Korban

Auf G’ttes Altar

Beten statt opfern Foto: Flash 90

Für viele Menschen klingt die Idee von Tieropfern heidnisch und primitiv. Sie hört sich völlig anders an als die warmherzige, spirituelle Religion, die unsere Vorfahren – so stellen wir es uns heute vor – zu Zeiten des Tempels praktiziert haben. Die Frage von Tieropfern wird sogar noch komplizierter, wenn wir sie im Licht der speziellen Sorge und Fürsorge betrachten, die das Judentum Tieren entgegenbringt.

Im jüdischen Religionsgesetz ist es beispielsweise verboten, mit dem Abendessen zu beginnen, bevor die Tiere gefüttert wurden. Auch bei vielen anderen Gelegenheiten erlaubt die Halacha Nachsichtigkeit und Milde, um Tieren physischen oder seelischen Stress zu ersparen. Wie bringen wir damit die Idee von Tieropfern in Einklang? Viele Menschen stellen die Frage: »Wie kann man überhaupt ein Tier töten?«

Doch in Wirklichkeit tut der moderne Mensch dies tagtäglich. Wir essen Hamburger, wir tragen Lederschuhe. Wenn wir also Tierprodukte für unser physisches Wohl konsumieren, warum dann nicht im Sinne der Spiritualität?

Bedenken Vielleicht geht es bei unseren Bedenken weniger um die aktive Handlung des Opferns als um den Grund, den wir dahinter vermuten. Wir fragen: »Was ist das für ein G’tt, der Opfer braucht? Müssen wir Ihn bestechen, damit er nicht mehr wütend auf uns ist?« Die Antwort ist, dass Opfer nicht für G’tt gedacht sind: Er braucht sie nicht. Sie sind für uns, um uns zu lehren, das Physische – den Körper – zu nehmen und ihn zu G’tt emporzuheben.

Jeder Mensch besteht aus zwei Elementen, dem Körper und der Seele. Beide wollen gepflegt werden, aber sie erreichen ihre Ziele auf unterschiedlichen Wegen. Der Körper sucht Bequemlichkeit und sofortige Befriedigung: Nahrung, Schlaf, Macht, Wohlstand. Die Seele dagegen strebt nach langfristigeren und ewigen Freuden: Bedeutung, Liebe, Hilfe für den Nächsten und die Verbindung zu G’tt.

Mizwot Die Mizwot der Tora sollen uns zu den »Freuden der Seele« lenken. Doch wenn der Körper dominanter wird als die Seele, verletzen wir die Mizwot. Der Weg, diesen Fehler zu beheben, ist, ein Opfer darzubringen. Der Mensch sagt: »Ich habe einen Fehler gemacht und bedauere die Distanz, die dieser Fehler zwischen mir und meinem Schöpfer verursacht hat. Meine animalische Seite hat den Sieg über mich errungen. Ich werde versuchen, diesen Fehler nicht zu wiederholen. Hiermit verspreche ich, die tierische Seite in mir zu kontrollieren.«

Warum all das Blut und die Eingeweide? Das Tier repräsentiert den Menschen. Wir sehen, dass das Tier vor unseren Augen geschlachtet wird, und denken: »Ich habe das wirklich verdient, aber G’tt ist gnädig und verschont mich.« Diese spirituelle Erfahrung ist sehr stark. Blut ist real. Es erschüttert Menschen. Wenn es darum geht, ein Versprechen konkret zu machen, haben Taten einen viel größeren Effekt als Worte.

Aber wir schlachten das Tier nicht einfach nur. Wir heben Teile des Tieres auf G’ttes Altar. Dies ist eine persönliche Erklärung unserer Absicht, unser eigenes animalisches Selbst auf ein höheres Niveau zu heben – uns diese Energie nutzbar zu machen und sie auf den Dienst für G’tt zu richten.

Danach essen wir ein Teil des Tieres. Wir nehmen die Idee auf und machen sie zu einem Teil unseres Selbst. So können wir die Bedeutung des hebräischen Wortes für Tieropfer begreifen: Korban. Ein Korban ist nicht ein Opfer in dem Sinn, dass man etwas aufgibt. Es geht auch nicht darum, den Göttern ein Geschenk zu machen oder sie zu bestechen.

Tradition Die Übersetzung von »Korban« bedeutet eher »nahekommen«. Das ist es, was ein Jude erreicht, wenn er ein Korban in den Tempel bringt. Es gibt eine universelle Tradition von Tieropfern. Adam, Noah, Awraham, Mosche und König David opferten Tiere. Es ist nur so, dass die westliche Gesellschaft das nicht mehr tut. Vielleicht liegt darin der Grund für unsere aktuelle spirituelle Krise.

Heute, da der Heilige Tempel in Ruinen liegt, haben wir keine Gelegenheit mehr, ein Korban darzubringen. Was tun wir stattdessen? Das Gebet ist ein elementarer Weg, Kontakt zu G’tt aufzunehmen und ihm näherzukommen. Wir können zukünftige Fehler vermeiden, indem wir unsere Seelen unter Kontrolle bringen und uns dem Ziel verschreiben, die Mizwot einzuhalten.

Übersetzung und Abdruck mit freundlicher Genehmigung von www.aish.com

Ki Tissa

Aus Liebe zum Volk

Warum Mosche die Bundestafeln nach dem Tanz der Israeliten um das Goldene Kalb zerbrach

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  14.03.2025

Talmudisches

Der Turm in der Luft

Die Weisen der Antike diskutierten anhand eines besonderen Schranks über rituelle Reinheit

von Vyacheslav Dobrovych  14.03.2025

Purim

Doppelter Feminismus

Waschti und Esther verkörpern zwei sehr unterschiedliche Strategien des Widerstands gegen die männliche Dominanz

von Helene Braun  13.03.2025

Megilla

Wegweiser in der Fremde

Aus der Purimgeschichte leitete ein mittelalterlicher Rabbiner Prinzipien für das jüdische Überleben in der Diaspora ab, die erst in der Moderne wiederentdeckt wurden

von Rabbiner Igor Mendel Itkin  13.03.2025

Militärseelsorge

Militärrabbiner Ederberg: Offenes Ohr für Soldaten im Norden

Arbeit bei der Bundeswehr sei Dienst an der Gesellschaft insgesamt, den er als Rabbiner gerne tue, sagt Ederberg

 11.03.2025

Fest

Mehr als Kostüme und laute Rasseln: Purim startet am Donnerstagabend

Gefeiert wird die Rettung der Juden vor der Vernichtung durch die Perser

von Leticia Witte  11.03.2025

Tezawe

Kleider, die die Seele formen

Was es mit den prächtigen Gewändern der Hohepriester auf sich hat

von Rabbiner Jaron Engelmayer  07.03.2025

Talmudisches

Heilen am Schabbat

Was unsere Weisen über Notfälle und Pikuach Nefesch lehren

von Rabbinerin Yael Deusel  07.03.2025

Meinung

Übersehene Prophetinnen

Zum Weltfrauentag fordert die Rabbinatsstudentin Helene Braun mehr Sichtbarkeit für jüdische Vorreiterinnen

von Helene Braun  06.03.2025