Vor 2182 Jahren legten unsere Weisen fest, Chanukka zu begehen. Dennoch ist es ein relativ junges jüdisches Fest. Am 25. Kislew 167 v.d.Z. wurden auf Befehl des Seleukidenkönigs Antiochus Epiphanes im Tempel von Jerusalem Opfer für die griechischen Götter dargebracht. Der König wollte die Juden unterwerfen und hellenisieren.
In der jüdischen Bevölkerung gab es viele überzeugte Hellenisten, die die Zivilisation des antiken Griechenlands mit dessen Götzenbildern einführen und mit dem Feind kollaborieren wollten. Die Frommen jedoch blieben dem traditionellen Judentum bis zum Tode treu, weil sie wussten, dass der hellenistische Geist völlig unjüdisch war.
Es entbrannte ein grausamer Krieg, in dem zum ersten Mal in der Geschichte eine kleine Minderheit, die Makkabäer, Guerillamethoden anwandte. Am 25. Kislew 164 v.d.Z., genau drei Jahre nach der Entweihung des Tempels, zog Jehuda der Makkabäer in Jerusalem ein. Er entfernte alle Spuren des Götzendienstes aus dem Tempel und feierte die Wiedereinweihung des Zweiten Tempels. Wir nennen unser Lichterfest Chanukka – ins Deutsche übersetzt heißt das so viel wie Einweihung oder Initiation.
WIDERSTAND Die Makkabäer waren nicht die Ersten in der jüdischen Geschichte, die sich als kleine Gruppe entschlossener Kämpfer einer riesigen feindlichen Übermacht entgegenstellten. Die Brüder Schimon und Levi, die Söhne unseres Erzvaters Jakow, hatten es, noch bevor das jüdische Volk überhaupt entstanden war, mit einem ganzen Stamm aus der Stadt Schechem aufgenommen, obwohl sie und ihre Männer in der Unterzahl waren.
Prinz Schechem, der Sohn von König Chamor, hatte ihre Schwester Dina vergewaltigt, und niemand hatte eingegriffen. Mit gewieften Tricks gelang es Schimon und Levi, die enorme Überlegenheit der Gegner zu überwinden.
Zur Zeit Gideons wurden die Juden von den Midianitern unterdrückt. Sie hatten das jüdische Land mit einer riesigen Armee angegriffen.
Im Buch Schoftim (Richter) finden wir zwei weitere Vorläufer der Makkabäer: Gideon und Schimschon (Samson). Zur Zeit Gideons wurden die Juden von den Midianitern unterdrückt. Sie hatten das jüdische Land mit einer riesigen Armee angegriffen. Im Buch Schoftim, Kapitel 7, wird dieses Ereignis beschrieben. Gideon und seine Männer lagerten am Brunnen von Charod. Das Lager der midianitischen Armee lag nördlich davon im Tal hinter dem Hügel More.
G’tt sagte dann zu Gideon, dass dieser zu viele Soldaten habe. Er wollte nicht, dass das jüdische Volk denkt, es hätte die Midianiter aus eigener Kraft besiegt. Er sollte ausrufen, dass jeder, der sich fürchte, heimgehen darf. 22.000 Mann kehrten zurück, 10.000 Männer blieben übrig.
SOLDATEN Doch auch diese Soldaten waren für G’tt noch zu viele, sodass er sie testen ließ durch die Art, wie sie Wasser tranken. Jeder, der wie ein Hund mit der Zunge oder kniend trank, wurde weggeschickt, denn diese Männer hätten sich auch vor Götzen niedergekniet, und G’tt wollte sie nicht in seiner Spezialeinheit haben. Nur 300 Männer führten das Wasser mit der Hand zum Mund, und durch diese Männer wollte G’tt Gideon aus der Hand der Midianiter befreien.
In derselben Nacht befahl G’tt Gideon, zur midianitischen Armee zu gehen, um zu hören, was die Soldaten diskutieren. Insgesamt waren die Midianiter, Amalekiter und alle anderen aus dem Osten sehr viele Soldaten, und auch ihre Kamele waren nicht zu zählen. Als Gideon bei der feindlichen Armee ankam, hörte er, wie ein Mann seinem Freund von einem Traum erzählte: Er hatte von einem gerösteten Gerstenbrot geträumt, das durch das Lager der Midianiterarmee gerollt wurde – bis es gegen ein Zelt stieß und dieses auf den Kopf stellte.
Der Freund des Mannes deutete den Traum: Das rollende Brot symbolisiere Gideons Schwert und zeige, dass G’tt die Midianiter samt Armee in Gideons Hand geben würde. Gideon tat dies seinen Männern kund, teilte sie in drei Gruppen auf und gab jedem eine Posaune, leere Krüge und Fackeln in die Hand. Gideon befahl: »Wenn ich und meine Soldaten auf den Posaunen blasen, sollt auch ihr auf den Posaunen blasen, um die ganze Midianiterarmee herum. Und dann ruft: Für G’tt und für Gideon!« So geschah es. Die feindliche Armee geriet in Panik und floh.
