Herr K. ist ein Kohen: ein Priester, ein Nachfahre Aharons. Priester zu sein, ist eine große Verantwortung – verbunden mit viel Verzicht. Zum Beispiel darf Herr K. keine Museen besuchen, in denen Mumien ausgestellt werden, weil dort die Unreinheit der Toten weilt. Zwar gilt das an und für sich nur für jüdische Mumien – aber wer weiß, wer da tatsächlich im Sarg liegt. Außerdem darf Herr K. keine geschiedene Frau und keine Konvertitin heiraten. Ein Kohen zu sein, kann also mit Entsagung verbunden sein.
Aber es hat auch Vorzüge: Ein Kohen bekommt viele Geschenke – laut Tora (siehe etwa 3. Buch Mose 7 und 23), Rambam (Hilchot Bikkurim) und Tosefta (Challa 2,7) sind es insgesamt 24 Geschenke an der Zahl. Er erhält von allerlei Opfertieren einen Teil zum Essen, einen Teil der Ernte (Teruma) und sogar einen Teil des Teiges, den man bäckt. Einfach so.
Lamm Ein besonderes Geschenk, das Herrn K. zusteht, ist jedes männliche koschere Tier, das als erstes geboren wird: die Erstgeburt. Wirft also die Kuh ein Kalb, das Schaf ein Lamm und die Ziege einen Bock, muss man das Tier Herrn K. geben, wenn das Tier das erste Junge seiner Mutter ist. Das Gesetz gilt auch heute noch. Gäbe es auf dem Mars Kühe, müsste man einen Kohen aufsuchen und sie ihm geben.
Und was, wenn man keinen Kohen auf dem Mars findet? Dann hat man ein kleines Problem. Denn jede Erstgeburt ist heilig, und heilige Dinge darf man nicht für eigene Zwecke ausnutzen. Man darf darauf nicht reiten, die Wolle nicht nutzen, man darf das Tier nicht schlachten und essen.
Was tut man dann mit einem solch nutzlosen Tier? Entweder findet man einen Kohen, oder man muss das Tier so lange umsorgen, bis das Tier eines natürlichen Todes stirbt. Oder man stirbt früher als das Tier – dann dürfen die Erben das Tier schlachten und essen.
Tempelberg Doch die eigentliche Frage ist: Was kann Herr K. mit solch einem Tier machen, wenn es ihm übergeben wird? Genauso wenig wie der frühere Eigentümer. Herr K. darf es zwar scheren, streicheln und darauf reiten, doch er darf es nicht schlachten und essen. Zwar hat ein Kohen durchaus das Recht, ein Tier zu schlachten und zu essen, doch das kann er nur im Tempel in Jerusalem auf dem Tempelberg tun. Da dort zurzeit der muslimische Felsendom steht und weit und breit kein jüdischer Tempel zu sehen ist, hat Herr K. ein Problem.
Doch das ist nicht das einzige Problem, das Herr K. mit der Erstgeburt hat. Denn auch, wenn er in einer Großstadt in einer kleinen Wohnung wohnt und jemand an der Tür klingelt und ihm ein Rind als Geschenk bringt, darf Herr K. es nicht abweisen. Er muss es annehmen, komme, was wolle! Doch was wird die Frau zum neuen Mitbewohner sagen? Und dieser Gestank! Herr K. rauft sich die Haare und findet keinen Ausweg.
Zeugen Doch es gibt eine Lösung: Nur solche Tiere dürfen im Tempel geopfert werden, die keinen körperlichen Makel aufweisen. Hat das Tier einen Makel, kann es nicht geopfert werden. Herr K. dürfte es in diesem Fall schlachten und essen – oder es verkaufen.
Doch auch hier gibt es einen Haken: Herr K. muss nämlich beweisen, dass der Makel von selbst gekommen ist und dem Tier nicht absichtlich zugefügt wurde –also braucht er Zeugen. Kann er es nicht beweisen, darf das Tier nicht geschlachtet werden. Und wird es widerrechtlich dennoch geschlachtet, darf er es nicht essen.
Doch für Herrn K. und seine Kohanim-Kollegen gibt es auch aus diesem Dilemma einen Ausweg – und der ist heute gängige Praxis in Israel: Landwirte verkaufen die trächtige Mutter (oder das weibliche Tier, bevor es trächtig wird) an einen Nichtjuden. Das tilgt die Heiligkeit der Erstgeburt, und man ist nicht mehr verpflichtet, sie dem Kohen zu schenken. Man kann also damit tun, was einem beliebt. Was lernen wir daraus? Das Judentum findet für alles eine Lösung – nicht nur, was Kohanim angeht.