Zaw

Das Volk der Drei

Foto: Getty Images

Zaw

Das Volk der Drei

Warum zwischen Priestern, Leviten und gewöhnlichen Israeliten unterschieden wurde

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  11.04.2025 09:14 Uhr

Bereits im vorangegangenen Abschnitt Wajikra wurden die einzelnen Opferarten erwähnt. In der Parascha Zaw werden sie erneut behandelt. Diesmal unter dem Aspekt, welche Rituale bei den Opfern zu beachten sind. Deshalb werden hier die Priester selbst angesprochen: »Gebiete Aharon und seinen Söhnen« (3. Buch Mose 6,2).

Bevor sie ihren Dienst antreten, werden sie von Mosche eingekleidet und zu Priestern gesalbt. Ihre zentrale Stellung und Bedeutung für das Volk Israel wird hier beschrieben. Im Weiteren wird zwischen Priestern (Kohanim), Leviten und gewöhnlichen Israeliten unterschieden. In unseren Tagen sind wir allerdings nicht mehr in der Lage, mit Sicherheit festzustellen, wer ein Kohen und wer ein Levit ist.

Die Priester dürfen keinen Friedhof betreten. Sie waschen ihre Hände und ziehen die Schuhe aus, wenn sie in der Synagoge den Segen sprechen. Zur Toralesung wird zuerst ein Kohen, dann ein Levit und danach ein Israelit aus der Gemeinde aufgerufen.

Im Jerusalemer Tempel war der Dienst in Schichten organisiert

Das Wort Kohen bedeutet amtieren, dienen und vorbereiten. Diese Tätigkeiten beziehen sich vor allem auf die Opferungen, die im Jerusalemer Tempel vollzogen wurden. Dort war der Dienst in Schichten organisiert. Hatte ein Priester im Zentralheiligtum keinen Dienst, unterrichtete er Tora in den Dörfern und Städten Israels. Gemäß ihrem Auftrag hielten sie das Volk zu spiritueller Heiligung an: »Denn des Priesters Lippen sollen die Lehre bewahren, dass man aus seinem Munde Weisung suche; denn er ist ein Bote des Herrn Zewaoth« (Maleachi 2,7). Da den Priestern kein Erbe am Land Israel zufiel, konnten sie auch keine Landwirtschaft betreiben, die ihren Unterhalt abgesichert hätte. Sie lebten von den Gaben, die Israel dem Ewigen darzubringen hatte.

Im 4. Buch Mose 18, 8–19 wird genau beschrieben, was ihnen von den Opfergaben zum Unterhalt zustand. Um diese in Reinheit verzehren zu können, beachteten sie die strengen kultischen Richtlinien, die speziell für ihren Stand galten (3. Buch Mose 21; 22). Diese Art zu leben, war nicht nur von äußerlicher Natur. Sie hatte einen spirituellen Sinn. Der Maharal, Rabbi Jehuda Löw von Prag (1525–1609), weist darauf hin, dass im 2. Buch Mose die Eltern Mosches als Nachkommen des Stammes Levi genannt werden.

Demzufolge hatte sich dieser Stamm schon vor dem Auszug der Israeliten aus Ägypten formiert. Ein Blick ins 1. Buch Schmuel bestätigt diese Einschätzung: »Es kam aber ein Mann Gottes zu Eli und sprach zu ihm: ›So spricht der Ewige: Ich habe mich offenbart dem Haus deines Vaters, als sie noch in Ägypten dem Haus des Pharaos gehörten, und hab’s mir erwählt aus allen Stämmen Israels zum Priestertum, dass sie auf meinem Altar opfern‹« (2, 27–28).

Pharao akzeptierte die besondere Stellung der Leviten innerhalb der Kinder Israels

Zudem wird erzählt, dass sich Mosche und sein älterer Bruder Aharon in einer herausgehobenen Position befinden. Sie sind offenbar nicht nur von der Sklavenarbeit der Israeliten freigestellt, sondern haben direkten Zugang zum Pharao und gehen ihn wiederholt um den Auszug Israels aus Ägypten an. Aus dieser Beobachtung schließen unsere Weisen, dass der Pharao die besondere Stellung der Leviten innerhalb der Kinder Israels akzeptiert und sie deshalb auch nicht versklavt hat.

Wie kam es dazu, dass ausgerechnet der Stamm Levi von Gott zum Priesterdienst bestimmt wurde? Er ist Jakows drittgeborener Sohn, von dem Lea, seine Mutter, sagt: »›Nun wird mein Mann mir doch zugetan sein, denn ich habe ihm drei Söhne geboren.‹ Darum nannte sie ihn Levi«
(1. Buch Mose 29,34).

Der Maharal erklärt: Jede Zahl hat ihre Bedeutung. Die Zahl eins entspricht dem Anfang, der Quelle. Die Zwei beschreibt die Spaltung der Quelle. Die Zahl drei ermöglicht die Verbindung zwischen zwei Polen. Sie entfaltet stärkende Wirkung, wie wir in Kohelet 4,12 lesen: »Einer mag überwältigt werden, aber zwei können widerstehen, und eine dreifache Schnur reißt nicht leicht entzwei.«

Der dritte Stamm Israels war derjenige, der alle Stämme miteinander verbindet

So ist der dritte Stamm Israels derjenige, der alle Stämme miteinander verbindet, indem er sie durch seinen priesterlichen Dienst mit Gott verbindet.

Wenn wir auf den weiteren Zusammenhang der Schöpfungserzählung schauen, erhalten wir ein vertieftes Verständnis von der Rolle, die der Stamm Levi für die Gesamtheit Israels spielt.

