Rabbiner Apel, Schawuot war das erste große Fest, an dem Synagogen in Deutschland wieder geöffnet waren. Wie sind die G’ttesdienste verlaufen?
In Frankfurt hat der Tikkun, das gemeinsame Lernen, nicht die ganze Nacht gedauert, weil wir auf eine Mahlzeit und den gemeinsamen Kaffee verzichten mussten. Eis gab es nur aus der Packung, wir hatten keine Veranstaltung für Kinder und haben schon um 23 Uhr Schluss gemacht. Trotzdem haben wir Tora gelernt. Wir versuchen, unser Maximum zu geben und dennoch dafür zu sorgen, dass die Menschen gesund bleiben. Wir Rabbiner der Orthodoxen Rabbinerkonferenz waren auch froh, zu sehen, dass wir in der Nacht vor Schawuot mit 13 Online-Schiurim etwa 260 Personen erreicht haben. Viele sind durstig nach Lehre und Tradition. Leider gab es dieses Jahr nicht überall Lernmöglichkeiten.
In den USA werden zahlreiche Gebete und Minjamin wegen der Pandemie im Freien anstatt in den Synagogen organisiert. Sollten wir uns daran ein Beispiel nehmen?
Wir Rabbiner in Deutschland stehen in engem Austausch mit unseren Kollegen in den USA, aber zum Glück ist bei uns die Situation nicht so schlimm wie dort, wo die Rabbiner ständig mit Beerdigungen zu tun haben. In Deutschland ist, G’tt sei Dank, alles sicherer und disziplinierter. Deshalb sehe ich hier keine zwingende Notwendigkeit, genauso vorzugehen.
Infolge eines G’ttesdienstes in einer Frankfurter Baptistengemeinde gab es mehr als 200 Corona-Infizierte. Wie können wir dies in Synagogen vermeiden?
In der Frankfurter Westend-Synagoge tragen alle Beter freiwillig ihre Masken, und wir verzichten komplett auf Gesang. Sogar der Kantor darf nicht singen, und er steht weit entfernt von den Betern.
Haben Sie schon Planungen für Rosch Haschana und Jom Kippur?
Wir fangen jetzt nach Schawuot mit den Vorbereitungen an. Wir hoffen, dass die Gebete nicht nur in den Synagogen stattfinden werden, sondern auch in weiteren Sälen der Gemeinde, damit unter Wahrung der Abstandsregeln alle Beterinnen und Beter teilnehmen können. An Schawuot reichte die Westend-Synagoge für alle, die kommen wollten, aus. An den Hohen Feiertagen wird das anders sein. Das ist natürlich eine Herausforderung, weil viele an den Hohen Feiertagen ihre angestammten Plätze haben möchten. Manche Menschen sitzen seit 50 Jahren auf demselben Platz. Viele kommen für das pure Gebet, aber viele kommen auch wegen der Tradition. Und wir wollen, dass sich alle auch unter neuen Umständen wohlfühlen.
Kann sich ein Rabbiner in Corona-Zeiten denn freuen, wenn seine Synagoge voll ist?
Ein Rabbiner freut sich, wenn seine Gemeinde an Leib und Seele gesund ist. Und wir tun dafür alles, was wir können.
Mit dem Frankfurter Gemeinderabbiner und Mitglied des Vorstands der
Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) sprach Ayala Goldmann.