Schmitta

»Das Land liege brach«

Pause: Alle sieben Jahre erholt sich das Feld. Foto: Stephan Pramme

Schon im Wochenabschnitt Mischpatim haben wir von der Mizwa, das Schabbatjahr zu halten, gelesen: »Im siebenten Jahr aber liege das Land brach und verlassen da« (2. Buch Mose 23,11). Unsere Parascha enthält nun ausführliche Darlegungen dazu. Zweimal erwähnt die Tora, dass das Schabbatjahr ein Schabbat für Gott ist (Schabbat laschem): »So soll das Land einen Schabbat dem Ewigen feiern« (3. Buch Mose 25,2), und »Das siebente Jahr aber soll für das Land ein hoher Schabbat sein, ein Schabbat dem Ewigen« (25,4).

Diese Aussagen verdeutlichen, dass die Idee des Schabbatjahres eng mit der des Schabbats verknüpft ist. Es liegt also nahe, zuerst einmal die Mizwa des Schabbats zu analysieren, um seine Weiterführung im Schabbatjahr besser verstehen zu können.

Im Abschnitt Jitro steht geschrieben: »Sechs Tage darfst du arbeiten und alle deine Werke verrichten. Aber der siebente Tag ist ein Schabbat dem Ewigen, deinem Gott« (2. Buch Mose 20,9). Zur Begründung wird angefügt: »Denn in sechs Tagen hat der Ewige den Himmel und die Erde und das Meer und alles, was in ihnen ist, erschaffen, aber am siebenten Tage ruhte er. Darum hat der Ewige den Schabbat gesegnet und geheiligt« (20,11).

Mit der Erschaffung der Welt ist der Schabbat geboren, und seitdem sollen wir uns an ihm – nach dem Vorbild Gottes – jeglicher Tätigkeit enthalten. Es geht für den Menschen darum, Ruhe zu finden und Gott die Ehre zu geben, Ihn und diesen Tag heilig zu halten. Aber abgesehen davon, ob der Mensch von Generation zu Generation den Schabbat heiligt oder nicht, bleibt er heilig. Die Heiligkeit ist ihm von Gott ein für alle Mal gegeben.

Knechte In der zweiten Fassung der Zehn Gebote (5. Buch Mose 5) finden wir eine andere Interpretation zum Schabbatgebot: Nach sechs Tagen Arbeit folgt der siebte Tag, ein Schabbat für Gott. An ihm darf keine Arbeit verrichtet werden, weder von Mensch noch Tier, dass alle, auch Knechte und Mägde, sich ausruhen können. Und nun heißt es zur Begründung: »Denn du sollst gedenken, dass du auch Knecht in Ägyptenland warst, und der Ewige, dein Gott, hat dich von dort herausgeführt« (5,15).

Mit dem Thema der Schabbatheiligung wird hier die Erinnerung an Gottes Schöpferwirken und die Erinnerung an sein Eingreifen zur Befreiung der Israeliten aus der ägyptischen Knechtschaft verbunden. Beide Aussagen zielen darauf, die Existenz Gottes zum Ausdruck zu bringen.

Das Gebot der Schmitta ist diesem Gedanken des Schabbats eng verwandt. So wie der siebte Tag ein Schabbat für Gott ist, so soll das siebte Jahr ein Schabbatjahr für Gott und ihm geheiligt sein. In diesem Jahr soll sich das Land von jeder Art der Bearbeitung ausruhen (3. Buch Mose 25, 4–5).

Erlassjahr Interessanterweise gibt die Tora keinen Grund für das Schabbatjahr an. Aber im Abschnitt über das Erlassjahr steht ein Vers, der uns zwei Hinweise liefert: »Der Boden darf nicht auf ewig verkauft werden, denn mein ist das Land; denn Fremdlinge und Beisassen seid ihr bei mir« (25,23).

Die Wörter, die die Begründung ausführen, beginnen beide mit »ki« – »denn«. Das erste »ki« charakterisiert das Land, das zweite den Menschen. Das Land ist Eigentum Gottes, von ihm bezieht es seine Heiligkeit. Die das Land bearbeitende Bevölkerung befindet sich also auf fremdem, ihr nur auf Zeit geliehenem Grund und Boden. Sie soll sich besonders im Joweljahr vergegenwärtigen, dass ihre materielle Grundlage Gott gehört. Der Mensch ist lediglich Treuhänder und Pächter des Landes, das ihm der Schöpfer für eine begrenzte Zeit überlässt.

»Und du sollst zählen sieben Schabbatjahre, sieben mal sieben Jahre, dass die Zeit der sieben Schabbatjahre 49 Jahre mache. Da sollst du die Posaune blasen lassen durch euer ganzes Land am zehnten Tage des siebten Monats, am Versöhnungstag. Und ihr sollt das fünfzigste Jahr heiligen und sollt eine Freilassung ausrufen im Lande für alle, die darin wohnen; es soll ein Erlassjahr für euch sein. Da soll ein jeder bei euch wieder zu seiner Habe und zu seiner Sippe kommen« (25, 8–11).
Das Gebot zur Befreiung der Sklaven von ihren Herrn und das Gebot zur Befreiung des Bodens von seinem Bearbeiter im Joweljahr trägt der grundlegenden Einsicht Rechnung, dass der Mensch nur temporär auf der Welt und seine Zeit hier begrenzt ist.

