Wer schon einmal an Pessach, Schawuot oder Sukkot in Israel gewesen ist, hatte sicherlich das Gefühl, dass die Feiertage dort viel kürzer sind. Dies ist keine Einbildung und liegt auch nicht daran, dass die Zeit in Israel schneller vergeht.
Denn die Israelis feiern zum Beispiel Schemini Azeret und Simchat Tora am landläufig als »achten Tag von Sukkot« bekannten Tag zusammen – im Gegensatz zu den Juden der Diaspora, die Schemini Azeret am »achten Sukkot-Tag« und Simchat Tora am Tag danach feiern.
Azeret
»Azeret« kommt von der Wortwurzel »azar«, das bedeutet so viel wie aufhören, stocken oder etwas abschließen
Ruhe Allerdings gibt es eigentlich keinen achten Tag von Sukkot. Wie unter anderem im 4. Buch Mose 23,36 beschrieben, ist Schemini Azeret ein öffentlicher Feiertag: »Am achten Tag kommt ihr zur großen Festversammlung zusammen; alle Arbeit muss an diesem Tag ruhen«.
Obwohl Schemini Azeret unmittelbar auf das siebentägige Fest von Sukkot folgt und oft als Teil von Sukkot angesehen wird, ist er eigentlich ein eigenständiger Feiertag. So wird der Schehechejanu-Segen erneut gesprochen – und die Verpflichtung, in der Sukka zu sitzen, gilt nicht mehr.
Schawuot ist der dritte Feiertag im Bunde, der in Israel nur einen Tag dauert.
Eine ähnliche »Zeitverschiebung« zwischen Israel und der Diaspora wie an Sukkot gibt es auch an Pessach: Am achten Tag liegt in Israel schon am frühen Morgen der Geruch von frisch gebackenem Brot in der Luft, während außerhalb von Israel der Genuss von Chametz, Gesäuertem, erst nach dem achten Tag gestattet ist. Schawuot ist der dritte Feiertag im Bunde, der in Israel nur einen Tag dauert.
Monat Woran liegt das? Gemäß der Tora dauern Pessach und Sukkot je sieben Tage und Schawuot nur einen Tag. Deren Datum wird von der Tora festgelegt, aber um es genau zu ermitteln, muss man zunächst wissen, wann der Monat begonnen hatte.
In den Zeiten des Tempels saß der Sanhedrin, das höchste, aus 71 Weisen bestehende, jüdische Gericht, in Jerusalem. Dieser Gerichtshof repräsentierte alle jüdischen Weisen und war die höchste Instanz im jüdischen Volk.
Zu den Aufgaben des Sanhedrins gehörte es, den Beginn eines neuen Monats zu bestimmen. Dafür mussten zwei jüdische Männer vor dem Sanhedrin erscheinen und bezeugen, dass sie den »neuen« Mond gesehen hatten. Die Zeugen wurden vernommen, und nachdem sich der Sanhedrin davon überzeugt hatte, dass sie die Wahrheit sprechen, wurde feierlich der Beginn eines neuen Monats verkündet.
Lagerfeuer Damit die Feiertage zur richtigen Zeit gefeiert werden konnten, musste diese Nachricht so schnell wie möglich im ganzen jüdischen Volk verbreitet werden. Zunächst wurden auf den Hügeln Jerusalems Lagerfeuer angezündet, um zu signalisieren, dass ein neuer Monat begonnen hatte, und sobald diese von den Menschen in der Umgebung wahrgenommen wurden, entfachten sie ebenfalls Lagerfeuer. Auf diese Weise verbreitete sich die Kunde relativ zügig im ganzen Heiligen Land.
Jedoch bildeten sich im Laufe der Zeit extremistische Gruppierungen, die mit allen möglichen Mitteln versuchten, die Autorität des Sanhedrins zu untergraben. So zündeten sie willkürlich Lagerfeuer auf den Hügeln, um die Menschen außerhalb von Jerusalem zu verwirren und sie glauben zu lassen, dass ein neuer Monat begonnen hat.
Das Anzünden von Lagerfeuern als Signal wurde daher eingestellt und stattdessen wurden spezielle Boten geschickt, welche die Kunde bis in den letzten Winkel verbreiteten. Jedoch war diese Methode viel zeitaufwendiger, und nicht immer schafften es die Boten, rechtzeitig vor Beginn des Feiertags anzukommen.
Diaspora
Diaspora bedeutet Zerstreuung und bezeichnet seit dem späten 19. Jahrhundert hauptsächlich religiöse oder ethnische Gruppen, die ihre traditionelle Heimat verlassen haben
In diesem Fall mussten die Menschen einen weiteren Tag hinzufügen, für den Fall, dass der neue Monat einen Tag später begonnen hatte. Dieser zusätzliche Feiertag wurde »Sofek Jom Tov« (Zweifel-Feiertag) genannt und hatte dieselben Gesetze wie der eigentliche Feiertag.
Mond Im Jahr 358/9 n.d.Z. rechnete der jüdische Gelehrte Hillel II. mathematisch aus, wann sich der Mond jeweils erneuern wird, und stellte einen Luach, einen Kalender, zusammen.
Trotzdem wurde der Kalender durch das Beit Din mithilfe von Zeugen bestimmt und nicht anhand des Luachs. Erst nachdem die Prozedur der Bestimmung des neuen Monats durch Zeugen von den Römern verboten wurde, richtete man sich offiziell nach dem mathematischen Luach von Hillel.
Nichtsdestotrotz legten die jüdischen Weisen fest, dass man den »Brauch der Väter« fortsetzen und in der Diaspora einen weiteren Feiertag hinzufügen soll (Talmud Beiza 4b), so wie es zu Zeiten des Sanhedrins gewesen ist.