Der Schweiß läuft mir in Strömen den Rücken hinunter. Ich sitze im Büro des neuen Schulrektors Rabbi B., bekleidet mit einem züchtigen Samtmützchen und einem ebenso züchtigen langen Rock. Ich fühle mich wie Bob, der Tiefseeschwamm. Emmas neue Schule ist superreligiös, Mützchen und Rock für Mamas stehen in der Hausordnung.
Vor Hitze hochrot im Gesicht, klage ich dem Rektor mein Leid: Ich habe zwar meine Kinder in seiner Schule eingeschrieben, aber immer noch keine Bleibe in Antwerpen gefunden. Rabbi B. fällt ein, dass in seinem Haus noch eine Wohnung frei ist. Ich könne gerne einziehen, bis ich etwas anderes gefunden habe, denn die Wohnung ist superluxuriös und megateuer.
Ich schwebe auf Wolke Sieben, als wir endlich in die neue Luxusbleibe einziehen. Doch mein Gatte Alain macht einen gestressten Eindruck. Im selben Haus mit dem strengen Schulrektor? Als ich Alain erzähle, dass im Haus auch der Antwerpener Oberrabbiner wohnt, wird er grün im Gesicht und faselt etwas von »unseren Lifestyle anpassen … alles radikal umkrempeln und einen guten Eindruck machen«.
Fitness Ich höre nicht genau hin, weil ich gerade dabei bin, meine Tasche für den abendlichen Besuch im Fitnessstudio zu packen. Da wird Alain noch grüner im Gesicht. »Wenn dich jemand so sieht! Was werden die Leute denken? Wir müssen dir einen anderen Look verpassen«, sagt er und stopft fachmännisch den Inhalt meiner Fitnesstasche in einige Plastiktüten mit der Aufschrift »Kosherland«. »So werden alle glauben, du warst spätabends noch mal einkaufen, um deine fünfköpfige Familie zu bekochen. So wie es sich gehört.« Ich rolle mit den Augen. Alain schiebt mich zufrieden aus der Tür. »Vergiss dein Mützchen nicht!«, ruft er mir hinterher.
Das kann ja heiter werden. Mein neues Leben in Frumville beginnt mir jetzt schon auf die Nerven zu gehen. Rabbi B. ist jedenfalls von gleichbleibender Freundlichkeit, wenn er mich (mit Mützlein und Röcklein) im Treppenhaus sieht. Morgen Nachmittag will er sogar seine Jüngste zum Spielen zu uns rüberschicken. Für Alain ist das Anlass zu einem gründlichen Check-up von Emmas Zimmer. Besorgt betrachtet er die Clique von halbnackten Barbiepuppen, die sich in den Regalen räkeln. Ohne ein Wort zu sagen, verlässt er die Wohnung.
Blickdicht Als er nach einer Stunde zurückkehrt, trägt er eine Tüte von Frumas Toy Shop. »Wusstest, du, dass es Barbie-Scheitels zu kaufen gibt?«, fragt er strahlend und zieht den armen Barbies die wischmoppartigen kleinen Dinger über ihre blonden Köpfe. Außerdem hat er, wie ich mit Entsetzen feststelle, blickdichte Barbie-Strumpfhosen und Barbie-XXL-Röcke besorgt. Es kann sich nur noch um Tage handeln, bis mein Gatte völlig durchdreht.
Als ich eines Abends heimkomme und mich gerade aus meiner Frum-Kluft schälen will, bemerke ich ein vielstimmiges Geraune im Wohnzimmer. Ich öffne die Tür und sehe einen Trupp schockelnder Jeschiwe-Bochers samt Rabbi, die sich bei uns breitgemacht haben. »In Rabbi B.’s Wohnung gab’s einen Rohrbruch, darum mussten er und seine Jungs ihren Schiur bei uns abhalten«, teilt mir Alain mit. »Und wie lange geht der noch, dieser Schiur?«, zische ich unfreundlich. »Wir sind eigentlich schon durch, jetzt kommt nur noch Minche Ma’ariv«, erklärt Alain fröhlich. »Servierst du uns noch Tee und Kekse, Schatz? Und vergiss nicht dein ...« »Ich weiß!«, kreische ich unkontrolliert, »mein Mützchen! Meinen Rock! Meine blickdichten Strumpfhosen! Sag deinen Kumpels, sie sollen sich ihren Tee selbst kochen! Ich gehe jetzt ins Kino! Und schaue mir einen unzüchtigen Film an!«
Klar, dass nach diesem Desaster Emmas Karriere in Rabbi B.’s Schule vorbei war, noch bevor sie richtig begonnen hatte. Auch mussten wir unsere Luxusbleibe schleunigst wieder verlassen. Und wohnen jetzt wieder in Schwiegermamas Dachgeschoss. Für zielführende Hinweise auf eine neue Wohnung bleibe ich also weiterhin offen.