Balak

Der Vorfahr des Maschiach

»Balak will, dass Bileam Israel verflucht« (Kupferstich nach einer Zeichnung von Philip Tideman, Amsterdam um 1700) Foto: dpa

Unser Wochenabschnitt ist nach Balak benannt. Er herrschte zu der Zeit, als die Israeliten aus Ägypten auszogen, über die Moabiter. Aus seiner Angst heraus entwickelte er einen fanatischen Hass. »Und (der König von) Moab geriet in heftige Furcht durch das Volk (Israel), denn sie (die Israeliten) waren viele, und Moab graute vor den Kindern Israels« (4. Buch Mose 22,3).

Die Torakommentatoren fragen, wieso ein Wochenabschnitt nach einem antijüdischen König benannt wurde. Eine Antwort auf diese Frage kann sicherlich zu einem tiefgreifenden Verständnis der Tora führen.

fluch Weil Balak von Angst und, daraus resultierend, von Hass ergriffen war, wandte er sich an den Propheten Bileam. Dieser war in der Gegend sehr bekannt, und auch Balak glaubte an Bileams übermenschliche Fähigkeiten: »Ich weiß, dass jeder, den du segnest, gesegnet wird. Und jeder, den du verfluchst, der ist verflucht« (22,6). Also bat er Bileam, seine Fähigkeiten zu nutzen, um das jüdische Volk mittels eines Fluches zu vernichten.

Nachdem er Bileam von seinem Vorhaben überzeugt hatte, gibt dieser ihm die Anweisung, Altäre zu errichten und darauf Tieropfer darzubringen. Dieses Ritual solle beim Verfluchen der Kinder Israels helfen. Doch der Plan schlägt fehl: G’tt legt Bileam, ohne dass dieser es will, Worte des Segens statt des Fluches in den Mund. Balak ist enttäuscht darüber und schickt Bileam fort.

So weit der Text der Tora. Der Talmud verrät uns weitere Zusammenhänge dieser außergewöhnlichen Geschichte. So sagt Rabbi Jehuda im Namen von Rav: Der Mensch soll sich unentwegt mit dem Studium der Tora und dem Erfüllen der Gebote beschäftigen. »Denn selbst durch die Taten, die nicht des Himmels wegen getan werden (also Gebote, die man mit unrühmlicher Intention erfüllt), gelangt man zu den Taten, die des Himmels wegen getan werden. Denn für die 42 Tieropfer, die Balak, der König von Moab, darbrachte, wurde er belohnt, und eine seiner Nachkommen wurde Ruth. Von ihr stammt König Schlomo ab« (Sota 47a). Ruth ist Balaks Enkelin.

Der Talmud lehrt, dass man ständig versuchen sollte, Gebote zu erfüllen, auch wenn man es aus den falschen Gründen tut, denn irgendwann wird man selbst oder werden die Nachkommen die Gebote schon aus den richtigen Gründen befolgen.

Der Ursprung für dieses Konzept ist die Geschichte von Balak aus unserem Wochenabschnitt. Die Geschichte seiner Enkeltochter wird in der Megillat Ruth erzählt, und wir lesen sie bis heute jedes Jahr an Schawuot. Ruth konvertierte zum Judentum, und einer ihrer Nachfahren, und somit auch ein Nachkomme Balaks, ist König Schlomo, der Jahrhunderte später im Jerusalemer Tempel Opfer darbringt mit dem einzigen Ziel: G’tt zu dienen.

Beim genaueren Betrachten der Geschichte wird eine weitere tiefgreifendere Ironie erkennbar: Schlomo ist nicht nur ein Nachkomme Balaks, sondern laut jüdischer Tradition auch der direkte Vorfahre des erwarteten Erlösers, des Maschiach. Die Person, die die völlige Vernichtung des jüdischen Volkes anstrebt, wird wider Willen zu einem Impuls der Erlösung des jüdischen Volkes und der gesamten Menschheit.

Episode Einige Kommentatoren sehen eine Anspielung auf die künftige Entwicklung der Geschehnisse schon in den ersten Versen der Episode: Balak wendet sich in seiner ersten Bitte, das Volk zu verfluchen, mit folgenden Worten an Bileam: »Das (jüdische) Volk ist mächtiger als ich« (22,6).

