Tierisch

Auf den Hund gekommen

Das Buch »How to Raise a Jewish Dog« gibt Tipps für Pflege, Aufzucht und Erziehung eines wahrhaft jüdischen Hundes. Foto: Little, Brown and Company

Etwa fünf Millionen Hunde soll es in Deutschland geben, 13,4 Prozent aller Haushalte halten sich nach Angaben des Statistischen Bundesamtes einen solchen Vierbeiner. Wie viele jüdische Familien einen Hund ihr Eigen nennen, ist nicht bekannt. Doch die Zahl dürfte weit unter dem Durchschnitt liegen. Der amerikanische »Forward« schrieb unlängst, Hundehaltung habe »ein eher gojisches Image«. Dies liege womöglich daran, dass Hunde in Tora und Talmud allgemein nicht so gut wegkämen. Auch geschichtlich gebe es sehr unangenehme Assoziationen: Über Jahrhunderte hinweg haben antisemititische Horden ihre Hunde auf Juden gehetzt.

Vorbehalte gegen die angeblich besten Freunde des Menschen können bei religiösen Juden auch daraus resultieren, dass das Zusammenleben mit einem Vierbeinder aus halachischer Sicht erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen kann. Und bei orthodoxen Familien ist die Zahl der Kinder zudem meist recht hoch, was wiederum dagegen sprechen könnte, sich noch ein zusätzliches »Familienmitglied« ins Haus zu holen.

Aber erst einmal zur Tora. Dort ist wirklich nicht viel Gutes über Hunde zu lesen. »Wie ein Hund zurückkehrt zu seinem Auswurf, so wiederholt der Tor seine Narrheit«, heißt es zum Beispiel in den Sprüchen (26,11). »Mich umringen Hunde« (Psalm 22,17), »werden die Hunde auch dein Blut lecken« (1. Könige 21,19), und »bin ich ein Hund, dass du an mich kommst mit Stöcken?« (1. Samuel 17, 43) klingt auch alles andere als nett. Zuletzt noch der Prediger (9,4): »Denn wer irgend noch verbunden ist mit den Lebendigen, hat Hoffnung, ja einem lebendigen Hunde ist wohler als einem toten Löwen.« Zur Ehrenrettung der Vierbeiner sei auf das 2. Buch Moses (11,7) verwiesen: »Aber gegen alle Kinder Israels wird kein Hund seine Zunge spitzen«. Dieser Satz steht im Zusammenhang mit dem Auszug aus Ägypten, den die Hunde nicht durch lautes Gebell verrieten, vielmehr sollen sie in dieser Nacht geschwiegen haben. Als Lohn dafür, so erläutert Raschi, soll Fleisch, das unkoscher geworden ist, nicht auf dem Müll landen, sondern ihnen zum Fraß vorgeworfen werden.

Dorfhunde Wobei wir schon bei der Hundehaltung sind. Hier ist der Talmud detailliert und teilweise sehr strikt, wenn es um die grundsätzliche Frage geht, ob man sich überhaupt so ein Tier zulegen sollte. Dort wird zum Beispiel Rabbi Nathan (Baba Kama 15b) zitiert, der sagte, dass man »in seinem Haus keinen bösen Hund halten und keine schadhafte Leiter stehen lassen« dürfe. Denn es heißt im 5. Buch Moses (22,8): »Du darfst keine Blutschuld auf dein Haus laden.« Ein paar Seiten weiter ist im Talmud zu lesen (Baba Kama 83a): »Man darf keinen Hund halten, es sei denn, dass man ihn an die Kette legt.« An gleicher Stelle wird Rabbi Eliezer der Große zitiert: »Wenn jemand Hunde großzieht, so ist es ebenso, als züchte er Schweine. In welcher Hinsicht ist das von Bedeutung? Dass er den Fluch auf sich lädt.«

Da aber zu fast jeder Aussage eine talmudische Gegenstimme zu finden ist, wird in diesem Zusammenhang auf Rabbi Jischmael verwiesen, der »Dorfhunde« (Klawim kofrin) erlaubt, »weil sie das Haus sauber halten« (Baba Kama 80a).

Die Rabbiner haben später diese Aussagen so gedeutet, dass die Dorfhunde klein und nicht aggressiv sind, sich das ausdrückliche Verbot auf »böse«, also große und zugleich gefährliche Hunde bezieht. Raschi spricht von kläffenden und beißenden Hunden, die eine schwangere Frau so in Angst und Schrecken versetzen können, dass sie eine Fehlgeburt erleidet.

Kurzum: Eigentlich darf ein gesetzestreuer Jude keinen Hund halten, der gefährlich werden könnte. Wenn er aber das Tier zum Schutz von Haus und Hof braucht, muss er wenigstens dafür Sorge tragen, dass der Vierbeiner auch richtig angeleint ist.

Verschwiegen werden sollte allerdings nicht, dass einige rabbinische Autoritäten Hunde insgesamt als »Chaje temeia«, unreine Tiere, bezeichnen. Sie verweisen auch auf die Kabbala, nach der Hunde die Kräfte der rituellen Unreinheit »Tuma« symbolisieren.

Jüdisches Recht verbietet nicht die Tierhaltung, viele religiöse Juden haben Katzen oder Hunde zu Hause, doch stellt sie dies vor einige Herausforderungen. Rabbiner Howard Jachter aus New Jersey, ein Experte in Fragen von Mischna und Gemara, Mitglied des Rabbinical Council of America, hat zahlreiche halachische Fragen dazu beantwortet, von denen nachfolgend einige behandelt werden sollen.

