Unter den Makeln, die der Talmud (Ketubot 77a) als Hinderungsgrund für eine Heirat oder als legitime Ursache für die Auflösung einer Verlobung aufzählt, findet sich unter anderem auch die Epilepsie, vor allem, wenn sie bei einer Frau auftritt.
Die Gelehrten wussten also um diese Erkrankung, und es war ihnen auch bekannt, dass die Epilepsie in unterschiedlichen Formen auftreten kann. Sie unterteilten sie in zwei Gruppen, nämlich in solche mit regelmäßig auftretenden und daher vorhersehbaren Anfällen und solche, die sich in unregelmäßigen Abständen bemerkbar machen.
Makel Im ersten Fall war es der Familie der Frau oder auch ihr selbst möglich, die Krankheit zu verheimlichen. Damit galt dies als ein verborgener Makel.
Folgen die Anfälle jedoch keinem erkennbaren Schema, dann können sie jederzeit einsetzen, auch in der Öffentlichkeit, und werden damit auch außerhalb der Familie bekannt. Verlobte sich ein Mann also mit einem Mädchen, das an Epilepsie in der zweiten Kategorie litt, wusste er sehr wohl, was er tat, und konnte daher nicht einfach die Verlobung lösen mit der Begründung, dass die Braut ja eine ihm bis dato verborgene Krankheit habe. Das hatte er schließlich schon vorher gewusst.
Interessant ist die Anmerkung von Rabbi Jerucham, dass es im Fall von Epilepsie als einem sichtbaren Makel völlig unerheblich sei, ob in der betreffenden Stadt ein Badehaus vorhanden sei oder nicht.
Badehaus Doch was hat die Epilepsie mit einer öffentlichen Badeanstalt zu tun? Nun, manche sonst wohlverborgene körperliche Veränderung wie zum Beispiel Warzen oder Hautkrankheiten werden im Badehaus offenbar. Allerdings wird die Epilepsie nicht durch Kleidung verborgen, und sie macht sich auch nicht ununterbrochen bemerkbar. Damit fällt sie aus dieser Art von äußerlich sichtbaren Makeln heraus.
Eine weitere Erklärung lässt sich aus dem Schulchan Aruch herleiten (Even ha-Eser 39,4). Dort findet sich der Hinweis, dass die Mädchen, die eine Badeanstalt aufsuchen, sich auf dem Weg dorthin in der Öffentlichkeit bewegen. Das heißt: Sollte eine unterwegs einen Anfall erleiden, bliebe der nicht unbemerkt.
Doch selbstverständlich beschränkt sich die Epilepsie nicht nur auf Frauen; auch das war unseren Weisen bekannt. Im Traktat Schabbat 61a heißt es ganz allgemein, dass das Tragen eines Amuletts gegen Epilepsie am Schabbat nicht verboten sei. Ein solches Amulett konnte entweder eine Inschrift enthalten oder Bestandteile von Heilpflanzen.
Wirksamkeit Hinsichtlich seiner Wirksamkeit bestanden allerdings – durchaus berechtigte – Zweifel, selbst wenn es von einem ausgewiesenen Fachmann angefertigt worden war. War ein Amulett als wirksam zu betrachten, wenn es seinen Träger dreimal vor einem Anfall bewahrt hatte, oder mussten drei verschiedene Personen geheilt worden sein, mit je einem Amulett desselben Herstellers? Und wie lässt sich eine vorbeugende Wirkung überhaupt feststellen? Hier sagt die Gemara, es reiche aus, wenn der Hersteller des Amuletts bewährt sei, nicht das Amulett selbst.
Hersteller Allerdings entstand darüber die Diskussion, wie dieser Hersteller die Heilkraft seiner Produkte einwandfrei nachweisen könne. Denkbar wäre doch, dass das Amulett selbst wirkungslos sei, und selbst wenn der Träger drei solcher Amulette umhängen hatte, habe er vielleicht nur deswegen keinen weiteren Anfall erlitten, weil er einfach Glück hatte. Diese Diskussion blieb unentschieden: Teku.
Die Epilepsie als solche war den talmudischen Gelehrten also bereits früh bekannt, wenn auch die Behandlungsmethoden, dem seinerzeitigen Wissensstand entsprechend, noch zu wünschen übrig ließen.
Talmudisches