Am ersten Tag wird von einem alles umfassenden Licht gesprochen. Nach Abschluss der Schöpfungswerke des zweiten Tages fehlt die Bemerkung »Denn es war sehr gut«. Unsere Weisen erklären das Fehlen damit, dass an diesem Tag die Hölle erschaffen wurde. Zudem sagt Rabbi Bachjä: Die Zahl 2 entspricht dem Aufspalten eines Ganzen in zwei Teile oder Pole, wie es am zweiten Schöpfungstag durch die Trennung der Wasser in einen oberen und unteren Bereich geschieht.

Am dritten Tag jedoch wird zweimal geurteilt: Und es war gut. Hier wird das Defizit des zweiten Tages korrigiert. Zwischen den Wassern oben und unten schafft Gott die Feste. Die Erde, Gottes drittes Werk, verleiht der ganzen Schöpfung Stand und Stabilität.

Opfer stärken und erheben den Geist und den Mut des Volkes

Diese fundamentalen Eigenschaften werden dem Stamm Levi zugeschrieben. Rabbi Kook sagt: Als sein organischer Bestandteil verkörpert der Stamm die spirituelle Ausrichtung des Volkes – wie es Mosche und Aharon als Angehörige des Stammes Levi bereits in Ägypten getan haben. Durch das Darbringen der Opfer stärken und erheben die Priester den Geist und den Mut des Volkes. Und auch, wenn die Priester und Leviten nicht öffentlich auftreten – schon die Tatsache, dass sie existieren, bringt Heiligkeit ins Volk.

Darüber hinaus gilt für ganz Israel: »Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein« (2. Buch Mose 19,6). Als ein Volk von Priestern hat Israel die Aufgabe, die Völker der Welt zusammenzubringen und sie spirituell zu erleuchten.

Es ist kein Zufall: Der Ewige hat den dreifach gegliederten Tanach (Tora, Propheten, Schriften) dem Volk der drei Väter (Awraham, Jizchak und Jakow) und drei Ständen (Priester, Leviten, Israeliten) durch einen Drittgeborenen (Mosche hatte zwei ältere Geschwister) am dritten Tag im dritten Monat verliehen (Talmud Schabbat 88,1). Der Auftrag könnte nicht deutlicher sein: Das von der Drei geprägte Volk Israel (am talita) soll mithilfe der Tora Spaltungen überwinden, Auseinanderstrebendes in der Welt zusammenführen und nicht zuletzt Himmel und Erde miteinander verbinden.

Der Autor ist Rabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg und Mitglied der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK).

inhalt
Der letzte Schabbat vor Pessach wird »Schabbat Hagadol«, der erhabene Schabbat, genannt. An diesem Schabbat bereitet man sich auf das bevorstehende Fest der Befreiung aus der Sklaverei Ägyptens vor. In der Toralesung am vergangenen Schabbat sind die fünf Arten von Opfern eingeführt worden. Im Wochenabschnitt Zaw werden sie nun näher erläutert: das Brand-, das Friedens-, das Sünd- und das Schuldopfer sowie verschiedene Arten von Speiseopfern. Dem folgen die Schilderungen, wie das Stiftszelt eröffnet und Aharon mit seinen Söhnen ins Priesteramt eingeführt wird.
3. Buch Mose 6,1 – 8,36

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025

Feiertage

Pessach ist das jüdische Fest der Freiheit - und der Frauen

Die Rolle und Verdienste von Frauen würdigen - dafür ist Pessach eine gute Gelegenheit, sagen Rabbinerinnen. Warum sie das meinen und welchen Ausdruck diese Perspektive findet

von Leticia Witte  11.04.2025

Exodus

Alle, die mit uns kamen …

Mit den Israeliten zogen noch andere »Fremde« aus Ägypten. Was wissen wir über sie?

von Sophie Bigot Goldblum  11.04.2025

Stärke

An den Prinzipien festhalten

In der Haggada heißt es, dass Juden in jeder Generation Feinde haben werden. Klingt entmutigend? Soll es nicht!

von Rabbiner Raphael Evers  11.04.2025

Talmudisches

Ägypten

Was unsere Weisen über das Land des Auszugs der Israeliten lehrten

von Chajm Guski  11.04.2025

Chametz-Verkauf

Der etwas andere Broterwerb

Juden dürfen an Pessach gesäuertes Getreide weder essen noch besitzen. Das führte in der Geschichte zu existenzbedrohenden Problemen. Die Rabbiner fanden kreative Lösungen

von Rabbiner Dovid Gernetz  10.04.2025

Talmudisches

Birkat HaIlanot

Warum für unsere Weisen mit dem Anblick der blühenden Bäume nicht nur eine visuelle Freude verbunden ist

von Rabbinerin Yael Deusel  04.04.2025

Geschichte

Das Rätsel der christlichen Kabbala

In einer Dorfkirche im Schwarzwald hängt ein außergewöhnliches Gemälde. Unser Autor ist hingefahren, um die evangelische Sicht auf die jüdische Mystik zu verstehen

von Valentin Schmid  04.04.2025

Rabbinerausbildung

»Wenn es kriselt: durchatmen«

Dmitrij Belkin ist Vorstand der neuen Nathan Peter Levinson Stiftung. In seinem ersten Semester am Potsdamer Standort, der durch den Homolka-Skandal vorbelastet ist, hat er gelernt, Ruhe zu bewahren

von Mascha Malburg  03.04.2025 Aktualisiert