Priester

Die Probleme des Herrn K.

Was kann Herr K. mit solch einem Tier machen, wenn es ihm übergeben wird? Foto: Thinkstock

Herr K. ist ein Kohen: ein Priester, ein Nachfahre Aharons. Priester zu sein, ist eine große Verantwortung – verbunden mit viel Verzicht. Zum Beispiel darf Herr K. keine Museen besuchen, in denen Mumien ausgestellt werden, weil dort die Unreinheit der Toten weilt. Zwar gilt das an und für sich nur für jüdische Mumien – aber wer weiß, wer da tatsächlich im Sarg liegt. Außerdem darf Herr K. keine geschiedene Frau und keine Konvertitin heiraten. Ein Kohen zu sein, kann also mit Entsagung verbunden sein.

Aber es hat auch Vorzüge: Ein Kohen bekommt viele Geschenke – laut Tora (siehe etwa 3. Buch Mose 7 und 23), Rambam (Hilchot Bikkurim) und Tosefta (Challa 2,7) sind es insgesamt 24 Geschenke an der Zahl. Er erhält von allerlei Opfertieren einen Teil zum Essen, einen Teil der Ernte (Teruma) und sogar einen Teil des Teiges, den man bäckt. Einfach so.

Lamm Ein besonderes Geschenk, das Herrn K. zusteht, ist jedes männliche koschere Tier, das als erstes geboren wird: die Erstgeburt. Wirft also die Kuh ein Kalb, das Schaf ein Lamm und die Ziege einen Bock, muss man das Tier Herrn K. geben, wenn das Tier das erste Junge seiner Mutter ist. Das Gesetz gilt auch heute noch. Gäbe es auf dem Mars Kühe, müsste man einen Kohen aufsuchen und sie ihm geben.

Und was, wenn man keinen Kohen auf dem Mars findet? Dann hat man ein kleines Problem. Denn jede Erstgeburt ist heilig, und heilige Dinge darf man nicht für eigene Zwecke ausnutzen. Man darf darauf nicht reiten, die Wolle nicht nutzen, man darf das Tier nicht schlachten und essen.

Was tut man dann mit einem solch nutzlosen Tier? Entweder findet man einen Kohen, oder man muss das Tier so lange umsorgen, bis das Tier eines natürlichen Todes stirbt. Oder man stirbt früher als das Tier – dann dürfen die Erben das Tier schlachten und essen.

Tempelberg Doch die eigentliche Frage ist: Was kann Herr K. mit solch einem Tier machen, wenn es ihm übergeben wird? Genauso wenig wie der frühere Eigentümer. Herr K. darf es zwar scheren, streicheln und darauf reiten, doch er darf es nicht schlachten und essen. Zwar hat ein Kohen durchaus das Recht, ein Tier zu schlachten und zu essen, doch das kann er nur im Tempel in Jerusalem auf dem Tempelberg tun. Da dort zurzeit der muslimische Felsendom steht und weit und breit kein jüdischer Tempel zu sehen ist, hat Herr K. ein Problem.

Doch das ist nicht das einzige Problem, das Herr K. mit der Erstgeburt hat. Denn auch, wenn er in einer Großstadt in einer kleinen Wohnung wohnt und jemand an der Tür klingelt und ihm ein Rind als Geschenk bringt, darf Herr K. es nicht abweisen. Er muss es annehmen, komme, was wolle! Doch was wird die Frau zum neuen Mitbewohner sagen? Und dieser Gestank! Herr K. rauft sich die Haare und findet keinen Ausweg.

Zeugen
Doch es gibt eine Lösung: Nur solche Tiere dürfen im Tempel geopfert werden, die keinen körperlichen Makel aufweisen. Hat das Tier einen Makel, kann es nicht geopfert werden. Herr K. dürfte es in diesem Fall schlachten und essen – oder es verkaufen.

Doch auch hier gibt es einen Haken: Herr K. muss nämlich beweisen, dass der Makel von selbst gekommen ist und dem Tier nicht absichtlich zugefügt wurde –also braucht er Zeugen. Kann er es nicht beweisen, darf das Tier nicht geschlachtet werden. Und wird es widerrechtlich dennoch geschlachtet, darf er es nicht essen.

Doch für Herrn K. und seine Kohanim-Kollegen gibt es auch aus diesem Dilemma einen Ausweg – und der ist heute gängige Praxis in Israel: Landwirte verkaufen die trächtige Mutter (oder das weibliche Tier, bevor es trächtig wird) an einen Nichtjuden. Das tilgt die Heiligkeit der Erstgeburt, und man ist nicht mehr verpflichtet, sie dem Kohen zu schenken. Man kann also damit tun, was einem beliebt. Was lernen wir daraus? Das Judentum findet für alles eine Lösung – nicht nur, was Kohanim angeht.

Rom

Eklat durch NS-Vergleich bei interreligiösem Kongress

Der Dialog zwischen katholischer Kirche und Judentum ist heikel. Wie schwierig das Gespräch sein kann, wurde jetzt bei einem Kongress in Rom schlagartig deutlich. Jüdische Vertreter sprachen von einem Tiefpunkt

von Ludwig Ring-Eifel  27.10.2025

Talmudisches

Das Schicksal der Berurja

Die rätselhafte Geschichte einer Frau zwischen Märtyrertum und Missverständnis

von Yizhak Ahren  24.10.2025

Schöpfung

Glauben Juden an Dinosaurier?

Der Fund der ersten Urzeitskelette stellte auch jüdische Gelehrte vor Fragen. Doch sie fanden Lösungen, das Alter der Knochen mit der Zeitrechnung der Tora zu vereinen

von Rabbiner Dovid Gernetz  23.10.2025

Noach

Ein neuer Garten Eden

Nach der Flut beginnt das Pflanzen: Wie Noachs Garten zum Symbol für Hoffnung und Verantwortung wurde

von Isaac Cowhey  23.10.2025

Rabbiner Noam Hertig aus Zürich

Diaspora

Es geht nur zusammen

Wie wir den inneren Frieden der jüdischen Gemeinschaft bewahren können – über alle Unterschiede und Meinungsverschiedenheiten hinweg

von Rabbiner Noam Hertig  23.10.2025

Bereschit

Die Freiheit der Schöpfung

G›tt hat für uns die Welt erschaffen. Wir haben dadurch die Möglichkeit, sie zu verbessern

von Rabbiner Avichai Apel  17.10.2025

Talmudisches

Von Schuppen und Flossen

Was unsere Weisen über koschere Fische lehren

von Detlef David Kauschke  17.10.2025

Bracha

Ein Spruch für den König

Als der niederländische Monarch kürzlich die Amsterdamer Synagoge besuchte, musste sich unser Autor entscheiden: Sollte er als Rabbiner den uralten Segen auf einen Herrscher sprechen – oder nicht?

von Rabbiner Raphael Evers  17.10.2025

Mussar-Bewegung

Selbstdisziplin aus Litauen

Ein neues Buch veranschaulicht, wie die Lehren von Rabbiner Israel Salanter die Schoa überlebten

von Yizhak Ahren  17.10.2025