Heirat

»Bin schon vergeben«

Erst nach der Trauung darf der Bräutigam den Ring annehmen. Foto: Thinkstock

Siehe, mit diesem Ring wirst du mir angeheiligt nach dem Gesetz von Mosche und Israel»: Mit dieser Formel schließt ein jüdischer Bräutigam unter der Chuppa den Bund der Ehe mit seiner Braut – und steckt ihr während dieser Kidduschin-Zeremonie den Ring an den Finger. Doch dürfen auch jüdische Männer einen Ehering tragen? Und wenn ja, wie bekommen sie den Ring überreicht?

Der Ehering für Männer ist in der jüdischen Tradition nicht üblich. Wie bei anderen neueren Hochzeitsbräuchen, die teilweise aus unserem nichtjüdischen Umfeld stammen, müssen wir uns daher die Frage stellen, ob dieser Brauch erlaubt, erwünscht oder untersagt ist.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig festzuhalten: Die jüdische Eheschließung ist nicht egalitär. In der Tora wird die Eheschließung durch den Mann initiiert: «Wenn ein Mann eine Frau nimmt», heißt es im 5. Buch Mose 22,13.

Modell Im Talmud (Kidduschin 5b) steht, dass die Eheschließung von diesem Modell nicht abweichen kann: «Die Rabbiner lehrten: Wie (schließt man die Ehe) mit Kessef (Geld)? Er gab ihr Geld oder einen Wertgegenstand und sagte ihr: ›Du bist mir angeheiligt‹ (...), dann ist sie mit ihm verheiratet. Aber wenn sie ihm etwas gegeben und ihm gesagt hat: ›Ich bin dir angeheiligt‹ (...), dann ist sie nicht verheiratet.» So lautet auch die bis heute gültige Halacha (Schulchan Aruch Ewen haEser, Kapitel 27).

Obwohl die jüdische Eheschließung einige Begriffe aus dem halachischen Handelsgesetz entlehnt hat, heißt das deswegen noch lange nicht, dass der Mann eine Frau «kauft». Eine Frau ist kein Handelsgut, und der Mann kann sie nicht besitzen. Das betonten unzählige halachische Autoritäten, vom Talmud (Kidduschin 6b) über mittelalterliche Rischonim wie etwa Raschba (Kidduschin 6b), frühmoderne Acharonim wie Awne Miluim (42:1), neuzeitliche Poskim wie Rabbi Naftali Zwi Jehuda Berlin (Neziw, Responsa Meschiw Dawar 4:35) und gegenwärtige Autoren.

Dass der Mann der aktive Partner in einer Transaktion ist, die Handelsbegriffe verwendet, spiegelt lediglich die Tatsache wider, dass nach der Grundhalacha (Ikkar ha-Din) die bis vor einem Jahrtausend in ihrer ursprünglichen Form galt, ein Mann mehr als eine Frau heiraten durfte (Tosafot Kidduschin 4b). Mit der Eheschließung entstehen gegenseitige, aber unterschiedliche Verpflichtungen zwischen Mann und Frau. In der Ketuba, dem jüdischen Ehevertrag, werden ausschließlich die zahlreichen finanziellen Pflichten des Mannes seiner Frau gegenüber aufgezählt.

Bei der Übergabe des Ringes an die Braut aber wird betont, dass die Frau nach der Grundhalacha mehr Freiheit aufgibt als ihr Bräutigam. Erst mit den Verordnungen von Rabbenu Gerschom (geboren im 10. Jahr- hundert in Metz, verstorben im 11. Jahrhundert in Mainz) wurde die monogame jüdische Ehe nun auch für den Mann verpflichtend. Die Zeremonie, die nach der Tora gültig sein und dem Ikkar ha-Din entsprechen soll, behielt jedoch die alte Form.

Nach Rabbi Jaakow Meidan erinnert die traditionelle jüdische Art der Eheschließung auch an die extreme Hingabe des Stammvaters Awraham an seine Frau, die Stammmutter Sara, für die er sogar nach ihrem Ab- leben ein riesiges Vermögen ausgab, um sie angemessen zu ehren. So leitet auch der Talmud Aspekte der Eheschließungszeremonie aus jener Schriftstelle ab.

