Behar-Bechukotaj

»Darin sollst du Tag und Nacht eintauchen«

Das Torastudium ist der einzige Weg, eine persönliche Verbindung zu G’tt und seiner Lehre aufzubauen. Foto: Getty Images / istock

Es ist noch nicht lange her, dass ein Rabbiner ein Buch namens Erlaubnis zum Glauben geschrieben hat. Der Titel ist einfach und aufschlussreich. Wir leben in einer Welt voller Zweifel, in der der Glaube ein seltenes Gut ist. Daher könnte man das Gefühl haben, dass es einer Erlaubnis bedarf, um überhaupt glauben zu dürfen.

Einerseits gibt es tief im Herzen jedes Menschen die natürliche Neigung, an etwas Übernatürliches, Größeres zu glauben. Andererseits neigt die skeptische Umgebung dazu, alles zu unterdrücken. Daher fehlt unserem Geist die Bestärkung, die Ermutigung, dass wir, wenn wir uns trauen zu glauben, immer noch als normal angesehen werden. Das Scheitern liegt nicht in uns, es gibt einen rationalen Weg zu glauben − so die Botschaft dieses Buches.

Das ist ein wirklich aktuelles Thema, und es ist schwer, seine Bedeutung infrage zu stellen. Aber diejenigen, die bereits glauben, brauchen eine andere Erlaubnis (besonders, wenn sie Juden sind): eine Erlaubnis zu lernen. Dies liegt daran, dass es Menschen oft schwerfällt, Sinn und Ziele im Akt des Lernens zu finden.

FLÜCHE In unserer Parascha lesen wir von Segnungen und Flüchen: Segen, wenn wir Dinge nach dem Willen des Allmächtigen tun, und Flüche, wenn das Gegenteil der Fall ist. Die Liste der Segnungen beginnt mit den Bedingungen: »wenn du in meinen Gesetzen wandelst und meine Gebote hütest und sie ausführst« (26,3).

Der mittelalterliche Kommentator Raschi (1040−1105) erklärt, dass der erste Segen sich auf das Mühen in der Tora (Ameilut) bezieht. Ohne Raschis Erklärung könnten wir die dreifache Wiederholung nicht verstehen. Aber jetzt scheint die Logik klar zu sein: Die erste Bedingung betrifft das gründliche Studium der Tora, die zweite die Vermeidung von Verboten, die dritte die Erfüllung der Gebote.

Etwas später, wenn wir über die Flüche lesen, kehrt der gleiche Ausdruck zurück. Aber dort lesen wir über eine Beschreibung einer ganzen Kette von Ereignissen (26, 14−15). Es heißt − wie von Raschi erklärt −, dass jeder, der sich nicht die Tora erarbeitet (sie also auch unter Mühe lernt), erst dazu kommen wird, andere zu hassen, die die Mizwot ausführen, danach wird er die Weisen hassen und andere daran hindern, die Mizwot zu erfüllen. Daraufhin wird er die Tatsache leugnen, dass Haschem die Tora gegeben hat, und am Ende wird er gar die Existenz G’ttes leugnen.

Wir können natürlich nicht davon ausgehen, dass diese Schritte einer nach dem anderen folgen werden. Denn würde dies tatsächlich auf alle Menschen zutreffen, wäre es unmöglich, jemandem zu begegnen, der an Haschem glaubt, aber sich nicht die Tora erarbeitet. Und letztendlich hören wir doch von einer ganzen Reihe solcher Menschen.

PSYCHOLOGIE Diese Erklärung wirft allerdings ein Licht auf die Psychologie und die weitreichenden Konsequenzen des Torastudiums und seiner Vernachlässigung. Dies liegt daran, dass das Studium der einzige Weg ist, eine persönliche Verbindung zu G’tt und seiner Tora aufzubauen. Wenn dieses fehlt und man trotzdem weiterhin religiös bleibt, kann dies nur auf ein außerordentliches Maß an Glauben, vollkommene Charaktereigenschaften oder bloße intellektuelle Faulheit zurückgeführt werden.

Denn gebe es die Tora nicht, was wüssten wir dann über G’tt, und wie gut würden wir Ihn kennen? Die Person, die ein ständiges Bewusstsein für die Welt um sich herum hat, kann möglicherweise Seine Weisheit in den Details der Schöpfung oder in den Ereignissen ihres eigenen persönlichen Lebens wahrnehmen. Andererseits ist jemand, der Seine Tora studiert, so, als würde er mit Ihm zusammen denken und sich mit allen Themen beschäftigen, die für Ihn wichtig sind.

In der hebräischen Sprache gibt es einen Ausdruck: »den Geschmack der Tora schmecken«. Genau wie ein Gourmet ausgewählte Lebensmittel durchprobiert und in der Lage ist, auch nur die geringsten Unterschiede zwischen ihnen zu spüren, geht es auch demjenigen, der regelmäßig Tora lernt: Nur er kann es wirklich schätzen, wenn er eine gute Erklärung hört.

In der hebräischen Sprache gibt es einen Ausdruck: »den Geschmack der Tora schmecken«.

Wenn jemand noch nie in die Tiefen der Weisheit der Tora eingetaucht ist und eine aufrichtige Person ist, wird er jede Erklärung mit Freude anhören. Die nicht so gutgesinnte Person hingegen wird alles mit Kritik und Skepsis aufnehmen. Eine tiefe Erkenntnis kann jedoch nur durch ständiges Üben erreicht werden − genau wie in jedem anderen Beruf.