Das hebräische »als ich« (mimeni) kann auch mit »meinetwegen« oder »durch mich« übersetzt werden. Damit hat die Konversation mit einer Art prophetischem Versprecher begonnen: »Das Volk ist meinetwegen mächtig.« Es ist, als würde er sagen: »Dank mir, dem Antisemiten, wird die jüdische Nation stärker.«

Eine ähnliche Entwicklung sahen wir schon zu Beginn des 2. Buches Mose. Dort fürchtet sich der Pharao vor dem jüdischen Volk und befiehlt, alle männlichen Säuglinge in den Nil zu werfen. Doch Mosches Mutter versucht, ihren Jungen zu retten. »Als sie ihn aber nicht länger verbergen konnte, nahm sie ein Kästlein von Rohr für ihn und verklebte es mit Erdharz und Pech und legte das Kind hinein und setzte das Kästlein in das Schilf am Ufer des Nils« (2,3). Das Kästlein wird von Pharaos Tochter gefunden, sie erbarmt sich über das Kind und nimmt es bei sich auf. So wächst Mosche im Haus des Pharaos auf.

Der Kommentator Awraham Ibn Esra schreibt, dass es die Erfahrung im Hause des Pharaos war, die Mosche letztendlich das Selbstbewusstsein gab, gegen den Pharao aufzutreten. Das Ziel, die Befreiung aus der Sklaverei zu stoppen, führt zur Befreiung aus der Sklaverei. Unser Wochenabschnitt ist nach dem Antisemiten Balak benannt, weil die Tora uns lehrt, dass G’tt sogar die größten Verbrecher benutzt, um seinen Plan zu verwirklichen: die Erlösung des Menschen.

Der Autor studiert am Rabbinerseminar zu Berlin.

inhalt
Der Wochenabschnitt Balak hat seinen Namen von einem moabitischen König. Dieser fürchtet die Israeliten und beauftragt den Propheten Bileam, das Volk Israel zu verfluchen. Doch Bileam segnet es und prophezeit, dass dessen Feinde fallen werden.
4. Buch Mose 22,2 – 25,9

Halacha

Kann ein Jude die Beerdigung des Papstes besuchen?

Papst Franziskus wird diesen Samstag, an Schabbat, beerdigt. Observante Juden könnte das vor komplizierte Fragen stellen

von Vyacheslav Dobrovych  25.04.2025

Schemini

Offene Türen

Die Tora lehrt, auch Fremde freundlich zu empfangen

von Rabbiner Bryan Weisz  25.04.2025

Nachruf

Förderer des katholisch-jüdischen Dialogs, aber auch harter Kritiker Israels

Papst Franziskus ist am Montag im Alter von 88 Jahren gestorben. Sein langjähriger Gesprächspartner, Rabbiner Jehoschua Ahrens, nimmt Abschied

von Rabbiner Jehoschua Ahrens  24.04.2025 Aktualisiert

Chol Hamoed

Nur Mosche kannte die Freiheit

Warum das Volk Israel beim Auszug aus Ägypten ängstlich war

von Rabbinerin Yael Deusel  17.04.2025

Geschichte

Waren wir wirklich in Ägypten?

Lange stritten Historiker darüber, ob die Erzählung vom Exodus wahr sein könnte. Dann kamen die Archäologen

von Rabbiner Igor Mendel Itkin  17.04.2025

Berlin

Berlin: Gericht bestätigt fristlose Kündigung von Rabbiner

Das Berliner Arbeitsgericht hat die fristlose Kündigung eines Rabbiners wegen sexueller Belästigung eines weiblichen Gemeindemitglieds bestätigt

 16.04.2025

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025

Feiertage

Pessach ist das jüdische Fest der Freiheit - und der Frauen

Die Rolle und Verdienste von Frauen würdigen - dafür ist Pessach eine gute Gelegenheit, sagen Rabbinerinnen. Warum sie das meinen und welchen Ausdruck diese Perspektive findet

von Leticia Witte  11.04.2025

Exodus

Alle, die mit uns kamen …

Mit den Israeliten zogen noch andere »Fremde« aus Ägypten. Was wissen wir über sie?

von Sophie Bigot Goldblum  11.04.2025