Zyklus Die Mizwa des Erlassjahres ist ein Spezifikum des Judentums. Wohl wurde in der Antike die Befreiung der Sklaven als ein Gnadenakt der Könige ausgeübt, aber mit dem Ziel, die Beliebtheit der Herrschenden zu fördern. Im alten Israel war sie als Gottesgesetz weit höher angebunden und keiner politischen Willkür und »guter Laune« unterworfen. Der Zeitpunkt der Befreiung war durch einen festen Zyklus verlässlich vorgegeben. So stand wirklich das Wohl des Sklaven im Mittelpunkt.

Beide Bereiche, sei es die Praxis der Sklaverei oder die Nutzung des Landes durch den Menschen, bringen unverkennbar zum Ausdruck: Hier herrscht der Mensch. Gegenüber seinem unbändigen Willen zur Macht gebieten ihm die Mizwot des Schabbat- und Joweljahres Einhalt. Sie weisen ihn in seine zeitlichen Schranken.

Sie erinnern den Menschen an seine wahre Stellung in der Welt und sagen ihm: Wie sehr du dich auch als Herr über andere und die Erde gebärdest, du bist von Gottes Segen in jeder Hinsicht abhängig. Lebt der Mensch aber in einem ausgewogenen Verhältnis mit den Gaben seines Schöpfers, dann steht der Friede zwischen ihm und dem von ihm beackerten Boden im Dienst der Weltverbesserung (Tikkun Olam).

Zudem verheißt uns die Einhaltung der Mizwot zum Schabbatjahr Versöhnung. So kommt es zu einem harmonischen Miteinander von Schöpfer, Mensch und Erde. Sie ist der Stoff, der die Kraft und die Möglichkeit in sich birgt, das Leben zum Blühen zu bringen. Als Mitarbeiter Gottes ist der Mensch in den Dienst gestellt, die Erde urbar und fruchtbar zu machen. Das verlangt ihm zwar schwere Arbeit ab. Aber sie ist ihm von Gott aufgetragen. Dadurch ehrt er die Erde, von der er genommen wurde und zu der er am Ende seines Lebens zurückkehrt.

Alle drei zunächst auf die Atempause der Erde bezogenen Mizwot des Schabbats, des Schabbatjahres und des Joweljahres symbolisieren die Prinzipien von Freiheit und Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft.

Studium

»Was wir von den Rabbinern erwarten, ist enorm«

Seit 15 Jahren werden in Deutschland wieder orthodoxe Rabbiner ausgebildet. Ein Gespräch mit dem Gründungsdirektor des Rabbinerseminars zu Berlin, Josh Spinner, und Zentralratspräsident Josef Schuster

von Mascha Malburg  21.11.2024

Europäische Rabbinerkonferenz

Rabbiner beunruhigt über Papst-Worte zu Völkermord-Untersuchung

Sie sprechen von »heimlicher Propaganda«, um Verantwortung auf die Opfer zu verlagern: Die Europäische Rabbinerkonferenz kritisiert Völkermord-Vorwürfe gegen Israel scharf. Und blickt auch auf jüngste Papst-Äußerungen

von Leticia Witte  19.11.2024

Engagement

Im Kleinen die Welt verbessern

Mitzvah Day: Wie der Tag der guten Taten positiven Einfluss auf die Welt nehmen will

von Paula Konersmann  17.11.2024

Wajera

Offene Türen

Am Beispiel Awrahams lehrt uns die Tora, gastfreundlich zu sein

von David Gavriel Ilishaev  15.11.2024

Talmudisches

Hiob und die Kundschafter

Was unsere Weisen über die Ankunft der Spione schreiben

von Vyacheslav Dobrovych  15.11.2024

Gebote

Himmlische Belohnung

Ein Leben nach Gʼttes Regeln wird honoriert – so steht es in der Tora. Aber wie soll das funktionieren?

von Daniel Neumann  14.11.2024

New York

Sotheby’s will 1500 Jahre alte Steintafel mit den Zehn Geboten versteigern

Mit welcher Summe rechnet das Auktionshaus?

 14.11.2024

Lech Lecha

»Und du sollst ein Segen sein«

Die Tora verpflichtet jeden Einzelnen von uns, in der Gesellschaft zu Wachstum und Wohlstand beizutragen

von Yonatan Amrani  08.11.2024

Talmudisches

Planeten

Die Sterne und die Himmelskörper haben Funktionen – das wussten schon unsere Weisen

von Chajm Guski  08.11.2024