Talmudisches

Chuzpe gegen G’tt

Szene aus dem amerikanischen Spielfilm »David und Bathseba« (1951) Foto: Mary Evans Picture Library

Gemäß unserer Tradition hat es in Israel keinen größeren König gegeben als König David. Sein Haus wird für immer bestehen, heißt es im zweiten Buch Samuel 7,16: »Dein Haus und dein Königreich sollen ewig Bestand haben; dein Thron soll auf ewig fest stehen« – und ein Nachkomme Davids wird eines Tages als Messias kommen.

Liturgie Trotz seiner Bedeutung spielt David in unserer Liturgie kaum eine Rolle. Laut dem Talmud missfiel das dem König, und er beschwerte sich bei G’tt: »›Herr der Welt, weshalb sagt man: Der G’tt Awrahams, der G’tt Jizchaks und der G’tt Jakows – und nicht: der G’tt Davids?‹ Er erwiderte: ›Jene wurden von Mir erprobt, du aber nicht.‹ Da sprach er: ›Prüfe mich und stelle mich auf die Probe!‹ Er erwiderte: ›Ich will dich auf die Probe stellen, und zwar will Ich mit dir ein Weiteres tun, denn jenen teilte Ich es vorher nicht mit, dir aber teile Ich vorher mit, dass Ich dich bezüglich Ehebruchs auf die Probe stellen werde‹« (Sanhedrin 107a).

König David meinte, er könne seine körperlichen Bedürfnisse befriedigen, indem er mit seinen Frauen schlief. Zusätzlich – von G’tt höchstpersönlich vorgewarnt – änderte er seinen täglichen Ablauf, damit er ja keine Gelegenheit hätte zu sündigen.

Wir lesen in Samuel II 11,2: »Und es war gegen Abend, da erhob sich David von seinem Bett.« Rav Jehuda erklärt im Talmud, David verwandelte sein Nachtbett in ein Tagesbett, das heißt, er vollzog den Beischlaf am Tag, damit er im Laufe des Tages nicht auf sündhafte Gedanken kommen konnte (Sanhedrin 107a). Nach Rav Jehuda bewirkte er damit aber genau das Gegenteil: »Er vergaß die Lehre, dass der Mensch hungrig ist, wenn sein Glied gesättigt wird, und satt ist, wenn man es hungern lässt.«

Und so kam es, wie es kommen musste: »Er (David) ging auf dem Dach des königlichen Palasts umher und sah vom Dach aus eine Frau sich waschen, und die Frau war von sehr schönem Aussehen« (Samuel II 11, 3–4). Nachdem er Bathseba gesehen hatte, war Davids Verlangen zu groß – und so wurde er schließlich verbotenerweise intim mit ihr.

Nathan Der Prophet Nathan konfrontierte ihn daraufhin mit einer Parabel, die von einem armen und einem reichen Mann handelt. Der arme Mann hatte ein kleines Lamm, um das er sich fürsorglich kümmerte. Als der reiche Mann Besuch bekam, nahm er einfach das Lamm und schlachtete es für seine Gäste. König David reagierte verärgert über das Verhalten des reichen Mannes, ohne zu merken, dass er selbst gemeint war. Nathan klärte ihn auf: »Du bist der Mann!«

Doch von Reue war bei König David keine Spur. Im Gegenteil, er hatte die Chuzpe, zu behaupten: »Offenbar und bewusst ist dir, dass ich, wenn ich nur wollte, meinen Trieb durchaus beherrschen könnte. Doch ich will nicht, dass man sage, der Diener habe seinen Herrn besiegt« (Sanhedrin 107a).

König David bestand also darauf, er habe das extra getan, um G’tt nicht zu beleidigen und ihn nicht bloßzustellen. Genützt hat es David nichts, er wurde weiterhin nicht in der Amida, dem Achtzehnbittengebet, erwähnt. Vielleicht hatte König David aber grundsätzlich gar nicht so unrecht? Was war sein Vergehen? Als er Urija, Bathsebas Mann, von der Front holen ließ und ihm befahl, zu seiner Frau zu gehen, widersetzte sich dieser. Zudem nannte Urija Joaw »Herr« (Samuel II 11,11) – doch dieser Titel stand nur König David zu. Nach dem Talmud (Schabbat 56a) und Rabbi Meir Löw, dem Malbim (1809–1879), war das ein ganz klarer Fall von Rebellion und Majestätsbeleidung. Daher verdiente Urija das Todesurteil.

Get Und die Nacht mit Bathseba? Nun, zunächst ist es wichtig, festzuhalten: Alle Männer, die in den Krieg zogen, mussten ihren Frauen eine Scheidungsurkunde (Get) geben, damit die Frauen, falls ihre Männer vermisst werden würden, erneut heiraten dürften (Talmud Ketubot 9b). Folglich beging König David also keinen Ehebruch.

Und so lesen wir zum Schluss der Geschichte: »Bathseba, die Tochter Eliams, war für David seit den sechs Schöpfungstagen bestimmt. (...) Ebenso wurde auch in der Schule Rabbi Jischmaels gelehrt« (Sanhedrin 107a).

Ki Tissa

Aus Liebe zum Volk

Warum Mosche die Bundestafeln nach dem Tanz der Israeliten um das Goldene Kalb zerbrach

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  14.03.2025

Talmudisches

Der Turm in der Luft

Die Weisen der Antike diskutierten anhand eines besonderen Schranks über rituelle Reinheit

von Vyacheslav Dobrovych  14.03.2025

Purim

Doppelter Feminismus

Waschti und Esther verkörpern zwei sehr unterschiedliche Strategien des Widerstands gegen die männliche Dominanz

von Helene Braun  13.03.2025

Megilla

Wegweiser in der Fremde

Aus der Purimgeschichte leitete ein mittelalterlicher Rabbiner Prinzipien für das jüdische Überleben in der Diaspora ab, die erst in der Moderne wiederentdeckt wurden

von Rabbiner Igor Mendel Itkin  13.03.2025

Militärseelsorge

Militärrabbiner Ederberg: Offenes Ohr für Soldaten im Norden

Arbeit bei der Bundeswehr sei Dienst an der Gesellschaft insgesamt, den er als Rabbiner gerne tue, sagt Ederberg

 11.03.2025

Fest

Mehr als Kostüme und laute Rasseln: Purim startet am Donnerstagabend

Gefeiert wird die Rettung der Juden vor der Vernichtung durch die Perser

von Leticia Witte  11.03.2025

Tezawe

Kleider, die die Seele formen

Was es mit den prächtigen Gewändern der Hohepriester auf sich hat

von Rabbiner Jaron Engelmayer  07.03.2025

Talmudisches

Heilen am Schabbat

Was unsere Weisen über Notfälle und Pikuach Nefesch lehren

von Rabbinerin Yael Deusel  07.03.2025

Meinung

Übersehene Prophetinnen

Zum Weltfrauentag fordert die Rabbinatsstudentin Helene Braun mehr Sichtbarkeit für jüdische Vorreiterinnen

von Helene Braun  06.03.2025