Götzendienst nimmt in der griechischen Mythologie einen weiten Raum ein. Die Chanukkatage dagegen symbolisieren in unseren Augen den Sieg der Tora über die Lehre Griechenlands. Doch wie können wir diesen Sieg des Glaubens an den Allmächtigen über den Götzenkult begreifen?
In der Antike wie auch im Mittelalter haben viele Menschen begriffen, dass in der Welt verschiedene Kräfte herrschen. Wasser kann Feuer löschen, und Feuer kann Wasser verdampfen lassen – und es gibt noch einige weitere entgegengesetzte Kräfte, die einander aufheben. Der Mensch wusste nicht, dass die verschiedenen Reaktionen, die von einer Ursache herrühren, in ihrem Kern auf ein und dasselbe zurückzuführen sind.
Solches Denken führte die Menschen zu der Schlussfolgerung, dass der Ewige nicht nur eins ist: Wenn Schlimmes eintritt, kann das nicht von einer Gottheit kommen, die gut ist, und umgekehrt. Nach dieser Logik wären zwei Gottheiten notwendig: Eine gute Gottheit, von der alles Gute auf der Welt beeinflusst wird, und eine böse Gottheit, die für alles Böse verantwortlich ist.
Gut und Böse Awraham Awinu hat in dieser Welt eine Neuigkeit eingeführt: Er machte bekannt, dass es einen einzigen Allmächtigen gibt. Wir nehmen zur Kenntnis, dass es Gutes und Böses gibt. Haben beide unterschiedliche Ursachen – oder ein und denselben Ursprung?
Nehmen wir zum Beispiel Licht und Dunkelheit. Wir wissen, dass bei fehlendem Licht Dunkelheit vorherrscht. Wenn wir einen Vorhang, der das Licht abhält, beiseiteschieben, können wir sofort sehen, dass die Dunkelheit aufhört und Licht eindringt. Mit anderen Worten: Die Wirklichkeit auf der Welt ist das Licht – außer in den Momenten, in denen man das Licht abhält.
Genauso verhält es sich mit Gutem und Bösem auf dieser Welt. Manchmal verdunkelt man dem Guten den Zugang. Dann haben wir für einen Moment den Eindruck, dass es auf der Welt nur Böses gibt. Dennoch können wir verstehen, dass die Einigkeit des Allmächtigen und seine alleinige Wirklichkeit auf dieser Welt nicht die Möglichkeit widerlegen, dass es verschiedene Offenbarungen geben kann.
Der Glaube an den Allmächtigen vereint die jüdische Religion derjenigen, die sie ausüben wollen, mit Menschen, die der Einigkeit G’tt folgen oder sich in die Tradition des Judentums gestellt haben, wie das Christentum und der Islam. Die Fähigkeit des Menschen, anzuerkennen, dass es einen G’tt gibt, beruht auf einigen Punkten.
Treue Die Offenbarung des Ewigen vor der Welt ist die beste Methode, um eine Verbindung aus Glauben und Treue zwischen Mensch und Schöpfer herzustellen. Der Mensch ist ein lebendes Geschöpf, das auf einem bestimmten Gebiet wohnt und in der Lage ist, mit seiner Umgebung zu kommunizieren.
Wer sieht, wie sich ein Loch vor ihm aufreißt, geht nicht auf geradem Weg weiter, bis er hineinfällt. Wer riecht, dass eine Mahlzeit verdorben ist, wird nicht wagen, sie zu verzehren. Es gibt Meldungen, Codes und Signale, die uns beeinflussen. Wir sind in der Lage, sie nach verschiedenen Regeln zu entziffern.
Wenn sich der Allmächtige dem Menschen offenbart, wird der Mensch sich sofort bewusst, dass die Offenbarung auf der höchsten Ebene erfolgt, die er mit seinem Bewusstsein und Verstand jemals erlangen kann. Dann begreift er, dass es einen G’tt gibt, der einen wahren Einfluss auf sein Leben ausübt.
Als Nachkommen des Volkes Israel, die in der Überlieferung die Tatsache der Offenbarung von Generation zu Generation erhalten, sind wir bereit, eine etwaige Kommunikation zwischen dem Schöpfer und seinen Geschöpfen wahrzunehmen, zu verstehen und ihr zu glauben.
