In Jahren der Hungersnot gab einmal ein frommer Mann an Erew Rosch Haschana einem Armen eine Münze (Berachot 18b). Seine Frau war wütend darüber, und so war er gezwungen, in der Nacht von Rosch Haschana auf dem Friedhof zu schlafen. Da hörte er zwei Mädchenseelen miteinander reden.
Die eine sagte zur anderen: »Lass uns in die Welt reisen und hinter dem Vorhang hören, welche Strafe auf die Welt kommt.« Die andere antwortete: »Ich kann nicht, weil ich in einer Schilfmatte begraben bin. Geh du und erzähl mir, was du hörst.« Sie ging hinaus und kam zurück. Ihre Freundin fragte: »Was hast du hinter dem Vorhang gehört?« Sie sagte zu ihr: »Ich habe gehört, dass die Ernte eines jeden, der zum Zeitpunkt des ersten Regens pflanzt, vom Hagel getroffen werden wird.«
Der fromme Mann, der das hörte, ging und pflanzte erst während des zweiten Regens. Und siehe da: Die Ernte der ganzen Welt wurde vom Hagel getroffen, doch seine nicht.
Schilfmatte Im nächsten Jahr schlief er an Rosch Haschana wieder auf dem Friedhof. Er hörte dieselben Seelen miteinander reden. Die eine sagte zur anderen: »Lass uns in die Welt reisen und hinter dem Vorhang hören, welche Strafe auf die Welt kommt.« Die andere antwortete: »Ich kann nicht, denn ich bin in einer Schilfmatte begraben. Du gehst und sagst mir, was du hörst.«
Sie ging hinaus und kam zurück. Ihre Freundin fragte: »Was hast du hinter dem Vorhang gehört?« Sie sagte zu ihr: »Ich habe gehört, dass die Ernte eines jeden, der zum Zeitpunkt des zweiten Regens pflanzt, von einer Seuche befallen wird.«
Der fromme Mann hörte das, ging und pflanzte zum Zeitpunkt des ersten Regens. Die Ernte der ganzen Welt wurde von einer Seuche getroffen, aber nicht die jenes Mannes.
Seine Frau fragte ihn: »Wie kommt es, dass letztes Jahr alle Ernten außer deiner vom Hagel zerstört wurden und jetzt alle außer deiner von der Seuche befallen wurden?«
Streit Da erzählte er ihr die ganze Geschichte. Und es dauerte nicht viele Tage, da entwickelte sich ein Streit zwischen der Frau des frommen Mannes und der Mutter eines der verstorbenen Mädchen. Die Frau des frommen Mannes sagte zu ihr: »Komm, ich werde dir deine Tochter zeigen, die in einer Schilfmatte begraben wurde.« Doch sie wollte damit die mittellose Mutter kränken, weil sie ihre Tochter nicht würdig begraben hatte.
Als der fromme Mann im nächsten Jahr an Rosch Haschana wieder auf dem Friedhof schlief, hörte er auch diesmal die beiden Seelen miteinander reden. Die eine sagte zur anderen: »Lass uns in die Welt reisen und hinter dem Vorhang hören, welche Strafe auf die Welt kommt.« Doch da antwortete die andere: »Lass mich! Die Worte, die wir austauschen, werden unter den Lebenden gehört.«
Die Gemara beschließt, dass diese Geschichte nicht als Beweis gelten kann, dass die Verstorbenen über die Geschehnisse in dieser Welt Bescheid wissen.
Die meisten Kommentatoren sind sich einig, dass diese Geschichte nicht wörtlich zu verstehen ist, und sagen, der fromme Mann habe diese Unterhaltungen wohl im Traum gehört.
Verdienst Wir können dieser Geschichte entnehmen, dass das Verdienst für das gesamte Jahr, laut unseren Weisen, an Rosch Haschana festgelegt wird. Wir alle kennen Menschen, die auf außergewöhnliche Art und Weise innerhalb kürzester Zeit wohlhabend geworden sind. Und wir kennen auch Menschen, die ebenso schnell alles verloren haben.
Vielleicht hat die Tatsache, dass der fromme Mann trotz der Hungersnot einem Armen an Erew Rosch Haschana Geld gab, bewirkt, dass er jene Träume hatte, die ihm zu Reichtum verhalfen. Denn wie unsere Weisen sagen, ist die Kraft der Zedaka, des Almosengebens, so stark, dass sie einen sogar vor dem Tod erretten kann.