Jahrelang fühlte sich Rachel Light als Geisel, Panik erfüllte sie bei dem Gedanken, für immer eine Gefangene ihrer Ehe mit Eben Light zu sein. Noch im April 2012, nachdem Eben verhaftet wurde, weil er sie bedroht hatte, und ihm gerichtlich verboten wurde, sich seiner Frau zu nähern, gelang es Rachel nicht, einen Scheidebrief (Get) und also eine jüdische Scheidung zu erhalten.
Das machte sie zu einer Aguna – hebräisch für »angekettete Frau« –, einer von Hunderten orthodoxen Frauen, die nicht wieder heiraten können, weil ihre Ehemänner ihnen keine Scheidung nach halachischen Vorschriften gewähren.
gesetz Für Rachel, die liberal-orthodox ist, war es ein Glück, dass sie und ihr Ehemann einen halachischen (das heißt mit dem jüdischen Gesetz übereinstimmenden) Ehevertrag geschlossen hatten. 2013 war ihr Ehevertrag der erste, dem vor einem amerikanischen Zivilgericht Geltung verschafft wurde. Light erhielt den Get und eine beträchtliche finanzielle Abfindung.
»Ich bin dankbar, dass ich den Ehevertrag unterschrieben habe. Ohne ihn hätte ich nicht wieder heiraten können und wäre heute ohne meine wunderbare neue Familie«, sagte Light der Presseagentur JTA. »Dennoch wird ein Vertrag wie meiner nicht jeder Betroffenen helfen. Ich würde es gern erleben, dass eine Lösung für alle gefunden wird.«
Halachische Eheverträge wurden erstmals in den 90er-Jahren aufgesetzt, um Frauen davor zu schützen, zu Agunot zu werden. Der Vertrag legt fest, dass das Ehepaar bei einem Scheitern der Ehe vor einem im Vertrag genannten jüdischen Gericht erscheint. Weigert sich der Mann, den Get zu gewähren, muss er der Frau eine Abfindung geben, normalerweise handelt es sich um rund 150 US-Dollar pro Tag. Die Erfüllung des Vertrags kann vor einem weltlichen Gericht durchgesetzt werden.
Doch halachische Eheverträge, die als Lösung für das Problem der Aguna beworben wurden, können mitnichten als Allheilmittel angesehen werden – weil viele nicht willens sind, sie überhaupt erst zu schließen.
einschätzung »Diejenigen Frauen, die den Vertrag am ehesten brauchen, sind diejenigen, die aller Wahrscheinlichkeit nach nie einen unterschreiben«, sagt Rabbiner Jeremy Stern, Geschäftsführer der Organization for the Resolution of Agunot (ORA), die sich nach eigenen Angaben mit mehr als 150 Agunot-Fällen im Jahr befasst.
Das Problem gibt es nur bei den Orthodoxen, denn die nichtorthodoxen Richtungen lehnen traditionelle jüdische Vorschriften, die dem Ehemann praktisch die alleinige Entscheidungsgewalt zugestehen, entweder ganz ab oder haben Wege gefunden, sie zu umgehen. Und für alle, die sich für die Rechte der Agunot stark machen, ist es frustrierend, dass die meisten orthodoxen Paare aus Segmenten der jüdischen Gemeinschaft stammen, die sich für halachische Eheverträge nicht interessieren.
»Das Problem ist, dass es in der Charedi-Gemeinde keine Eheverträge gibt oder die Rabbiner sich weigern, sie zur Auflage für die Trauung zu machen«, erklärt Stanley Goodman, Leiter einer Organisation, die sich GET (»Getting Equal Treatment«) nennt.
bedenken Rabbiner Avi Shafran zum Beispiel, Sprecher der charedi-orthodoxen Agudath Israel of America, teilte mit, dass Agudath den Gebrauch von halachischen Eheverträgen nicht befürwortet. »Gleich zu Beginn einer Ehe die Möglichkeit ihres Endes ins Spiel zu bringen, ja, in den Mittelpunkt zu rücken, erscheint vielen als wenig hilfreich, das Funktionieren der Ehe zu gewährleisten«, so Shafran.
»Zudem weiß ich nicht, ob es überhaupt möglich ist, die Wirksamkeit von Eheverträgen ohne entsprechende Daten zu beurteilen«, so Shafran. »Und es ist unmöglich, zu wissen, ob die Existenz des Ehevertrags nicht den Weg in die Scheidung ebnet, wenn die Ehe mit etwas Mühe und Entschlossenheit gerettet werden könnte.«
Auch der gemäßigte Orthodox Rabbinical Council of America (RCA), der in einer Stellungnahme betonte, wie sehr sich die Organisation für Eheverträge einsetze, fordert von seinen Rabbinern nicht, die Trauung von der Vorlage eines halachischen Ehevertrags abhängig zu machen.
