Schabbat

Dem Tier keine Schmerzen bereiten

Verbotene Arbeit am Schabbat: Melken Foto: Getty Images

Im Talmud lesen wir: »Rav Yehuda sagte im Namen von Rav: Es ist einer Person verboten zu essen, bevor sie ihrem Tier Nahrung gibt, da es heißt: ›Und ich werde Gras auf dem Feld für dein Vieh bereitstellen‹, und danach steht: ›Und du wirst essen und satt werden‹ (5. Buch Mose 11,15).«

Mit anderen Worten: Die Nahrung der Tiere wird in der Tora vor der menschlichen Nahrung erwähnt. Die Gemara schließt daraus, dass, wenn jemand die Bracha über das Brot (Hamozi) rezitiert und dann sein Vieh füttern will, bevor er einen Bissen Brot nimmt, er die Bracha nicht ein zweites Mal rezitieren muss.

Diese Halacha basiert auf der Idee, dass das Füttern der Tiere die Nahrung des Menschen ermöglicht (Schulchan Aruch, Orach Chaim 167). Somit beschlossen die Tora und die Weisen, dass eine Person ihre Tiere füttern muss, bevor sie ihre eigene Mahlzeit beginnt.

TAUBENSCHLAG In der Mischna (Masechet Schabbat 24,3) lernen wir: »Und man darf in einem Taubenschlag kein Wasser vor Bienen oder Tauben stellen, aber man darf (Wasser) vor Gänse und Hühner und Herodiantauben (domestizierte Tauben) stellen.«

Die Gemara (Schabbat 155b) erklärt, wie sich Bienen und Tauben von Gänsen und Hühnern unterscheiden. Für Letztere gilt »Mesonotam Alecha« (wörtlich: Ihre Nahrung hängt von dir ab), daher dürfen sie am Schabbat gefüttert werden. Für Erstere gilt »Mesonotam Alecha« nicht, daher darf man sie am Schabbat nicht füttern.

»Mesonotam Alecha« kann auf verschiedene Weise verstanden werden: Dem Levusch, Rabbi Mordechai Yoffe (1530–1612), nach darf man nur seine eigenen Tiere füttern, also jene Tiere, die man selbst füttern muss, weil sie von einem abhängig sind. Im Gegensatz dazu meint der Magen Avraham, Rav Avraham Gombiner (17. Jahrhundert), dass man jedes Tier füttern darf, das Menschen normalerweise füttern. Seine Ansicht basiert auf der Gemara (Schabbat 155b), die besagt, dass der Allmächtige barmherzig ist: »bei einem Hund, weil sein Futter dürftig ist«.

Diese Gemara impliziert, dass es eine Mizwa gibt, einen Hund – und jedes andere hungrige Tier – am Schabbat zu füttern. Schließlich vertritt der Ran, Rabbenu Nissim von Girona (14. Jahrhundert), die Auffassung, dass sich das Verbot der Fütterung von Tieren, für die »Mesonotam Alecha« nicht gilt, nur auf allgegenwärtige und weit verbreitete Lebensmittel bezieht. Was ist der Kern des Verbots, Tiere am Schabbat zu füttern?

ENTWEIHUNG Der Rambam (Hilchot Schabbat 21) erklärt, dass das Verbot aus der Besorgnis resultiert, dass jemand kommen könnte, um Hülsenfrüchte zu zerkleinern oder Mehl zu mahlen – mit anderen Worten: um eine mögliche Entweihung des Schabbats (Chillul Schabbat) bei der Zubereitung des Essens zu verhindern. Wobei Raschi die Meinung vertritt, dass das Verbot eine Möglichkeit ist, zusätzliche Tircha (Mühsal und Anstrengung) am Schabbat zu verhindern.

Sowohl der Schulchan Aruch als auch die Mischna Brura (324) entscheiden, dass man fütterungsgewohnte Tiere füttern darf – auch wenn die Person selbst nicht Besitzer der Tiere ist. Wenn jedoch Nahrung leicht verfügbar ist, darf man sich nicht durch das Füttern von selbsthilfefähigen Tieren überanstrengen. Der Schulchan Aruch sagt: »Jedes Tier, das ich kenne, ist hungrig – es gibt eine Mizwa, es sogar am Schabbat zu füttern, weil geschrieben steht: ›Und seine Barmherzigkeit ist auf all seinen Werken‹« (Tehillim 145,9).

Wer Tiere aufzieht, ist also für deren Ernährung verantwortlich – sowohl am Schabbat als auch unter der Woche. Darüber hinaus sind wir alle verpflichtet, uns um Tiere zu kümmern, so wie der Allmächtige sich »aller Seiner Werke« erbarmt. Diese Verpflichtung erweitert den Geltungsbereich der Mizwa auf jedes einzelne hungrige Tier.

Was das Melken der Kühe am Schabbat angeht, gilt Folgendes: Es ist verboten, am Schabbat ein Tier zu melken, da dies eine Verletzung von »mefarek« darstellt, welches unter die am Schabbat verbotene Arbeit Dosch (Dreschen) fällt. Es ist einem jüdischen Besitzer aber erlaubt, einen Nichtjuden zu bitten, am Schabbat ein Tier für ihn zu melken, denn wenn man es nicht melkt, wird es dem Tier Schmerzen bereiten. Die Erleichterung, einem Juden zu erlauben, die Kuh zu melken, gilt nur, wenn es keine Tierbabys gibt, die die Milch der erwachsenen Tiere trinken können.

Studium

»Was wir von den Rabbinern erwarten, ist enorm«

Seit 15 Jahren werden in Deutschland wieder orthodoxe Rabbiner ausgebildet. Ein Gespräch mit dem Gründungsdirektor des Rabbinerseminars zu Berlin, Josh Spinner, und Zentralratspräsident Josef Schuster

von Mascha Malburg  21.11.2024

Europäische Rabbinerkonferenz

Rabbiner beunruhigt über Papst-Worte zu Völkermord-Untersuchung

Sie sprechen von »heimlicher Propaganda«, um Verantwortung auf die Opfer zu verlagern: Die Europäische Rabbinerkonferenz kritisiert Völkermord-Vorwürfe gegen Israel scharf. Und blickt auch auf jüngste Papst-Äußerungen

von Leticia Witte  19.11.2024

Engagement

Im Kleinen die Welt verbessern

Mitzvah Day: Wie der Tag der guten Taten positiven Einfluss auf die Welt nehmen will

von Paula Konersmann  17.11.2024

Wajera

Offene Türen

Am Beispiel Awrahams lehrt uns die Tora, gastfreundlich zu sein

von David Gavriel Ilishaev  15.11.2024

Talmudisches

Hiob und die Kundschafter

Was unsere Weisen über die Ankunft der Spione schreiben

von Vyacheslav Dobrovych  15.11.2024

Gebote

Himmlische Belohnung

Ein Leben nach Gʼttes Regeln wird honoriert – so steht es in der Tora. Aber wie soll das funktionieren?

von Daniel Neumann  14.11.2024

New York

Sotheby’s will 1500 Jahre alte Steintafel mit den Zehn Geboten versteigern

Mit welcher Summe rechnet das Auktionshaus?

 14.11.2024

Lech Lecha

»Und du sollst ein Segen sein«

Die Tora verpflichtet jeden Einzelnen von uns, in der Gesellschaft zu Wachstum und Wohlstand beizutragen

von Yonatan Amrani  08.11.2024

Talmudisches

Planeten

Die Sterne und die Himmelskörper haben Funktionen – das wussten schon unsere Weisen

von Chajm Guski  08.11.2024