Im Tanach begegnen uns Hunde vor allem als herumstreunende Allesfresser, die nicht nur auf Gutes aus sind. So schreibt der Prophet Jeschajahu: »Die Hunde sind gierig, Sättigung kennen sie nicht« (56,11). Anders als heute, da Hunde Haustiere sind, liefen sie zu Zeiten des Talmuds allein oder in Rotten hungrig durch die Gassen und verunsicherten die Ortsgemeinschaft (Schabbat 155b).
Sie fraßen verendete Tiere (2. Buch Mose 22,30), und auch menschliche Leichen und Blut wurden von ihnen verzehrt (2. Könige 9,36). Aus diesen Gründen galten Hunde in der frühen jüdischen Tradition nicht als Vorbild für Sauberkeit und friedvolles Verhalten (Kidduschin 40b).
Vielmehr galt, dass man Hunde anbinden muss, da sie eine Gefahr für andere Menschen sein konnten (Bawa Kama 79b). Vor allem wurde der tollwütige Hund gefürchtet (Joma 83a–b). Ein solch negatives Hundebild herrscht bis heute an vielen Orten im Nahen Osten.
Loyalität Allerdings können wir in der rabbinischen Literatur durchaus auch positive Aussagen zu bestimmten Wesenseigenschaften von Hunden finden. Besonders herausgestellt haben unsere Weisen die Treue und Anhänglichkeit des Hundes gegenüber dem Menschen, gerade auch im Unterschied zur Katze, bei der diese Eigenschaften zwar auch, aber weniger markant vorhanden sind (Horajot 13a).
Diese Loyalität wird, wie auch bei anderen Tieren (Jeschajahu 1,3), als Sinnbild für die Treue des jüdischen Volkes zum Ewigen verstanden.
Die positive Einschätzung, die der Hund aufgrund seiner Anhänglichkeit von den talmudischen Gelehrten bekommt, führt den Midrasch dazu, zu sagen, dass Hunde manchmal auch ein Geschenk des Ewigen sein können.
Bekanntlich hat Kain, der Erstgeborene Adams, seinen Bruder Hewel getötet und im Anschluss vor G’tt seine Angst geäußert, er könne ja nun womöglich von Tieren und Menschen aufgrund seiner Blutschuld getötet werden.
Wie die Tora erzählt, verzieh ihm G’tt jedoch. »Da gab der Ewige dem Kain ein Zeichen, damit wer auch immer ihn finde, ihn nicht töte« (1. Buch Mose 4,15). Nach einigen unserer Weisen war dies keine Markierung, kein »Kainsmal«, sondern ein Hund, also ein wachsamer Beschützer (Pirke de Rabbi Elieser 21, Bereschit Rabba 22,27).
Nicht nur Kain hatte einen solchen Wachhund an seiner Seite, sondern auch sein Bruder Hewel. Der war als Schafhirte im Besitz eines oder mehrerer Hunde, die dann, als sein Leichnam unbeerdigt auf dem Feld lag, ihren toten Herrn umkreisten und beschützten, sodass er nicht von den Tieren des Feldes gefressen würde (Jalkut Schimoni Bereschit 4,38).
Exodus Ein ähnlich lobenswertes Verhalten zeigten auch die Hunde Ägyptens in der Nacht des Exodus. Wie die Tora herausstellt, wagten nicht nur die Ägypter nicht, das jüdische Volk zurückzuhalten, sondern selbst die Hunde des Landes knurrten unsere Vorfahren nicht an, als sie sich auf ihre Reise gen Sinai machten (2. Buch Mose 11,7).
Nach der Tradition wird jede gute Tat, die ein Geschöpf tut, von G’tt belohnt. Daher haben unsere Weisen auch nach einem Lohn Ausschau gehalten, den die Hunde für ihre Ehrfurcht in Anbetracht des Exodus bekommen haben.
Nach Massechet Kala 7 waren die Hunde würdig, dass ihr Kot in der Antike dafür benutzt wurde, um Pergament herzustellen. Exkremente kamen bei der Lederbearbeitung zum Einsatz, und aus diesem Leder wurden heilige Torarollen und Mesusot gemacht.
Somit hat die jüdische Tradition also auch den damals üblicherweise mit Hunden assoziierten Schmutz letztlich in etwas Positives verkehrt: Sie hat die Taten der Hunde zusammen mit denen aller Lebewesen so dargestellt, dass sie auf den Ewigen ausgerichtet sind.
So lernen wir auch in der jüdischen Mystik, dass jedes Tier einen ihm eigenen Vers aus dem Tanach hat, den es täglich auf seine ganz eigene Weise singt. Die Hunde richten dabei ihre ihnen übliche Treue ganz auf G’tt aus, rufen einander auf und sprechen (Jalkut Schim’oni 11,187): »Kommt, wir wollen uns verbeugen und niederknien, lasst uns knien vor dem Ewigen, unserem Schöpfer« (Tehillim 95,6).