Familie

Das Dilemma der Sandwich-Generation

Die Mizwa, unsere Eltern zu ehren, ist keine Anleitung zum Märtyrertum. Foto: Thinkstock

Um drei Uhr nachmittags klingelte das Telefon. Ich hörte die panische Stimme meiner Freundin Chava. »Meine Mutter ist am Ende! Die Pflegerin für meinen Vater ist nicht erschienen! Ich kann nicht zu ihr fahren, weil heute Elternabend ist. Und zu allem Überfluss schaffe ich es einfach nicht, drei Kilo abzunehmen, damit ich zu Shaindys Hochzeit wieder in mein Kleid passe!«

Willkommen im »mittleren Alter«! Während unsere Lebenserwartung steigt und steigt, steigen auch die Ansprüche an die »mittleren Jahre«. Obwohl wir Geburtstagskindern wünschen, sie mögen 120 werden, sollten wir uns, finde ich, spätestens am 50. Geburtstag eingestehen, dass wir in einer neuen Realität angekommen sind – obwohl es unter den Babyboomern ja heißt, 50 sei das neue 40.

Weisheit Es ist immer klüger, die Wirklichkeit zu akzeptieren, als auf sie zu schimpfen. Im mittleren Alter zu stehen, kann so schön sein – es hängt alles von unserer Einstellung ab und von den positiven (oder, Gott bewahre, negativen) Dingen, die wir damit assoziieren. Vielleicht sind die Etiketten irreführend. Das »Alter der Weisheit«, das »Alter, das neuen Schwung und neue Energie bringt«, wäre wesentlich beflügelnder als »mittleres Alter«.

Noch ein anderes Etikett wird uns verpasst: Von nun an sind wir eingetragene Vollmitglieder der »Sandwich-Generation«. Dieses hässliche Bild will sagen, dass wir zwischen zwei Mühlsteinen zerquetscht werden: unseren groß gewordenen Kindern auf der einen und unseren alternden Eltern auf der anderen Seite.

Diese Rolle bringt eine Menge Herausforderungen mit sich. Die erste betrifft unsere innere Einstellung. Wenn wir uns nur als belagerte (und verbitterte) Eltern und Kinder sehen, die die von beiden Seiten dräuenden Stürme kaum überstehen und ständig darum kämpfen, den Kopf über Wasser zu halten, trifft das Etikett zu. Doch was passiert, wenn wir uns auf die Chance statt auf die Bürde konzentrieren? Auf die Freude statt auf den Schmerz? Ist es nicht ein Glück, dass unsere Eltern noch am Leben sind, dass sie ihre Enkel noch kennenlernen durften? Sind wir nicht gesegnet, Kinder zu haben? Kinder, die auch zu ihren Großeltern eine Beziehung haben?

Ja, oft ist es schwer, alles unter einen Hut zu bringen. Das ist dann der Punkt, an dem wir vernünftigen, praktischen Rat und rabbinische Orientierung brauchen. Die Mizwa, unsere Eltern zu ehren, ist keine Anleitung zum Märtyrertum. Wir erfüllen die Mizwa, wenn wir alles tun, was die Halacha uns auferlegt – in den Grenzen unserer emotionalen und körperlichen Belastbarkeit, doch nicht darüber hinaus – nicht um den Preis, dass wir unsere Seele und unsere Familie zerstören.

Oma und Opa Es gibt viele Strategien, wie wir vermeiden können, an diesem Punkt anzugelangen. Dann rauben wir die Zeit, die wir mit den Großeltern verbringen, nicht der Familie. Die Aufgabe mit Freude anzugehen, ermutigt auch unsere Kinder, in der gleichen Weise daran teilzuhaben, und verhindert, dass sie den Besuch bei den Großeltern als Stress empfinden.

Vor Kurzem war ich auf der Beerdigung eines 95-jährigen Mannes. Er war 71 Jahre verheiratet und hinterließ neben seiner Frau und seinen Kindern 14 Enkel und acht Urenkel. Bei der Beerdigung sagte seine achtjährige Urenkelin unter Tränen, wie sehr sie ihren Zaide vermisse. Alle waren gerührt. Und es fiel leicht, die Frage zu beantworten: War die Zeit, die das Mädchen mit ihrem Großvater verbracht hatte, selbst als er krank wurde, eine Belastung oder ein Geschenk?

Wir bewegen uns auf einem schmalen Grat zwischen Mitgefühl und praktischer Wirklichkeit. Wir müssen einschätzen, was wir für unsere Eltern tun können, was unsere Kinder tun können, was Freunde und soziale Einrichtungen tun können. Wir müssen herausfinden, was das jüdische Gesetz von uns fordert, und ehrlich einschätzen, was wir leisten können. Wir freuen uns über die Chance, unseren Eltern etwas von dem, was sie uns gaben, zurückzugeben.

Ei Doch wenn wir unsere Grenzen genau kennen, dann lassen wir es nicht zu, dass wir uns fühlen, als würden wir zwischen zwei Mühlsteinen zermahlen. Mir fällt die Geschichte von der armen Frau mit den vielen Kindern ein. Eines Tages bringt ihr Mann einen Schatz mit nach Hause: ein frisches Ei. Die Frau steht Höllenqualen aus, weil sie nicht weiß, was sie tun soll. Wer soll das Ei bekommen? Ihr ältestes Kind? Ihr jüngstes Kind? Ihre Tochter, die verlobt ist? Soll sie es unter allen aufteilen? Schließlich sperrt sie sich im Schlafzimmer ein und isst das Ei selbst auf.

Eine gute Entscheidung! Wenn wir uns ausgenutzt fühlen, wenn wir glauben, wir sollten mehr freie Zeit und anspruchslosere, pflegeleichtere Eltern und Kinder haben, bleiben wir im Sandwich stecken. Doch wenn wir dankbar sind für unsere Kinder und unsere Eltern, für die Kraft und die Freude, die wir daraus ziehen, dann wird die Aufgabe zu einem Vergnügen.

Wie jede Phase des Lebens sollte auch das »mittlere Alter« begrüßt und in vollen Zügen gelebt werden. Wir haben hart gearbeitet, um bis hierher zu kommen. Wir wollen nicht durch unsere Jahre hetzen. Mit der richtigen und optimistischen Einstellung werden wir jüngeren Freunden mit einem Lächeln und einem Funkeln im Auge sagen können, sie wüssten ja gar nicht, was sie verpassen!

Übersetzung und Abdruck mit freundlicher Genehmigung von www.aish.com

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