Eine zusätzliche Möglichkeit, die der Mensch hat, ist die Betrachtung. Seit dem Ende der Prophezeiung, nach der Zerstörung des Ersten Tempels (586 v.d.Z), hat es nämlich keine ausdrückliche g’ttliche Offenbarung gegeben. Dennoch gibt sich der Ewige auf bestimmte Weise zu erkennen. Für eine solche Offenbarung jedoch bedarf es der Betrachtung der Schöpfung oder verschiedener Lebenssituationen.
Rettung Ein Mensch, der aus einer gefährlichen Situation gerettet wurde, kann fühlen, dass dies schicksalhaft war. Bei tieferer Betrachtung jedoch kann dieser Mensch eben falls verstehen, dass Glück und Zufall sehr beschränkt sind.
Glück löst jede Verantwortung zwischen dem Menschen und den Situationen, in die er sich verwickelt. Selbst wenn sich jemand außerordentlich bemüht, reichen seine Anstrengungen möglicherweise nicht aus, da das Schicksal für ihn bestimmt hat, dass er das Ersehnte nicht erreicht. Der Grund, warum jemand gerettet wird oder einen Erfolg hat, hängt dennoch von der höchsten Gewalt ab, die die Welt beherrscht. Sie ist genau diejenige Gewalt, die dafür sorgen kann, dass ein Mensch nicht gerettet, sondern – möge er davor behütet sein – ihm ein großes Unglück widerfährt. Auf jeden Fall bleibt das Verständnis, dass eine lenkende Hand zu dieser oder jener Wirklichkeit führt.
Die Betrachtung des menschlichen Körpers und seiner Funktionen sowie der Entstehung menschlichen Lebens von der Befruchtung über die Geburt bis hin zur jahrelangen Entwicklung und Reife führt zu dem Verständnis, dass nur eine übermenschliche Kraft so etwas bewirken kann.
Naturphänomene Der Götzenkult hat all dies auf ein absolutes menschliches Denken beschränkt, denn der Mensch muss über verschiedene Götter gegen die Natur kämpfen: Wenn man Liebe verspürt, wendet man sich an eine Gottheit. Wenn schwierige Naturphänomene auftreten wie starker Regen oder Dürre, sind es andere Götter, an die der Heide appelliert, damit sie das Phänomen beenden.
Der Glaube an einen einzigen G’tt jedoch führt zum sofortigen Verständnis, dass die Gründe für alle Ereignisse kein innerer Kampf zwischen verschiedenen Gottheiten sein kann. Ein Mann und eine Frau streiten nicht, weil eine Gottheit, die Böses will, sich zwischen sie gestellt und den Streit bewirkt hat. Monotheisten haben das Verständnis, dass G’tt vom Menschen eine moralische Lebensführung verlangt und G’ttes Reaktion gegenüber dem Menschen und der Schöpfung von den Taten des Menschen abhängt.
Der Glaube ist die Bestätigung dafür, dass der Mensch lebt. Er ist die grundlegende Verbindung zwischen Mensch und G’tt, der ihm das Leben verliehen hat. Sobald ich mich bemühe, ein moralisches Leben zu führen, sind meine Ohren zu hören bereit, wie ich mich richtig zu verhalten habe. Auf diese Weise fühle ich die Verbindung zum Ewigen, empfinde Entfaltung und Gedeihen. In dem Maße jedoch, in dem ich gegen die Regeln verstoße, bewirke ich ein sofortiges Schwinden und den Verlust des Interesses.
Allmächtiger Der Midrasch beschreibt die griechische Herrschaft und erklärt, dass »Dunkelheit die Diaspora Griechenlands ist, die die Augen von Israel durch ihre Dekrete verdunkelt hat. Sie (die Griechen) befahlen den Juden, dass sie auf das Horn des Stiers schreiben sollen, keinen Teil am Allmächtigen von Israel zu haben« (Bereschit Rabba 4).
Die Griechen versuchten, dem Volk Israel den Glauben an den einen G’tt zu nehmen und es zum Götzenkult zu bringen, der die Kräfte spaltet. Doch das Volk Israel blieb vereint im Glauben an die Einigkeit G’ttes und hat auf diese Weise das besondere Licht des Allmächtigen auf der Welt entdeckt. Dieses Licht kommt in den Chanukkakerzen zum Ausdruck. Es gewinnt von einem Tag zum nächsten an Helligkeit – und vertreibt die Dunkelheit aus der Welt.
Der Autor ist Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Groß-Dortmund und Mitglied im Vorstand der Orthodoxen Rabbinerkonfenz.