Dies alles soll die Bedeutung des Toralernens hervorheben. Doch die Frage ist, warum braucht man eine »Erlaubnis« dafür?

Genau wie beim Glauben ist es auch beim Toralernen: Es ist schwer zu verstehen, warum es rational ist. Es fehlt eine vollständige Überzeugung davon, dass dies die bestmögliche Beschäftigung ist, der wir für unseren Schöpfer nachgehen können: Tag und Nacht sein Gesetz mit allen Details zu studieren.

Im Buch Jehoschua heißt es: »Darin sollst du Tag und Nacht eintauchen« (1,8). Im Talmud (Sanhedrin 99a) sagen unsere Weisen: »Wer lernen kann und es nicht tut, über den sagt die Tora: ›Das Wort Haschems hat er abgelehnt‹« (4. Buch Mose 15,31).

Eine solche Person ist eine von denen, die Haschem sozusagen zum Weinen bringen (Chagiga 5b). In den Sprüchen der Väter (Pirkej Awot 6) und im biblischen Buch Mischlei werden diesem Thema ganze Kapitel gewidmet (2, 3 und 8). Und auch in Tehilim 119, dem längsten Psalm, geht es um die Bedeutung und Wertschätzung des Toralernens.

ZAHLEN Über die Menge an Wissen in der Tora haben wir das Zeugnis von Toragelehrten früherer Generationen. Sie hatten eine enorme Menge an Wissen zur Hand. Hier einige Statistiken, die unsere Tora in Zahlen beschreiben: Die 24 Bücher des Tanach, der Hebräischen Bibel, sind ungefähr so lang wie die sechs Ordnungen der Mischna. Tanach und Mischna sind ungefähr viermal länger als die Tora, die fünf Bücher Mose. Und der Babylonische Talmud ist 24-mal länger als die Tora.

Über diese fundamentalen Quellen hinaus zitierten die Toragelehrten auch aus den Entscheidungen und Erklärungen der späteren rabbinischen Literatur, die ständig wächst.

Zum Vergleich: Das Neue Testament und der Koran haben eine Länge, die jeweils ungefähr der der fünf Bücher Mose entspricht, der kürzesten der oben genannten Quellen.

Dies bedeutet nicht, dass die Tora nur den Talentiertesten zugänglich ist. Wie zahlreiche Schüler unserer Generationen beweisen, kann jeder gesunde, engagierte Mensch mit durchschnittlichen Fähigkeiten eine große Menge an qualitativ hochwertigem Torawissen erwerben.

Wenn jemand von G’tt mit der Gabe des Lernens beschenkt wurde, ist das kein Zufall. Ein solches Talent hat weitaus wichtigere Auswirkungen, als nur den Lebensunterhalt zu sichern. Dieser Mensch kann, wenn er seine Zeit dem Torastudium widmet, ein Segen für die ganze Gesellschaft sein. Denn die g’ttliche Weisheit und das Licht der Tora werden ihm helfen, sich selbst und andere besser zu verstehen und deren Leben mit guten Ratschlägen und Torawissen zu bereichern.

Es kommt uns allen zugute, talentierte junge Menschen so anzuleiten, dass es für sie und uns von Vorteil ist.

Der Fortschritt in den säkularen Wissenschaften ist ebenfalls äußerst wertvoll, doch können sie von jedem Volk und jeder Nation studiert werden. Die Tora hingegen hat nur das jüdische Volk von G’tt als Geschenk erhalten.

Über viele Generationen und Jahrhunderte hat sich erwiesen, dass die Tora die Fähigkeit hat, unsere Nation am Leben zu erhalten und uns auf die höchste spirituelle und intellektuelle Ebene zu heben.

Der Autor studiert am Rabbinerseminar zu Berlin.

INHALT
Der Wochenabschnitt Behar führt das Erlass- und das Joweljahr ein. Das Erlassjahr – es wird auch Schabbatjahr genannt – soll alle sieben Jahre sein, das Joweljahr alle 50 Jahre. Die Tora fordert, dass der Boden des Landes Israel einmal alle sieben Jahre landwirtschaftlich nicht genutzt werden darf, sondern brachliegen muss. Dies geschehe »dem Ewigen zu Ehren«. Im Joweljahr soll alles verkaufte Land an die ursprünglichen Besitzer zurückgegeben werden, die es erhielten, als das Land nach der Eroberung verteilt wurde (Jehoschua 13, 7–21). Außerdem müssen im Joweljahr alle hebräischen Sklaven freigelassen werden.
3. Buch Mose 25,1 – 26,2

Die Verheißung des Segens für diejenigen, die den Geboten folgen, ist das Thema des Wochenabschnitts Bechukotaj. Dem Segen steht jedoch auch ein Fluch für diejenigen gegenüber, die die Gebote nicht halten. Im letzten Teil der Parascha geht es um Gaben an das Heiligtum. Sie können mit einem Gelübde verbunden sein (»Wenn der Ewige dies und jenes für mich tut, werde ich Ihm das und das geben«) oder aus Dankbarkeit geleistet werden.
4. Buch Mose 26,3 – 27,34

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