Als Mosche auf den Berg Sinai gestiegen war, um die Tora zu empfangen, forderten die Engel ihn heraus (Schabbat 88b). »Was tut dieser Sterbliche unter uns?«, fragten sie. »Ich bin gekommen, um dem jüdischen Volk die Tora zu bringen.« Da wandten sich die Engel an G’tt und baten: »Lass die Tora hier bei uns! Wir werden sie wertschätzen und in Ehren halten.«
Darauf sagte G’tt zu Mosche: »Geh und antworte ihnen!« Also wandte sich Mosche an die Engel: »Meine lieben Engel, seht euch doch nur an, was die Tora befiehlt: ›Ich bin der Ewige, dein G’tt, der dich aus dem Land Ägypten herausgeführt hat‹, und ›Ehre deine Eltern‹. Habt ihr denn einen Vater und eine Mutter? Seid ihr in Ägypten versklavt worden? Habt ihr selbstsüchtige, böse Triebe und Neigungen?«
Sehr deutlich zeigte Mosche, dass die Tora für die Seelen gedacht ist, die in Körpern leben, die täglich mit den Realitäten unserer materiellen Welt konfrontiert sind.
Midrasch Was sich die Engel wohl dabei dachten, als sie G’tt ersuchten, die Tora bei ihnen zu lassen? Waren sie sich dieser grundlegenden Aspekte der Tora nicht bewusst, auf die Mosche Bezug nahm?
Ein Midrasch erzählt, dass die Israeliten am Morgen der Übergabe der Tora tief und fest schliefen. Sie hätten das große Ereignis beinahe verpasst! Mosche musste sie erst aufwecken und um den Berg Sinai herum sammeln.
Als Sühne dafür bleibt das jüdische Volk bis heute in der Nacht von Schawuot wach und verbringt die Zeit bis in die frühen Morgenstunden mit dem Studium der Tora.
Der Midrasch erzählt uns aber noch etwas: Er berichtet, dass G’tt über das Handeln der Israeliten erfreut war und sogar den Mücken verboten hatte, die Israeliten zu stechen, damit deren friedlicher Schlaf auch ja nicht gestört würde.
Ewiger Wie können wir diesen Midrasch verstehen? Die Engel waren sich der Inhalte der Tora offenbar durchaus bewusst. Sie fragten sich, wie G’tt es zulassen könne, dass die Tora in die materielle Welt hinabsteigt, in eine Welt voller Versuchungen, Selbstsucht und voller Bösem. Daher baten sie den Ewigen, die Tora in ihrem spirituellen Zustand zu belassen. Sie, die Engel, würden den Wert der Lehre viel höher schätzen als die Sterblichen da unten, und sie würden niemals scheitern.
Doch Mosche antwortete: »Nein!« Denn die Absicht der Tora besteht darin, bis in die Tiefen des Universums hinabzusteigen, in unsere physische Welt, wo Materialismus und auch Böses im Überfluss vorhanden sind.
In unserer irdischen Welt möchte G’tt weilen. Dies wird durch das Studium der Tora und die Erfüllung der Mizwot in einer Umgebung erreicht, in der es Böses gibt sowie Versuchungen, und in der möglicherweise Opfer und bewusste Entscheidungen erforderlich sind, um das Richtige zu tun.
Dies verleiht unseren Handlungen Sinn und Bedeutung, und es ermöglicht uns, unsere Umwelt zu veredeln, das Physische mit Heiligkeit zu erfüllen.
Instinkte G’tt wollte die Tora wachsamen Menschen geben, die in einer realen Welt leben, umgeben von Versuchungen und Ablenkung. Dies gibt uns die Möglichkeit, bewusste Entscheidungen zu treffen, um freundlich und selbstlos zu handeln, unsere elementaren Instinkte zu zähmen und die Welt mit dem Geist G’ttes zu füllen.
Diese Betrachtung gibt uns Einblick in eines der wichtigsten Prinzipien unseres Glaubens und einen zentralen Bestandteil der Erfüllung der Tora: die Erwartung des Maschiach.
Während unserer langen und schmerzhaften Geschichte haben wir uns fest an die Tora gehalten. Mit jeder Mizwa, die wir in unserer physischen Umgebung erfüllen, bringen wir die Welt einen Schritt näher an die messianische Ära heran. Dann werden die Früchte unserer jahrtausendelangen Bemühungen offenbart werden.