Tierschutz Allgemein gilt, dass die Tora den Menschen über das Tier stellt (1. Buch Moses 1,26), aber ihm gleichzeitig vorschreibt, dass er alle Lebewesen mit Respekt zu behandeln hat. Nicht nur im Zusammenhang mit dem Welttierschutztag, der in diesem Monat begangen wird, soll erwähnt werden, dass das Judentum sehr großen Wert darauf legt, dass Tiere anständig behandelt werden. Es ist verboten, ihnen unnötig Schmerzen zuzufügen. »Tzaar baalei chajim«, also Tierquälerei, ist tabu.

So ist es Juden auch untersagt, ihre Tiere kastrieren zu lassen. Dieses Verbot ist für männliche Wesen jeder Spezies durch die Tora (3. Buch Moses 22,24) definiert, bei weiblichen Kreaturen greift das Verbot der Tierquälerei. Allerdings gibt es unterschiedliche rabbinische Auslegungen, ob ein nichtjüdischer Tierarzt die Kastration vielleicht doch vornehmen könnte. Definitiv ist jedoch jede unnötige körperliche Veränderung am Vierbeiner verboten, zum Beispiel das Kupieren von Hundeohren.

Im jüdischen Gesetz haben eben auch Tiere Rechte. Zum Beispiel das Recht auf Ruhe am Schabbat. Im 2. Buch Moses (20,10) heißt es über den siebten Tag: »Da sollst du keinerlei Werk verrichten«, und dabei werden nicht nur Sohn, Tochter, Knecht und Magd, sondern auch das Vieh erwähnt. Also muss auch der Hund ruhen, darf seinem Herrchen nicht einmal die Zeitung im Maul zum Sessel bringen.

Der Talmud (Schabbat 128 a) bezeichnet alle Tiere als Mukze, also als etwas, was alltäglich ist, nicht dem Feiertag nutzt, und mit dem die Schabbatruhe verletzt wird. Spätere rabbinische Meinungen unterschieden aber Tiere, die vielleicht doch einen Nutzen am Schabbat haben, wie Haustiere, die ihren Besitzern Gesellschaft leisten oder die beruhigende Wirkung auf Kinder haben.

Und Gassi gehen am Schabbat? Eigentlich kein Problem. Nur gilt es auch hier, zahlreiche Regeln zu beachten. Denn man darf sein Schoßhündchen keinesfalls auf den Arm nehmen, auch soll kein Zubehör nach draußen getragen werden. Halsband und Leine können zu Hause angelegt werden, aber das halachisch bewusste Herrchen oder Frauchen darf sie draußen nicht herumtragen. Und das gilt auch für die Vierbeiner. Wenn Hunde die Leine beim freien Auslauf selbst im Maul halten, verstößt das gegen die Regeln. Und da Mukze eben alles ist, was für den Schabbat oder Feiertag keinen direkten praktischen Nutzen hat – an dieser Stelle wird dann stets der Vergleich zu einem Stein oder Stock herangezogen –, ist nach strenger rabbinischer Auslegung auch das Tragen von Hundemarken oder Schmuckanhängern an Fiffis Halsband verboten. Das gilt also auch für die Steuermarke, selbst wenn das Ärger mit dem Ordnungsamt geben könnte. Diese Anhänger haben zwar in gewissem Sinne einen Vorteil für den Hundehalter, aber nicht für den Vierbeiner, sind also damit am Schabbat nicht erlaubt.

Und – auch wenn dies am Wochentag gut und richtig ist – am Schabbat darf der Hundehalter keine Plastiktüten mitführen, um die Hinterlassenschaft des Tieres von der Wiese oder dem Gehweg zu entfernen und anschließend zu entsorgen.

Hundefutter Der Talmud schreibt übrigens auch vor, dass nur der sich Tiere anschaffen darf, der sie auch versorgen kann. Und noch etwas: Der Tora zufolge (5. Buch Moses, 11,15) muss der Mensch erst seine Tiere versorgen, bevor er sich selbst zu Tisch setzt. »Und ich werde Gras geben auf deinem Feld für dein Vieh, und du wirst essen und satt werden.« Hier sind zuerst die Tiere erwähnt. Der Talmud bekräftigt diese Aussage, wenn zum Beispiel (Brachot 40a) geschrieben steht: »Es ist zu essen verboten, bevor er seinem Vieh Futter gegeben.«

Koscher muss das Tierfutter nicht sein, aber milchige und fleischige Speisen dürfen auch hier nicht zusammen auf den Teller landen. Nicht, weil der Hunde dieser biblischen Vorschrift folgen muss. Vielmehr ist es dem Menschen nicht nur verboten, selbst milchig und fleischig zugleich zu essen, er darf auch keinen Nutzen aus dieser verbotenen Kombination ziehen. Und da die rabbinischen Weisen davon ausgingen, dass der Mensch sich erfreut, wenn er seinen treuen Vierbeiner füttert, ist also diese Art der Tierverpflegung verboten.

Besonders schwierig ist die Futterfrage zu Pessach. Dann gilt: Es darf kein Chametz im Futternapf landen. Wer während der sieben Tage kein Hundefutter »koscher LePessach« beschaffen will, kann sein Tier auch zeitweise formell an einen Nichtjuden verkaufen, wie man es mit dem Chametz macht.

Wer nun trotz aller halachischen Hürden an die Anschaffung eines Hundes denkt, dem sei hier How to Raise a Jewish Dog empfohlen. In dem bei Little, Brown and Company (2007) erschienenen Buch geben Rabbiner eines fiktiven Theologischen Seminars von Boca Raton/Florida Tipps für Pflege, Aufzucht und Erziehung eines wahrhaft jüdischen Hundes. Eine sehr nützliche Lektüre für alle, die an die Weisheit eines bekannten Rabbiners glauben, die in der Buchempfehlung zitiert wird: »Wir sollten uns alle bemühen, der Mensch zu werden, für den uns unsere Hunde halten.«

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