Rabbiner Elazar Benyoetz

Also sprach Sahadutha

Elazar Benyoetz Foto: dpa

Der renommierte israelische Dichter und ausgebildete Rabbiner Elazar Benyoetz, der im vergangenen Jahr seinen 80. Geburtstag feierte, hat mit beachtlichem Erfolg seine Sprachheimat gewechselt. Als junger Poet veröffentlichte er einige Gedichtbände in hebräischer Sprache, seit rund 50 Jahren hat Benyoetz zahlreiche Aphorismenbände in Deutsch vorgelegt.

Über seine doppelte Sprachbindung sagte der Künstler einmal: »Meine große Liebe war die hebräische Sprache, meine Geliebte ist die deutsche geworden, die Liebe erwies sich als teilbar.«

Geboren wurde er am 24. März 1937 als Paul Koppel in Wien; seine Familie floh 1938 vor den Nationalsozialisten nach Palästina. Obwohl Benyoetz, der 1959 das Rabbinerexamen ablegte, nie in diesem Beruf gearbeitet hat, ist er dem Glauben auf seine Art und Weise treu geblieben. »Du kannst ohne Gott auskommen, aufgeben kannst du ihn nicht. Die Aufgabe steht am Ausgang«, schrieb er einmal. An anderer Stelle heißt es: »Um den Glauben muss gebetet werden wie ums tägliche Brot.«

Zeuge Zwischen 1964 und 1968 lebte er in Berlin, wo er 1964 die Bibliographia Judaica gründete – ein Verzeichnis jüdischer Autoren deutscher Sprache. Für sein erstes deutschsprachiges Buch wählte Benyoetz 1969 einen wohlklingenden aramäischen Titel: Sahadutha (Zeugnis, Bezeugung). Der Aphoristiker spielte damit auf einen Bibelvers an (1. Buch Mose 31,47), wo ein »Jegar Sahadutha«, ein Steinhaufen des Zeugnisses, zum Zeugen des Vertrags zwischen Laban und Jakow ernannt wird. In späterer Zeit benutzte Benyoetz Sahadutha als Eigennamen; wenn er Worte Sahaduthas anführt, dann handelt es sich um Selbstzitate.

Wer davon ausgeht, dass Aphorismenbände in unseren Tagen kaum Beachtung finden, der irrt sich gewaltig. Über das aphoristische Werk von Benyoetz sind schon zahlreiche gelehrte Abhandlungen veröffentlicht worden, und der Sprachkünstler wurde bereits oft ausgezeichnet. Zuletzt hat die Theologische Fakultät der Universität Bern Benyoetz im Dezember 2017 den Ehrendoktortitel verliehen.

Ein Jahr zuvor fand in Bern ein Studientag an der Theologischen Fakultät zu und mit Benyoetz statt; eine Dokumentation der bei dieser Gelegenheit gehaltenen Referate ist nun in Buchform erschienen. Sahadutha hielt eine »Danklesung«, die aus 40 kurzen Texten besteht.

Titel Fast gleichzeitig mit dem Berner Tagungsband ist ein weiteres Werk von Benyoetz herausgekommen. Gute Freunde hatten dem Aphoristiker nahegelegt, seine Autobiografie Allerwegsdahin (2001) neu herauszugeben. Sahadutha hat daraufhin die Darstellung seines Weges weitgehend überarbeitet und erweitert. Aberwenndig, so der neue Titel, ist übrigens das erste deutsche Buch, das von rechts nach links gelesen werden muss, denn so ist es auch gebunden!

Die neueren Bücher von Benyoetz sind komplexe Kompositionen aus eigenen Aphorismen und Zitaten. Warum sind Zitate aus fremden oder aus eigenen Schriften für Sahadutha so wichtig? Weil Benyoetz mehrere Stimmen zu Wort kommen lassen will, die er in Beziehung zueinander setzt. Christoph Grubitz, der mit einer Dissertation über Sahaduthas Aphorismen promovierte, erkannte einen Zusammenhang zwischen Sahaduthas Zitierkunst und dem Talmud, in dem ein literarisches Streitgespräch ins Werk gesetzt wird.

