Er war der Begründer der Wissenschaft des Judentums und spielte eine wichtige Rolle bei der Emanzipation der Juden: Leopold Zunz. Geboren am 10. August 1794 im ostwestfälischen Detmold, würde Zunz jetzt 225 Jahre alt. Auf sein Arbeiten und Wirken gründen sich auch heutige Institutionen wie die Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg und das Abraham Geiger Kolleg in Potsdam.
Und regelrechte Fans hat Zunz offenbar auch. Der Deutschlandfunk berichtete 2018 über den US-Rabbiner Steven Glazer, der nicht nur ein kleines Zunz-Museum betrieb, sondern auf dem Nummernschild seines Wagens den Familiennamen des Mannes aus der deutschen Provinz stehen hatte – in Washington D.C. eine rollende Werbung für den Gelehrten.
berlin Denn außerhalb des Judentums und des wissenschaftlichen Betriebs ist Zunz nicht sehr bekannt. Er war interdisziplinär ausgerichtet: Nach seinem Umzug nach Berlin 1815 studierte er dort Philosophie, Philologie und Geschichte. Ein paar Jahre später promovierte er in Halle in Philosophie. Zuvor hatte er den »Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden« gegründet, in dem später auch Heinrich Heine Mitglied wurde.
Für Leopold Zunz war Judentum mehr als Religion.
Im Jahr 1818 veröffentlichte Zunz als Student die Schrift »Etwas über die rabbinische Literatur« – damit gilt er als Begründer der Wissenschaft des Judentums und der dazugehörigen Disziplinen: Judaistik als philologischer Ansatz, Jüdische Studien als kulturelle Betrachtungsweise und Jüdische Theologie. Für Zunz war Judentum mehr als Religion.
»Zunz wollte den Eigenwert des Judentums unterstreichen und die Tradition wissenschaftlich verankern«, sagt Rabbiner Walter Homolka. Er ist Rektor des Abraham Geiger Kollegs. Namensgeber ist Rabbiner Abraham Geiger (1810–1874), der als Vordenker des Reformjudentums gilt. Er und Zunz waren Zeitgenossen, beide trugen zur Emanzipation der Juden bei.
hochschule 1836 warb Geiger für die Gründung einer jüdisch-theologischen Fakultät, um sich der jüdischen Tradition zu widmen. 1850 liefen Geigers Bemühungen um einen Lehrstuhl für Jüdische Literatur an der Philosophischen Fakultät in Breslau ins Leere. Erst 1872 war es dann so weit: In Berlin eröffnete die von Geiger gegründete Hochschule für die Wissenschaft des Judentums als erste akademische Einrichtung des liberalen Judentums weltweit. Sie bestand bis 1942, als die Nationalsozialisten sie schlossen.
Auch Zunz bemühte sich um die offizielle Einrichtung eines Lehrstuhls – vergeblich. In Berlin wollte er eine Zulassung der Wissenschaft des Judentums an der Universität erreichen, konkret einen jüdischen Lehrstuhl in der Philosophischen Fakultät. Sein Antrag, eine ordentliche Professur für jüdische Geschichte und Literatur an der Universität aufzubauen, wurde 1848 abgelehnt.
Zunz wurde als Rabbiner ordiniert, arbeitete als Journalist und bildete Lehrer aus.
Zunz wirkte auf vielen Gebieten. Er gründete nicht nur den bereits erwähnten »Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden«, sondern auch die »Zeitschrift für die Wissenschaft des Judenthums«. Er wurde als Rabbiner ordiniert, arbeitete als Journalist und bildete Lehrer aus. Zudem wurde er mit seiner Übersetzung der Hebräischen Bibel ins Deutsche bekannt. 1886 starb er in Berlin.
heidelberg Während das Abraham Geiger Kolleg im August sein 20-jähriges Bestehen begeht, feierte die Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg im Juni ihren 40. Geburtstag. Deren Rektor Johannes Heil nennt Zunz eine »Figur des Übergangs«: Er habe die jüdische Tradition neu nutzbar machen und Texte mit Mitteln der Wissenschaft befragen wollen. »Bis heute ist Zunz nicht ausgeschöpft.« Man könnte beispielsweise seine Zugangsweisen heute neu lesen und darauf aufbauen, so Heil.
Und wie ist es heute um die Wissenschaft des Judentums bestellt? »Das Ansehen ist sehr hoch, aber die Nachfrage gering«, sagt Heil. Was vor allem strukturelle Gründe habe, er nennt die Bologna-Reform und die damit einhergehende Umstellung des Hochschulsystems. Es sei bedeutsam und ein gutes Zeichen, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim 40. Geburtstag der Heidelberger Hochschule dabei war, betont der Rektor. »Wir sind sehr dankbar.«