Neulich beim Kiddusch

Der Versteigerer

Wie reich kann man werden, wenn man Hausrat und Angehörige verhökert? Foto: cc

Begonnen hat alles mit dem Kindersitz. Da wir kein Auto haben und die Kinder langsam zu groß für den Sitz werden, beschloss ich, das Teil bei Ebay zu verhökern. Ich hoffte auf 10 Euro und war dann sehr überrascht, dass jemand 43 Euro bot. Ein bisschen stolz war ich schon. Am Schabbat bekam ich einen Aufruf zur Tora und spendete der Almosenkasse entgegen meiner Gewohnheit nicht fünf, sondern zehn Euro. Ich erwähnte allen Anwesenden, dass mir das nicht wehtun würde, denn ich sei gerade dick im Geschäft, momentan im Export. Ich genoss das bisschen Aufmerksamkeit, das mir sonst verwehrt bleibt.

Spaghetti-Besteck Die 43 Euro Gewinn wollten mir auch in den folgenden Tagen nicht aus dem Kopf gehen. Ich hatte das Gefühl, dass ich vielleicht doch nicht bis zum Lebensende Lehrer bleiben muss. Gut möglich, dass ich meine unternehmerischen Fähigkeiten überhaupt nicht ausgereizt hatte. Es gibt doch noch viel mehr in meinem Leben als das ABC. Und sicher haben wir im Keller noch viel mehr zum Verkaufen. Ich ging also am Abend hinunter und öffnete die Schachtel mit den Hochzeitsgeschenken. Das ist so eine Kiste mit lauter Dingen, die wir vor vielen Jahren erhielten und nur aus Pietätsgründen nicht weggeworfen haben. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, sie zum Leben zu erwecken. Ich stellte das hässliche Spaghetti-Besteck, den schweren Füllfederhalter und das Buch Das tugendhafte jüdische Weib in die Auktionsbörse und verfolgte das Geschehen.

Mir liegt nichts ferner, als die Leser und Leserinnen neidisch zu machen. Doch dies sind die Fakten: Spaghetti-Besteck: 13 Euro, Füllfederhalter: 23 Euro und das Buch: satte 60 Euro! Unglaublich. 60 Euro für Das tugendhafte jüdische Weib. Mit dem Geld könnte man eine aufblasbare Puppe kaufen. Könnte. Ich interessiere mich ja eher fürs Verkaufen, nicht fürs Kaufen.

Da ich schnell bin im Lernen, merkte ich, dass man so ziemlich alles verkaufen kann, das irgendeinen Bezug zum Judentum hat. Ich ging ins Zimmer meiner Kinder und las mit ihnen jüdische Kinderbücher. »So, jetzt sagt ›Tschüss‹ zu den Büchern und bitte nichts zu Mami!« Ich machte ein kleines Vermögen: 45,50 Euro! Einfach so! Meiner Frau sagte ich noch nichts. Ein guter Ehemann weiß, wann er den Schnabel halten muss.

Ein guter Ehemann hat auch immer die Augen offen und bemerkt kleinste Veränderungen an seiner Frau: »Schatz, du hast das silberne Chai-Abzeichen schon lange nicht mehr getragen. Willst du es überhaupt noch verwenden?« – 10 Euro. Naja, immerhin.

erlösung Diese Erlöse machten mich unglaublich stolz. Ich bin eben doch ein cleveres Bürschchen. Nur durch dumme Lebensumstände wurde ich nicht Unternehmer. Doch ich merkte langsam, dass mich Ebay völlig in Beschlag nahm. Das wollte ich ändern. Nur weil ich jetzt so erfolgreich bin, heißt das noch lange nicht, dass ich immer ans Geschäft denken muss. Der Schabbes kam und damit auch Erlösung. Endlich ein Tag, an dem ich nichts verkaufen konnte.

Ich saß in der Synagoge und betete. Links von mir Herr Pappenheim. Er ist uralt und betet aus dem Siddur seines Großvaters. Das Gebetbuch hat mehrere Kriege überlebt und würde sicher 50 Euro erzielen. Auch die Kippa von Herrn Pappenheim, eine alte aus Seide, schätze ich auf 20 Euro. Mein Blick wandert zu Herrn Bollag, unserem reichstem Mitglied. Was würde wohl sein wunderschöner Tallit einbringen? 100 Euro? Und erst die Torarollen! Bestimmt 10.000 Euro! Und, und, und ...

Ich ging raus. So geht’s nicht mehr weiter! Ich darf doch nicht bei allen Sachen nur das Preisschild betrachten. Als ich wieder hineinkam, bemerkte ich den Blick meiner Frau. Sie macht sich Sorgen. Das muss sie nicht, es ist alles in Ordnung. Ich mache ihr ein Zeichen: Alles ok! Sie nickt mir zu. Eine schöne Frau. Ein wertvolles Geschenk. Was ich bei Ebay wohl für sie bekommen würde?

Rheinland-Pfalz

Volker Beck kritisiert Verträge mit Islam-Verbänden

Zu den Partnern des Bundeslandes gehören jetzt Ditib, Schura und Ahmadiyya Muslim Jamaat

 22.12.2024

Hessen

Darmstadt: Jüdische Gemeinde stellt Strafanzeige gegen evangelische Gemeinde

Empörung wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024 Aktualisiert

Debatte

Darmstadt: Jetzt meldet sich der Pfarrer der Michaelsgemeinde zu Wort - und spricht Klartext

Evangelische Gemeinde erwägt Anzeige wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024

Hessen

Nach Judenhass-Eklat auf »Anti-Kolonialen Friedens-Weihnachtsmarkt«: Landeskirche untersagt Pfarrer Amtsausübung

Nach dem Eklat um israelfeindliche Symbole auf einem Weihnachtsmarkt einer evangelischen Kirchengemeinde in Darmstadt greift die Landeskirche nun auch zu dienstrechtlichen Maßnahmen

 19.12.2024

Wajeschew

Familiensinn

Die Tora lehrt, dass alle im jüdischen Volk füreinander einstehen sollen – so wie Geschwister

von Rabbiner Jaron Engelmayer  19.12.2024

Berlin

Protest gegen geplantes Aus für Drei-Religionen-Kita

Im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ist demnach ein Lernort geplant, in dem das Zusammenleben der verschiedenen Religionen von frühester Kindheit an gelebt werden soll

 16.12.2024

Feiertage

»Weihnukka« - Weihnachten und Chanukka beginnen am selben Tag

In diesem Jahr starten ein hohes christliches und ein bekanntes jüdisches Fest am selben Tag, am 25. Dezember. Ein Phänomen, das manche »Weihnukka« nennen

von Leticia Witte  16.12.2024

Wajischlach

Wahre Brüder, wahre Feinde?

Die Begegnung zwischen Jakow und Esaw war harmonisch und belastet zugleich

von Yonatan Amrani  13.12.2024

Talmudisches

Licht

Was unsere Weisen über Sonne, Mond und die Tora lehren

von Chajm Guski  13.12.2024