Dankbarkeit Welche Bedeutung Zitate für Benyoetz haben, zeigen folgende Sätze, die er formuliert hat: »Ein Werk wie meins kann nur in Dankbarkeit und mit ihr wachsen. Darum gehören Namen und Zitate zu den Eckpfeilern meiner Poetik. Auch das geringste Zitat ist noch ein Stück Dankbarkeit.« Des Autors Haltung der Dankbarkeit steckt viele seiner treuen Leser an; sie haben zu danken für wohlformulierte Denkanstöße.

Sahadutha ist ein gläubig-frommer Jude, der sowohl über einzelne Bibelstellen als auch über Grundfragen der Religion erhellende und tiefsinnige Sätze geschrieben hat. Allerdings stellt die Theologin Claudia Welz fest: »Ein System lässt sich aus Benyoetz’schen Ein-Sätzen kaum bilden – es bleiben Gedanken, die sich nicht ›zähmen‹ lassen. Gerade als solche aber regen sie das Denken an und erweitern unseren Horizont.«

Sahaduthas Ausleger leisten eine eminent wichtige Arbeit. Die wachsende Sekundärliteratur ist hilfreich für das Verständnis mancher Texte, die auf den ersten Blick rätselhaft erscheinen. Jedoch können gelehrte Interpretationen die zum Nachdenken anregende Lektüre der Aphorismen von Benyoetz nicht ersetzen.

Magdalene L. Frettlöh und Matthias Käser-Braun (Hrsg.): »Zitat und Zeugenschaft. Eine Spurensuche im Werk von Elazar Benyoetz«. Erev-Rav, Uelzen 2017, 184 S., 19,80 € Elazar Benyoetz: »Aberwenndig. Mein Weg als Israeli und Jude ins Deutsche«. Königshausen & Neumann, Würzburg 2017, 429 S., 24,90 €

Wajigasch

Nach Art der Jischmaeliten

Was Jizchaks Bruder mit dem Pessachlamm zu tun hat

von Gabriel Umarov  03.01.2025

Talmudisches

Reich sein

Was unsere Weisen über Geld, Egoismus und Verantwortung lehren

von Diana Kaplan  03.01.2025

Kabbala

Der Meister der Leiter

Wie Rabbiner Jehuda Aschlag die Stufen der jüdischen Mystik erklomm

von Vyacheslav Dobrovych  03.01.2025

Tradition

Jesus und die Beschneidung am achten Tag

Am 1. Januar wurde Jesus beschnitten – mit diesem Tag beginnt bis heute der »bürgerliche« Kalender

von Rabbiner Jehoschua Ahrens  01.01.2025 Aktualisiert

Chanukka

Sich ihres Lichtes bedienen

Atheisten sind schließlich auch nur Juden. Ein erleuchtender Essay von Alexander Estis über das Chanukka eines Säkularen

von Alexander Estis  31.12.2024

Brauch

Was die Halacha über den 1. Januar sagt

Warum man Nichtjuden getrost »Ein gutes neues Jahr« wünschen darf

von Rabbiner Dovid Gernetz  01.01.2025 Aktualisiert

Mikez

Schein und Sein

Josef lehrt seine Brüder, dass die Dinge nicht immer so sind, wie sie auf den Betrachter wirken

von Rabbiner Avraham Radbil  27.12.2024

Chanukka

Wie sah die Menora wirklich aus?

Nur Kohanim konnten die Menora sehen. Ihr Wissen ist heute verloren. Rabbiner Dovid Gernetz versucht sich dennoch an einer Rekonstruktion

von Rabbiner Dovid Gernetz  25.12.2024

Resilienz

Licht ins Dunkel bringen

Chanukka erinnert uns an die jüdische Fähigkeit, widrigen Umständen zu trotzen und die Hoffnung nicht aufzugeben

von Helene Shani Braun  25.12.2024