Christlich-jüdisch

»Die ausgestreckte Hand ergreifen«

David Rosen über »Nostra Aetate« und eine neue Position des Vatikans in seiner Beziehung zum Judentum

von Ayala Goldmann  14.12.2015 18:26 Uhr

David Rosen Foto: Picasa

David Rosen über »Nostra Aetate« und eine neue Position des Vatikans in seiner Beziehung zum Judentum

von Ayala Goldmann  14.12.2015 18:26 Uhr

Herr Rabbiner Rosen, der Vatikan hat ein Dokument zu den Beziehungen zwischen Juden und Christen veröffentlicht – 50 Jahre nach der Erklärung »Nostra Aetate« des II. Vatikanischen Konzils. In dem neuen Dokument wird der institutionellen Judenmission eine Absage erteilt. Ist die Formulierung weitreichend genug?
In dem Dokument der Päpstlichen Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum gibt es unweigerlich eine theologische Spannung: Man will Juden nicht missionieren, doch andererseits sind Christen dazu aufgerufen, Zeugnis von Jesus abzulegen. Dieser Konflikt kann nicht gelöst werden. Aber es ist das erste Mal, dass sich der Vatikan in einem Dokument von der Judenmission distanziert.

Der Konflikt um die Karfreitagsfürbitte, die zur Bekehrung der Juden aufruft, wird nicht explizit erwähnt.

Die Bedeutung der Karfreitagsfürbitte wird überschätzt. Das ist keine große Sache. Nur etwa ein Prozent der Katholiken weltweit betet in einer lateinischen Messe nach dem tridentinischen Ritus. Das Problem ist weniger der Text, sondern der Einleitungssatz »Für die Erleuchtung der Juden«, der von Papst Benedikt XVI. formuliert wurde. Auch Kardinal Kurt Koch, der das neue Dokument vorgestellt hat, würde diese Formulierung gerne ändern. Der Vatikan plant aber nicht, ein neues Gebetbuch herauszubringen. Man kann also wenig machen.

Sie haben gemeinsam mit anderen orthodoxen Rabbinern eine eigene Erklärung zur Partnerschaft zwischen Juden und Christen veröffentlicht. Warum?
Wenn jemandem die ausgestreckte Hand gereicht wird, dann ist es dessen Pflicht, sie ebenfalls auszustrecken. Wir tun das in der Tradition der großen deutschen Rabbiner Jacob Emden und Samson Raphael Hirsch.

Ihre Formulierung, dass das Christentum weder Zufall noch Irrtum ist, sondern von Gott gewollt und ein Geschenk an die Völker, wird bei manchen orthodoxen und ultraorthodoxen Rabbinern nicht auf Begeisterung stoßen.

Unsere Erklärung wurde auch von einem ultraorthodoxen Rabbiner, David Brodman aus Jerusalem, unterzeichnet. Dass es Kritik an unserem Vorgehen geben würde, war nicht anders zu erwarten.

Eine Zeitung zitierte Sie mit dem Vorschlag, der Papst solle eine neue Friedensinitiative im Nahen Osten starten.

Nein, das habe ich nicht vorgeschlagen. Was ich gemeint habe, ist, dass eine interreligiöse Initiative nicht so ablaufen sollte wie 2014, als Papst Franziskus ein gemeinsames Gebet in den Gärten des Vatikans organisierte, mit dem aus dem Amt scheidenden israelischen Präsidenten Schimon Peres und Mahmud Abbas. Das war eine verpasste Gelegenheit. Beim nächsten Mal sollte man besser koordinieren. Denn der Papst und der Vatikan könnten eine wichtige Rolle im Nahen Osten spielen.

Mit dem Direktor für interreligiöse Angelegenheiten des American Jewish Committee in Jerusalem sprach Ayala Goldmann.

Berlin

Spendenkampagne für House of One startet

Unter dem Dach des House of One sollen künftig eine Kirche, eine Synagoge und eine Moschee Platz finden

von Bettina Gabbe, Jens Büttner  25.11.2024

Chaje Sara

Handeln für Generationen

Was ein Grundstückskauf und eine Eheanbahnung mit der Bindung zum Heiligen Land zu tun haben

von Rabbiner Joel Berger  22.11.2024

Talmudisches

Elefant

Was unsere Weisen über die Dickhäuter lehrten

von Rabbiner Netanel Olhoeft  22.11.2024

Studium

»Was wir von den Rabbinern erwarten, ist enorm«

Josh Spinner und Josef Schuster über die orthodoxe Rabbinerausbildung

von Mascha Malburg  21.11.2024

Europäische Rabbinerkonferenz

Rabbiner beunruhigt über Papst-Worte zu Völkermord-Untersuchung

Sie sprechen von »heimlicher Propaganda«, um Verantwortung auf die Opfer zu verlagern: Die Europäische Rabbinerkonferenz kritisiert Völkermord-Vorwürfe gegen Israel scharf. Und blickt auch auf jüngste Papst-Äußerungen

von Leticia Witte  19.11.2024

Engagement

Im Kleinen die Welt verbessern

Mitzvah Day: Wie der Tag der guten Taten positiven Einfluss auf die Welt nehmen will

von Paula Konersmann  17.11.2024

Wajera

Offene Türen

Am Beispiel Awrahams lehrt uns die Tora, gastfreundlich zu sein

von David Gavriel Ilishaev  15.11.2024

Talmudisches

Hiob und die Kundschafter

Was unsere Weisen über die Ankunft der Spione schreiben

von Vyacheslav Dobrovych  15.11.2024

Gebote

Himmlische Belohnung

Ein Leben nach Gʼttes Regeln wird honoriert – so steht es in der Tora. Aber wie soll das funktionieren?

von Daniel Neumann  14.11.2024