»Es wird geschehen, wenn ihr auf Meine Gebote hört (...), so werde Ich den Regen eures Landes geben zu seiner richtigen Zeit, Frühregen und Spätregen. Und du wirst dein Getreide einsammeln, deinen Most und dein Öl. Ich werde Gras geben auf deinem Feld für dein Vieh, und du wirst essen und satt werden.«
So steht es in der Tora, und so lesen wir es jeden Tag zweimal im Schma. Jeder Bauer weiß, wie essenziell der Regen ist, gerade in Israel. Welche Katastrophe, wenn er ausbleibt!
Dürre Im Talmudtraktat Ta’anit wird berichtet, wie die Menschen zu Zeiten des ausbleibenden Regens fasteten und beteten, um Zeiten der Dürre zu beenden. Dies geschah durchaus mit unterschiedlichem Erfolg, wobei offenbar die innere Einstellung der Beter das entscheidende Kriterium darstellte, nicht das gesellschaftliche Ansehen des jeweiligen talmudischen Weisen.
Und auch das Maß an Gelehrsamkeit war nicht ausschlaggebend. So verfügte einst Raba ein Fasten, aber es kam trotzdem kein Regen. Da sagten die Leute, wenn Rav Jehuda ein Fasten anordnete, dann hat es aber sofort geregnet! Raba antwortete, wohl etwas ratlos und offenbar auch enttäuscht, wenn es auf das Studium des Gesetzes ankomme, dann müsste es ja wohl genau anders herum sein, denn schließlich seien er und seine Generation doch darin schon viel weiter.
Fasten Auch Rav ordnete einst vergeblich ein Fasten um Regen an. Als aber der Vorbeter der Gemeinde im Gebet sagte, »Der den Wind wehen und den Regen fallen lässt«, da erhob sich ein Wind, und es fiel Regen. Der Mann war aber kein großer Talmudgelehrter, sondern nur ein einfacher Grundschullehrer, der die Kinder von Reichen und von Armen gleichermaßen unterrichtete, letztere sogar ohne Bezahlung. Lernunwillige beschenkte er obendrein mit Fischen, damit sie wieder zum Unterricht kamen.
Nicht auf die Bedeutsamkeit der einzelnen Person, sondern auf deren Einsatz für die Allgemeinheit kam es also an. Aber auch die Gemeinschaft sollte nicht glauben, sie habe ein verbrieftes Recht auf Regen und könne diesen nach Belieben einfordern.
Talmud In jedem Fall ist es der Ewige, der es regnen lässt. Aber wie geht das vonstatten? Auch darauf hat der Talmud eine Antwort: G’tt beauftragt den Engel Ridya, der für das Wasser zuständig ist.
Und wie soll man sich diesen Engel vorstellen? Raba beschreibt dieses ungewöhnliche Wesen in der Form eines Kalbes mit gespaltenen Lippen. Der Maharscha erklärt dies damit, dass der Stier das Sternzeichen des Ijar sei, des letzten Monats, in dem der Regen noch als Segen betrachtet wird.
Andere sehen einen Zusammenhang zwischen dem Werk des Regenengels und dem Ochsen, der den Pflug übers Feld zieht. Vielleicht ist es auch ein Wortspiel mit dem Wort Tur (Turteltaube; im Aramäischen auch: Ochse) im Schir Haschirim, dem Hohelied Salomos, wo das Erscheinen der Blumen und damit das Ertönen des Gurrens der Turteltaube nach dem Regen beschrieben wird.
Einig sind sich die Kommentatoren über die Bedeutung der gespaltenen Lippen als symbolisches Lächeln des Engels, der sich über seine segensreiche Tätigkeit freut.
Schaden Allerdings kann zu viel des Guten auch Schaden anrichten. Und so hat denn der Wetterengel in den Sifre und auch bei Raschi den Namen Af-Bri (»Zorn und Gesundheit«), um die zwei Aspekte des Regens auszudrücken: den sanften Regen, der die Fluren zum Wohlergehen bewässert, und die zornigen Sturzfluten, die alles vernichten können.
Ohne Wasser gibt es kein Leben, und doch kann der Regen, der dem Land das Wasser bringt, beides sein: lebensspendend und zerstörend. Darum beten wir im Tefillat HaGeschem zu Schemini Azeret auch, der Ewige möge den Regen fallen lassen »zum Segen, nicht zum Fluch; zur Sättigung, nicht zum Mangel; zum Leben, nicht zum Tod«.