Geschenk
Die Eheschließung verlangt also, dass der Mann der Frau etwas schenkt, und nicht andersherum. Die gegenseitige Schenkung von Ringen oder Änderung der Kidduschin-Formel würde die Eheschließung ungültig machen. Laut Rabbiner Mosche Feinstein ist die Schenkung eines Rings durch die Braut an den Bräutigam als Brauch fremder Religionen prinzipiell untersagt. Rabbiner Joseph Ber Soloveitchik fürchtete, dass sogar die Schenkung des Rings zu einem anderen Zeitpunkt als unter der Chuppa die Ehe ungültig machen würde. Entsprechend verbietet Responsa be-Mareh haBasak, eine führende nationalreligiöse Ausbildungsstätte in Israel, alle «kreativen Lösungen» unter der Chuppa.

Obwohl es also halachisch nicht zumutbar ist, der Braut unter der Chuppa zu erlauben, ihrem Bräutigam einen Ring zu überreichen, ergibt sich aus den obigen Quellen nicht, dass es Männern prinzipiell verboten ist, einen Ehering zu tragen. Manche Paare gestalten sogar eine besondere Zeremonie nach der Chuppa, zum Beispiel während der Hochzeitsfeier, in der die Frau ihrem Mann den Ring übergibt.

In anderen jüdischen Kreisen ist das Tragen eines Eheringes bei Männern überhaupt nicht üblich, aber auch dort gibt es Ausnahmen. Ein jüdischer Arzt, der sich einer charedischen Gruppe zugewandt hatte und dort voll integriert war, trug entgegen dem dort üblichen Brauch einen Ehering. Als er darauf aufmerksam gemacht wurde, erwiderte er stolz, das Tragen des Rings sei für ihn eine halachische Pflicht. Im Krankenhaus seien jüdische Ärzte bei Singles besonders beliebt; mit seinem Ring demonstriere er aber, nicht zur Verfügung zu stehen.

Chuppa Dass eine jüdische Hochzeit definitiv nicht allein auf dem Willen des Mannes beruht, kann man an folgendem Brauch erkennen: Bevor der Bräutigam bei der Kidduschin-Zeremonie überhaupt die Formel «Harej at mekudeschet li» («Siehe, mit diesem Ring wirst du mir angeheiligt nach dem Gesetz von Mosche und Israel») aussprechen darf, zeigt die Braut mit den drei oder sieben Runden, die sie unter der Chuppa um ihren Bräutigam macht, dass auch sie diese Ehe will.

Sie demonstriert ihre Eigeninitiative ganz im Sinne des Verses in Jeremia 31,22: «Denn der Ewige hat etwas Neues geschaffen auf Erden: die Frau wird den Mann umgeben» – was man auch übersetzen kann mit: «Sie wird dem Mann den Hof machen.»

Der Autor ist Mitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz (ORD).

Wajera

Awrahams Vermächtnis

Was wir vom biblischen Patriarchen über die Heiligkeit des Lebens lernen können

von Rabbiner Avraham Radbil  07.11.2025

Talmudisches

Rabbi Meirs Befürchtung

Über die falsche Annahme, die Brachot, die vor und nach der Lesung gesprochen werden, stünden im Text der Tora

von Yizhak Ahren  07.11.2025

Festakt

Ministerin Prien: Frauen in religiösen Ämtern sind wichtiges Vorbild

In Berlin sind zwei neue Rabbinerinnen ordiniert worden

 06.11.2025

Chassidismus

Im Sturm der Datenflut

Was schon Rabbi Nachman über Künstliche Intelligenz wusste

von Rabbiner David Kraus  06.11.2025

Rezension

Orthodoxer Rebell

Sein Denken war so radikal, dass seine Werke nur zensiert erschienen: Ein neues Buch widmet sich den Thesen von Rabbiner Kook

von Rabbiner Igor Mendel  06.11.2025

Potsdam

Abraham-Geiger-Kolleg ordiniert zwei Rabbinerinnen

In Deutschlands größter Synagoge Rykestraße in Berlin-Prenzlauer Berg werden an diesem Donnerstag zwei Rabbinerinnen ordiniert. Zu der Feier wird auch Polit-Prominenz erwartet

 05.11.2025

Vatikan

Theologe: Antisemitismus bei Vatikan-Konferenz kein Einzelfall

Der Salzburger Theologe Hoff berichtet über Eklats bei einer jüngsten Vatikan-Konferenz. Ein Schweizergardist soll sich verächtlich über Mitglieder einer jüdischen Delegation geäußert und in ihre Richtung gespuckt haben

 04.11.2025

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 02.11.2025

Lech Lecha

Im Sinne der Gerechtigkeit

Awraham war der Erste in der Menschheitsgeschichte, der gegen das Böse aufstand

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  31.10.2025