doch eine kleine Konfrontation mit der Realität zu einem frühen Zeitpunkt ist notwendig, um gegen die unvermeidliche Enttäuschung gewappnet zu sein, wenn man herausfindet, dass keine Gesellschaft vollkommen ist.

Vielleicht sollte ich für den Schabbat im Sommer 1979 dankbar sein, als ich und meine Frau für unsere Flitterwoche nach Israel gekommen waren und sahen, wie fanatische Jugendliche in der Ramot Road Steine auf Autos warfen. Jedenfalls konnten wir nachher nicht mehr behaupten, dass wir dachten, wir träten in eine perfekte Welt ein. Und wir hatten Rabbi Nachman Bulman sel. A., der uns erklärte, warum die Taten der Jugendlichen eine totale Verfälschung der Tora waren. Nicht jeder ist so gesegnet.

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