Es gibt insgesamt 39 Tätigkeiten (»Aw-Melachot«), die am Schabbat untersagt sind. Sie sind eng mit dem Bau des Stiftszelt verbunden, des »tragbaren Tempels« der Israeliten in der Wüste. Rabbiner Avraham Radbil hat diese Tätigkeiten in dem von der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland herausgegebenen Buch »Ein Zeichen für die Ewigkeit – Erklärungen zu den 39 Melachot von Schabbat« zusammengetragen.
Rabbiner Radbil, sind die 39 Tätigkeiten, die am jüdischen Ruhetag verboten sind, auch an den Feiertagen untersagt?
Nein, da gibt es kleine Unterschiede. Alles, was mit der Zubereitung von Essen zu tun hat, ist am Jom Tow, also auch an den Feiertagen von Rosch Haschana, erlaubt, wenn sie nicht auf einen Schabbat fallen. Kochen ist erlaubt, Feueranzünden ist allerdings verboten – man darf das Feuer nur von einer Kerze zur anderen übertragen, falls das Feuer schon brennt. An Jom Kippur gelten die Vorschriften wie am Schabbat.
Wie sieht es mit dem Schofarblasen aus?
Wenn Rosch Haschana auf einen Schabbat fällt, dann darf an diesem Tag kein Schofar geblasen werden. Dasselbe gilt an Sukkot für das Schütteln des Feststraußes.
Steht die Zahl 39 in der Tora?
Nein, aber der Talmud beschäftigt sich damit, und die Mischna kommt im Traktat Schabbat 7,2 auf genau 39 Tätigkeiten, die zum Bau des Stiftzelts nötig waren.
Die Beschreibungen in dem Buch sind sehr detailliert. Welche Verbote sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten?
Das kann man so nicht sagen. Alle haben denselben Stellenwert. Es ist auch individuell verschieden: Manches fällt dem einen leichter, jemand anderem leuchtet eine andere Regel eher ein.
Wenn jemand bisher den Schabbat nicht gehalten hat und jetzt damit beginnen möchte, Regeln zu beachten, womit sollte er einsteigen?
Zum Beispiel mit dem Verzicht auf elektronische Geräte wie Handy oder Fernseher.
»Gerade in unserer Zeit ist der Schabbat wichtiger als je zuvor.« Rabbiner Avraham Radbil
Fällt es Ihnen leicht, sich an jedes Verbot zu halten, oder funktioniert das irgendwann automatisch?
Nein, dafür sind Bücher da, damit man dort nachschlagen kann. Aber das Schöne ist, dass man jede Tätigkeit des Alltags bewertet und danach fragt, welchen Ursprung sie hat. Man tut die Dinge nicht automatisch, sondern man denkt bewusst nach.
Müssen Sie manchmal in Ihrem eigenen Buch nachschlagen?
Ja, das ist mir schon passiert.
Können Sie ein Beispiel geben?
Vor ein paar Wochen hat jemand zu mir gesagt, es sei verboten, am Schabbat einen Deoroller zu benutzen. Ich habe gesagt: Soweit ich mich erinnern kann, ist das nicht verboten, sondern nur Deo aus einem festen Stoff. Und dann habe ich nachgeschaut und gesehen, dass ich recht hatte.
Was erwidern Sie, wenn jemand sagt: »Mir ist das alles zu anstrengend. Den Schabbat zu halten, ist mehr Arbeit, als ihn nicht zu halten«?
Es gibt Leute, die finden, der Schabbat sei nicht mehr aktuell oder zeitgemäß. Ich sehe das völlig anders. Gerade in unserer Zeit ist der Schabbat wichtiger als je zuvor. Wir sind ständig unterwegs, Handy und soziale Medien nehmen uns gefangen, und auch nach Feierabend oder im Urlaub erholt man sich nicht wirklich davon. Ich glaube, der Schabbat ist eine Insel. Und es ist gut, dass diese Regeln von einer höheren Macht kommen und nicht von den Menschen selbst. Der Schabbat schafft eine besondere Atmosphäre, wo man sich nur auf sich selbst, die Kinder, die Familie und die Gemeinde konzentriert. Auch bei uns zu Hause sind der Schabbat und die Feiertage die einzige Gelegenheit, wo wir zusammen an einem Tisch sitzen und gemeinsam essen können.
Mit dem Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Osnabrück und Mitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) sprach Ayala Goldmann.
Rabbiner Avraham Yitzhak Radbil: »Ein Zeichen für die Ewigkeit. Erklärungen zu den 39 Melachot von Schabbat«. Herausgegeben von der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD), Köln 2019, 290 S., 23 € zzgl. Versandkosten