Der Talmud enthält etliche Geschichten, die von Dämonen, Geistern und Zauberei erzählen. Jene, die uns den Talmud erklären, halten jedoch nicht viel davon. So schreibt etwa Maimonides, der Rambam (1135–1204), in seinen Hilchot Awoda Zara: »Den Israeliten aber, die weise und vernünftig sind, geziemt es nicht, sich mit solch dummem Zeug abzugeben, oder wohl gar zu denken, dass an all dem etwas Nützliches wäre.« Mit anderen Worten: Der Rambam weist den Gedanken an Übernatürliches zurück. Doch genau dem wenden wir uns jetzt zu.
Im Talmud (Chullin 105b) sagt Rabbi Abaje, er habe früher geglaubt, man sitze deshalb nicht unter einer Regenrinne, weil dort das Wasser abfließt. Sein Meister jedoch, Mar bar Raw Aschi, habe ihm erklärt, dass man dort nicht sitzt, weil sich unter Regenrinnen Dämonen aufhielten.
Und dann erzählt Abaje: »Einst stellten bestimmte Träger, die ein Fass Wein trugen und sich ausruhen wollten, das Fass unter eine Regenrinne – und da platzte es. Sie kamen zu Mar Raw Aschi, der nahm einen Schofar und bannte ihn.«
Mar Raw Aschi nahm einen Schofar und bannte den Dämon.
Unter der Regenrinne saß also ein Dämon, der das Fass hatte platzen lassen.
Ersatz Mar Raw Aschi fragte ihn: »Warum hast du das gemacht?« Er erwiderte: »Was hätte ich tun sollen? Sie hatten es auf mein Ohr gestellt!« Mar Raw Aschi sagte: »Was hast du an einem Ort zu suchen, an dem sich viele Menschen aufhalten?« Er solle verschwinden und eine Entschädigung für das Fass zahlen. Der Dämon entgegnete, Mar Raw Aschi solle ihm eine Frist setzten, dann werde er Ersatz leisten. Das tat Mar Raw Aschi – doch nach Ablauf der Frist kam der Dämon nicht.
In einer anderen Geschichte erzählt der Talmud (Pessachim 112b) von einer Dämonin namens Agrat, die gern ihr Unwesen trieb. Man solle deshalb »nachts nicht allein hinausgehen«. Es werde nämlich gelehrt: In den Nächten zum Mittwoch und zum Schabbat geht man nicht allein aus dem Haus, weil dann Agrat, die Tochter von Machalat mit 180.000 »Engeln« umherstreife. Jeder einzelne könne zerstören.
Gefahr Der Talmud erzählt weiter: »Früher streifte sie jeden Tag umher. Einmal begegnete sie Rabbi Chanina ben Dosa und sprach zu ihm: ›Hätte man im Himmel über dich nicht gesagt, mit Chanina und seiner Tora vorsichtig zu sein, so würde ich dich in Gefahr gebracht haben.‹ Da sprach er zu ihr: ›Wenn ich im Himmel so angesehen bin, so befehle ich dir, nie mehr an bewohnte Orten zu reisen.‹ Darauf flehte sie ihn an: ›Ich bitte dich, mir ein wenig Raum zu geben.‹ Da ließ er ihr jede Woche zwei Nächte: die zum Mittwoch und zum Schabbat.«
Ähnliches wird an gleicher Stelle von Rabbi Abaje erzählt. Als er der Dämonin begegnete, sagte sie auch zu ihm: »›Hätte man im Himmel über dich nicht gesagt, mit Nachmani (damit war wohl Abaje gemeint) und seiner Tora vorsichtig zu sein, so würde ich dich in Gefahr gebracht haben.‹ Da sprach er zu ihr: ›Wenn ich im Himmel so angesehen bin, so befehle ich dir, nie mehr an bewohnte Orte zu reisen.‹«
Man nahm also offenbar an, Dämonen seien auf vorgegebenen Pfaden unterwegs, hätten ihren »eigenen Platz«.
Und der Rambam? Er weist die Vorstellung, »Dämonen« seien etwas Übernatürliches, zurück.
Wir deuten diese Figuren heute mit den Mitteln der Rationalität. Der Talmud gibt in Eruwin 18b ein gutes Beispiel dafür. Er schildert, dass Adam, als er verbannt war, Geister, Dämonen und Dämoninnen machte – denn es heißt: »Als Adam 130 Jahre alt war, zeugte er in Ähnlichkeit und im Ebenbilde.«
Der Rambam schreibt in seinem Führer der Unschlüssigen (1,7), dass damit menschliche Wesen gemeint sind, die den Verstand nicht nutzen. Das hilft uns heute, diesen Texten vielleicht etwas rationaler zu begegnen.