Von einer Bar- oder Batmizwa ihres Kindes an der Kotel in Jerusalem träumen viele jüdische Eltern in der Diaspora – nicht nur diejenigen, die sich eher der Orthodoxie zugehörig fühlen. Doch was sich am 30. Juni an der heiligen Stätte abspielte (am Robinson-Bogen rechts von der Mughrabi-Brücke, wo das kleine Areal »Esrat Israel« für das egalitäre jüdische Gebet reserviert ist), war nicht die Erfüllung eines Traums, sondern ein Albtraum.
Die Barmizwa-Feiern mehrerer Jungen aus den USA, an denen Männer und Frauen gemeinsam teilnahmen, wurden von ultraorthodoxen israelischen Rowdys gestört. Die jugendlichen Randalierer entrissen den Beterinnen und Betern die Siddurim und beschimpften die Gäste als »Tiere« und »Nazis«.
religionsfreiheit Was macht das mit einem 13-jährigen Jungen, der sich monatelang auf seinen großen Tag in Israel gefreut und vorbereitet hat? Und welche Botschaft senden diese Ausschreitungen an verunsicherte Juden in der Diaspora, deren Verbindung zu Israel ohnehin in Zeiten von BDS und wachsendem Antisemitismus auf die Probe gestellt wird? Das fragte sich auch Israels neuer Regierungschef Yair Lapid, der jetzt mit den Worten reagierte, Israel sei »das einzige westliche Land, in dem Juden keine Religionsfreiheit haben«.
Alle Jüdinnen und Juden wollen sich an der Kotel zu Hause fühlen – ganz gleich, nach welchem Ritus sie beten.
Dass bisher keine Regierung in Jerusalem (auch nicht die von Lapid mitgetragene Koalition unter seinem Vorgänger Naftali Bennett) den Kabinettsbeschluss von 2016 in die Tat umgesetzt hat, die temporäre Gebetsplattform auszubauen und formell zu etablieren, ist allerdings nur ein Teil des Problems. Egalitäre Zeremonien finden ja trotzdem statt und werden im Internet auf Hebräisch und Englisch auch beworben. Aber wen sollen sie anziehen, wenn vor Ort kein Respekt herrscht?
Die Jewish Agency, die schon den Beschluss von 2016 vermittelt hat, macht sich unter ihrer soeben neu gewählten Führung wieder für »Esrat Israel« stark. Doch für einen Erfolg braucht es mehr als gute Absichten, vor allem aber echten Schutz. Notfalls durch mehr Polizei. Denn alle Jüdinnen und Juden wollen sich an der Kotel zu Hause fühlen – ganz gleich, nach welchem Ritus sie beten.
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