»Rabbinische Autoritäten, die den RCA beraten, sind der Auffassung, dass es nicht angebracht ist, unseren Mitgliedern eine derartige Verpflichtung aufzuerlegen«, erklärt Rabbiner Mark Dratch, stellvertretender Direktor des RCA.
Scheidebrief Die öffentliche Stellungnahme des RCA zu Eheverträgen erschien, nachdem viele prominente Fälle publik geworden waren, in denen der Scheidebrief verweigert wurde. Im Oktober gab das FBI die Verhaftung von Männern in New York bekannt, die gegen Bezahlung widerspenstige Ehemänner zwingen sollten, Gets zu gewähren. Agunot hatten Zehntausende Dollar für diesen Service bezahlt.
Anfang November brachte die New York Post auf Seite eins die Geschichte der Aguna Gital Dodelson aus Lakewood, New Jersey. Die Familie ihres Ehemannes habe laut dem Bericht 350.000 Dollar und das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn im Austausch für den Get verlangt. Die Story löste in den Medien einen wahren Sturm aus, was unter anderem zur Folge hatte, dass der Vater seinen Job in einem orthodoxen Verlagshaus verlor.
In den Augen seiner Befürworter ist eines der Hauptprobleme des halachischen Ehevertrags in seiner jetzigen Form, dass die vorgesehenen Geldstrafen nicht vollstreckt werden. Auch wenn der Vertrag vorschreibt, dass der Mann seiner Frau täglich eine gewisse Geldsumme bezahlen muss für die Zeit, in der er den Get verweigert, wird im Austausch gegen den Get selbst fast immer darauf verzichtet, so Rabbi Joel Weissman, Leiter des mit dem RCA verbundenen Beth Din of America, vor dem viele Aguna-Fälle landen. In den Versionen eines halachischen Ehevertrags, die derzeit in Gebrauch sind, übt das Beth Din of America die absolute Kontrolle über die Geldzahlungen aus und entscheidet nach eigenem Ermessen über einen Verzicht.
Verträge »So ziehen sie ihrem eigenen Ehevertrag den Stachel«, sagt Susan Aranoff, stellvertretende Leiterin der Interessengruppe Agunah International, über das Beth Din of America. »Die Art und Weise, wie das Beth Din die Verträge durchsetzt, spricht der Frau die verbrieften Rechte ab und schützt sie nicht.«
Als Reaktion darauf antwortete Weissman: »In den allermeisten Fällen bekommt die Frau einen Get; die Frage der Geldzahlung ist zweitrangig für sie.« Rachel Light sagt, erst als sie den Ehevertrag vor ein Zivilgericht in New Haven, Connecticut, gebracht habe, habe sie ihren Get bekommen. Ihr damaliger Ehemann hatte mehrere Aufforderungen, vor dem Beit Din zu erscheinen, missachtet, ohne dass es irgendwelche Folgen für ihn hatte.
In solchen Fällen steht dem Beit Din als außergerichtlicher Instanz nur eine Möglichkeit offen: eine Seruv zu erteilen, eine religiöse Verfügung wegen Missachtung des Gerichts, ähnlich der Exkommunikation, die der renitenten Partei verbietet, die Synagoge und andere Gemeindeeinrichtungen zu betreten. In Fällen, in denen den Betroffenen die Exkommunikation gleichgültig ist oder die Gemeinde nicht mitmacht, ist die Seruv wirkungslos.
Zivilgerichten stehen weitaus mehr gesetzliche Instrumente zur Verfügung, doch auch der Gang vor ein weltliches Gericht ist mit Problemen verbunden. Rachel Lights Fall dauerte sehr lange, kostete viel Geld und konnte letztendlich nicht garantieren, dass ihr Mann ihr eine jüdische Scheidung gewähren würde – nur dass er bezahlen musste, wenn er es unterließ.
forderung »Mir wäre es wesentlich lieber, wenn unsere Rabbiner eine direktere Lösung parat hätten, die Frauen tatsächlich schützt, anstelle dieser umständlichen Verträge, die einige Rabbiner vielleicht anwenden und einige Ehepaare vielleicht unterzeichnen – und letzten Endes muss man ohnehin vor ein Zivilgericht«, sagte Light über die halachischen Eheverträge. »Ich wünschte, unsere Rabbiner würden sich dieser Herausforderung stellen und sagen: Wir werden das nicht mehr zulassen.«
Judy Heicklen, Präsidentin der Jewish Orthodox Feminist Alliance, fordert, eine jüdische gesetzliche Lösung müsse gefunden werden, um auszuschließen, dass zur Erfüllung des Vertrags Zivilgerichte angerufen werden müssen. »Der Ehevertrag ist nicht narrensicher«, betont sie. »Und auf einer philosophischen Ebene hoffen wir, dass die Halacha stark genug ist, um eine Lösung innerhalb der Halacha zu finden.«