Talmudisches

Ameisen erforschen

Organisiert: die Ameise Foto: Getty Images

Talmudisches

Ameisen erforschen

Warum es bereits seit Jahrhunderten Tradition ist, die fleißigen Tiere zu beobachten

von Chajm Guski  12.03.2021 09:03 Uhr

»Geh hin zur Ameise, du Fauler, sieh auf ihre Wege und werde weise! Sie hat keinen Anführer, Aufseher oder Herrscher, und doch sorgt sie für ihr Brot im Sommer«, heißt es im Buch der Sprüche (6, 6–8).

Was König Schlomo hier sagt, ist ein Hinweis darauf, dass man sich schon länger mit den kleinen Insekten beschäftigt. Doch wusste man damals weniger von den kleinen staatenbauenden Tierchen als wir heute. König Schlomo nahm an, sie seien eine Zivilisation ohne Anführer. Doch der Gelehrte Rabbi Schimon ben Chalafta wollte es genau wissen.

Experiment Der Talmud (Chullin 57b) erzählt in Berufung auf Rabbi Mescharschija, wie Schimon eine Art Experiment mit Ameisen durchführte und sich dadurch den Titel »Erforscher der Dinge« verdiente: In der warmen Jahreszeit, im Monat Tamus, ging Rabbi Schimon ben Chalafta und stellte sich vor ein Loch, aus dem normalerweise Ameisen kamen. Nun mieden sie aber die Hitze des Tages. Er breitete seinen Mantel über dem Loch aus und spendete damit ein wenig Schatten. Es dauerte nicht lange, da kam eine Ameise heraus und erkundete den Schatten.

Ähnlich wie es Jahrhunderte später Wissenschaftler taten, markierte Rabbi Schimon die Ameise, bevor sie wieder in das Loch zurückkehrte.
Sie krabbelte in das Loch und sprach zu den anderen Ameisen: »Draußen ist Schatten.« Da kamen sie alle heraus, um zu arbeiten.

Taten Nun hob Rabbi Schimon seinen Mantel hoch, und die Sonne prasselte auf die Ameisen. Da fielen sie alle über die erste Ameise her und töteten sie. Rabbi Schimon sah dies und sagte: »Man kann aus ihren Taten lernen, dass die Ameisen keinen König haben. Denn wenn sie einen hätten, bräuchten sie dann nicht seinen Erlass, um die eine Ameise hinzurichten?«

Doch hier endet der Bericht des Talmuds nicht. Die Rabbinen haben noch andere Erklärungen für das Verhalten der Ameisen. Rabbiner Acha, der Sohn von Rawa, sagte zu Raw Aschi: »Aber vielleicht war der König zu der Zeit unter ihnen und gab ihnen die Erlaubnis dazu. Oder vielleicht besaßen sie bereits einen Erlass des Königs, der ihnen die Erlaubnis gab, die Ameise zu töten. Oder vielleicht war es die Zeit zwischen den Regentschaften zweier Könige, wie geschrieben steht: ›In jenen Tagen gab es keinen König in Israel. Ein jeder tat, was ihm recht war‹ (Richter 17,6). Aber verlasst euch lieber auf Schlomo, der schrieb, dass Ameisen keinen König haben. Heute wissen wir, dass das stimmt. Sie haben keinen König. Sie arbeiten für eine Königin.«

Was wir heute auch wissen: Kolonien dieser Insekten können sich über Kilometer erstrecken, und sie können auch Schaden anrichten. Und wie wird man sie wieder los? »Man darf Ameisenlöcher zerstören«, schreibt der Talmud (Mo’ed Katan 6b/7a).

Nest Aber wie macht man das? Einfach das Loch verschließen? Nein, erzählt der Talmud: »Rabban Schimon ben Gamliel sagt: Man bringe Erde aus dem einen Ameisenloch und lege sie in ein anderes. Die Ameisen aus den beiden Nestern kennen einander nicht, und deshalb erwürgen sie sich gegenseitig.«

Jedoch müsse man aufpassen, fährt der Talmud fort, denn vielleicht entnimmt man Erde aus derselben Kolonie.

Das funktioniere nur unter bestimmten Umständen, sprach Raw Jeimar bar Schelamja im Namen Abajes: »Die Ameisenlöcher müssen sich auf zwei gegenüberliegenden Seiten eines Flusses befinden, es darf keine Brücke geben, nicht einmal eine hölzerne über das Wasser, und es darf nicht einmal ein Seil über den Fluss gespannt sein. Gibt es eine Verbindung zwischen den beiden Seiten des Flusses, dann werden sich die Ameisen aus den beiden Nestern wahrscheinlich gegenseitig erkennen und nicht bekämpfen.« Wir sehen: Es ist schon seit Jahrhunderten spannend, Ameisen zu beobachten, die es ja weltweit gibt.

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Rosch Haschana

Jüdisches Neujahrsfest: Bischöfe rufen zu Verständigung auf

Stäblein und Koch betonten in ihrer Grußbotschaft, gerade jetzt dürfe sich niemand »wegducken angesichts von Hass und Antisemitismus«

 16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  17.09.2025 Aktualisiert

Ki Tawo

Echte Dankbarkeit

Das biblische Opfer der ersten Früchte hat auch für die Gegenwart eine Bedeutung

von David Schapiro  12.09.2025

Talmudisches

Schabbat in der Wüste

Was zu tun ist, wenn jemand nicht weiß, wann der wöchentliche Ruhetag ist

von Yizhak Ahren  12.09.2025

Feiertage

»Zedaka heißt Gerechtigkeit«

Rabbiner Raphael Evers über Spenden und warum die Abgabe des Zehnten heute noch relevant ist

von Mascha Malburg  12.09.2025

Chassidismus

Segen der Einfachheit

Im 18. Jahrhundert lebte in einem Dorf östlich der Karpaten ein Rabbiner. Ohne je ein Werk zu veröffentlichen, ebnete der Baal Schem Tow den Weg für eine neue jüdische Strömung

von Vyacheslav Dobrovych  12.09.2025

Talmudisches

Stillen

Unsere Weisen wussten bereits vor fast 2000 Jahren, was die moderne Medizin heute als optimal erkennt

von David Schapiro  05.09.2025

Interview

»Die Tora ist für alle da«

Rabbiner Ethan Tucker leitet eine Jeschiwa, die sich weder liberal noch orthodox nennen will. Kann so ein Modell auch außerhalb New Yorks funktionieren?

von Sophie Goldblum  05.09.2025