Diese Guerillataktik, die erste im Tanach, wurde von G’tt selbst inspiriert. Wenn wir über Guerillataktiken sprechen, ist Schimschon der erste und geschickteste Kämpfer für das Judentum. Er stellte sicher, dass sein Volk nicht in Gefahr geriet, und benutzte raffinierte Undercovertechniken – bis er verraten wurde.
STÄRKE Schimschon ist eine der Figuren des Tanach, die die Fantasie am meisten anregen. Seine außergewöhnliche Stärke, seine Liebe zu Delila und ihr Verrat sind bekannt. Aber Schimschons Geschichte ist keineswegs ein romantisches Epos. Um seine Aufgabe als Retter zu erfüllen, war es für ihn notwendig, unter den Feinden zu leben und vorzugeben, ihr Verbündeter zu sein. Er heiratete eine Philistertochter. Seine Attacken wurden daher als persönliche Rache und nicht als jüdisch motivierte Taten angesehen.
Weil Schimschons Mutter während der Schwangerschaft auf alle Arten von Traubenprodukten samt Wein verzichtet hatte, waren die Heiligkeit und der hohe Rang Schimschons von Beginn an garantiert. Er war ein Nasir, der sich als Vorsichtsmaßnahme, um Eitelkeiten vorzubeugen, nicht die Haare schnitt und niemals Wein trank. So konnte er seine Selbstkontrolle optimieren.
Schimschon ging zu seinen Eltern, um sie zu bitten, eine Ehe zwischen ihm und dem Mädchen, das er in Timna gesehen hatte, zu arrangieren. Er schämte sich nicht dafür. Denn um seinen Plan umzusetzen, die Juden aus der Hand der Philister zu befreien, wollte er von innen agieren, und da war die Hochzeit mit einer Philisterin der beste Weg.
Die Philister wussten, dass dies einem Juden nicht erlaubt war. Sie würden also denken, dass Schimschon mit seiner Familie gebrochen hatte und seine Loyalität nicht mehr seinem Volk galt. Weil Schimschons Eltern wussten, dass ihr Sohn eine besondere Mission hatte, stimmten sie zu, obwohl dies nicht leicht für sie war. Schimschons Stärke liegt darin begründet, dass er ein Nasir war. Diese Stärke und die Heiligkeit, die mit diesem Status einherging, ermöglichten es ihm, unter den Philistern zu leben, ohne seine »Jiddischkeit« zu verlieren.
Solange seine Frau zustimmte, ihre Bekehrung vor ihrer Umgebung geheim zu halten, konnte er sie heiraten und sich in ihr Volk einschleusen.
VERGELTUNG Zwischen Schimschon und den Philistern kam es zu einigen Auseinandersetzungen – das erste Mal bei seiner Hochzeitsfeier. Daraufhin flüchtete er. Doch als er zu seiner Frau zurückkehren wollte, hatte diese bereits einen anderen Mann. Die Philister hatten dies zugelassen, und Schimschon übte Vergeltung.
Die Philister versuchten, Schimschon zu fangen, aber er war ihnen in allen Auseinandersetzungen stets überlegen – bis die Philister eines Tages seine neue Frau Delila bestachen.
Diese setzte Schimschon so lange unter Druck, bis er ihr das Geheimnis seiner Stärke verriet und sie ihn an die Philister auslieferte. Die stachen ihm die Augen aus, nahmen ihn gefangen und machten sich in ihrem Tempel über ihn lustig. Doch letztendlich brachte Schimschon den Götzentempel der Philister zum Einsturz und kam dabei zusammen mit Tausenden von Philistern ums Leben. Er stoppte mit seiner Tat die G’tteslästerung der Philister und heiligte damit den Namen G’ttes (Kiddusch HaSchem).
Obwohl wir Juden nur eine kleine Minderheit sind, haben wir die fast unmögliche Aufgabe, die ganze Welt mit dem Licht der Tora zu erleuchten.
Unser Erzvater Jakow glaubte auf seinem Sterbebett, dass die messianische Verheißung in Form der Person Schimschons wahr werden würde. Er ging davon aus, dass dies zur ultimativen Vollkommenheit der Welt führen würde, da sie nur durch den Maschiach erreicht werden kann. Da nach Schimschons Tod die Hoffnung begraben war, verstand Jakow, dass Schimschon seine Chance, Maschiach zu werden, verpasst hatte.
LEBENSWEGE Dies ist die tiefere Bedeutung des Vergleichs der Lebenswege Schimschons und Davids: der Erste als potenzieller Maschiach und der Zweite als Vorläufer der letztlich triumphierenden messianischen Linie. Schimschons Handlungen waren nicht die eines gewöhnlichen Rächers, denn Schimschon orientierte sich immer an G’ttes Rechtssystem – Taten, die nicht minderwertiger waren als die des Maschiach. Das Licht von Chanukka muss schließlich zum Licht des Maschiach führen.
Obwohl wir Juden nur eine kleine Minderheit sind, haben wir die fast unmögliche Aufgabe, die ganze Welt mit dem Licht der Tora zu erleuchten. Wir sollen ein Licht für die Völker sein. Wenn wir entschlossen und vereint sind, wird es uns gelingen. Chanukka Sameach – ein frohes Chanukkafest!
Der Autor ist Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf und Mitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD).