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Adar I und Adar II

Der doppelte Monat

Alles doppelt: Rosch Chodesch, Purim und der Monat Adar Foto: imago

Israel zählt nach dem Mond, die Völker der Welt aber nach der Sonne», lehren uns unsere Weisen im Traktat Sukka des Talmuds. Obgleich eine der großen Schwesterreligionen heute ebenfalls ihre Monatsberechnungen an den Mond knüpft, ist Israels Kalender noch immer besonders, da er das Sonnenjahr mit Mondmonaten zu verbinden weiß – dies gemäß der Toravorschrift, dass die Monate sich nach dem Mond richten sollen, zugleich aber Pessach und der Monat Nissan ihren Frühlingsbezug nicht verlieren dürfen.

Zyklus
Wie die talmudischen Weisen in den Pirkej deRabbi Elieser erklären – und der Rambam, Maimonides, später präzisiert –, ist zum Ausgleich der Sonnen- und Mondzählungen ein 19-jähriger Zyklus vonnöten, in dessen Abfolge sieben Schaltmonate in zwei- und dreijährigen Abständen eingefügt werden. Dieser Schaltmonat ist eine Verlängerung des im Nissan beginnenden Mondjahres um einen zusätzlichen Monat, nämlich ein verdoppelter Monat Adar, also der letzte Monat in der Mondzählung. Somit hat ein Schaltjahr zwei Monate, die Adar heißen, und daher 13 statt zwölf Monate.

Zur Zeit des Sanhedrins, des höchsten jüdischen Gerichtshofes im Lande Israel, wurden die Schaltmonate nicht mathematisch berechnet, sondern nach bestimmten Naturkriterien eingefügt. Dieses Prinzip der Monatseinschiebung, das sogenannte Schaltgeheimnis, «Sod ha-Ibur», wurde, so wird ausgelegt, in der Urzeit bereits gewissen Zaddikim von G’tt mitgeteilt, darunter Adam, Chanoch, Noach und Schem, bevor es schließlich dem Volk Israel unter Mosches und Aharons Führung anvertraut wurde.

Purimfest Mit der Einführung des Purimfestes im Monat Adar kam es allerdings zuweilen zu einem halachischen Problem, das der Talmud im Traktat Megilla ausführlich behandelt: Die beiden Purimtage sollen im Monat Adar gefeiert werden. Doch in einem Schaltjahr gibt es zwei Monate dieses Namens!

Hinzu kam eine weitere Verstrickung: Wurde Purim bereits gefeiert, dann aber vom Sanhedrin beschlossen, dass der Folgemonat ein zweiter Adar und kein Nissan werde, so warf dies die Frage auf, ob Purim im zweiten Adar wiederholt werden muss.

Trotz der verschiedenen Antworten unserer Weisen hat sich in der Tradition schließlich eine klare Linie herauskristallisiert: Der zweite Adar ist der eigentliche Adar, in ihm ist Purim zu feiern und, falls nötig, zu wiederholen. Durch die Einführung des berechneten Kalenders verschwand das Problem, und Purim wird im Schaltjahr immer im zweiten Adar gefeiert.

Unseren Weisen war es im Besonderen wichtig, dass Purim im zweiten Adar begangen wird, um seine zeitliche Bindung an Pessach im Folgemonat nicht zu verlieren: «Eine Ge’ula (Erlösung) an die andere lehnen», nennt sich dies. Denn Purim und Pessach sind zwei einander durchdringende Feste.

Amalek Nach seinem Auszug aus Ägypten wurde das jüdische Volk sogleich von den im Negev wohnenden Amalekitern angegriffen. Die Folge war G’ttes Schwur, einen Generationen währenden Krieg gegen Amalek zu führen. Die abschließende Wiederbelebung dieses Konflikts ereignete sich an Purim: Der Amalekiter Haman und seine zehn Söhne versuchten, das Volk Israel auszurotten, hingen letztlich allerdings selbst am Galgen. Die zeitlich umgekehrte Anlehnung Purims an Pessach sowie der Purim begleitende Schabbat Sachor im Rahmen der vier besonderen Schabbatot verdeutlichen diese Verknüpfung.

Eine zweite Verbindung zwischen den beiden Festen – und diese ist noch wichtiger – betrifft die messianische Zeit. Eine Überlieferung besagt, dass auch die künftige Erlösung Israels vom Joch des Exils sich zu Pessach ereignen wird: So wie Israel einst aus Ägypten zog, wird es auch in Zukunft aus der Galut ziehen.

Messias Aus diesem Grund erwarten wir auch zu jedem Sederabend den Propheten Elijahu, auf dass er, wie der Prophet Malachi ankündigt, den Messias mit sich bringe. Um diesen noch ausstehenden Auszug Israels aus den Völkern – durch Pessach verdeutlicht – zu ermöglichen, muss zunächst die Bedrängnis des Exils gebrochen werden; dies aber wird durch Purim veranschaulicht.

«Wenn der Adar beginnt, vermehrt man die Freude», sagt daher der Amoräer Raw im Talmudtraktat Taanit. Früher gab es auch halachische Meinungen, nach denen man die Megillat Esther, die Esther-Rolle, im ganzen Monat Adar lesen dürfe, nicht nur zu Purim.

Denn vom Rosch Chodesch Adar an beginnt der langsame Anstieg der Geula bis zu Pessach hin, jedes Jahr aufs Neue. Daher wollte die Halacha Purim in Pessachnähe feiern – auch im Schaltjahr.

Purim Katan
Nichtsdestoweniger hat das jüdische Brauchtum das vermeintliche Purim-Datum im ersten Adar des Schaltjahres nicht vergessen. Es ist üblich, so der Schulchan Aruch im Anschluss an die Gemara, an diesem kleinen Purim (Purim Katan genannt) weder zu trauern noch zu fasten.

Dies wird angeordnet, um anzudeuten, dass auch das «kleine Purim» etwas Besonderes ist. Denn wie das Buch Esther selbst sagt, hatte das Purim-Geschehen ursprünglich eine Bindung an den zwölften Monat des Jahres (9,1): «im zwölften Monat, das ist der Monat Adar». Mit Purim Katan wird auch dies halachisch verwirklicht.

Der Autor studiert jüdische Theologie an der Universität Potsdam.

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