Talmudisches

Alles ist zum Besten

Egal, was passiert. »Alles ist für etwas gut.« Foto: Getty Images/iStockphoto

In meinem Bekanntenkreis gibt es einige Menschen, die meinen, dass alles, egal, was passiert, für irgendetwas gut ist. Vielleicht denken sie dabei an Rabbi Akiwas Lebensprinzip: »Alles, was G’tt tut, ist zum Besten.«

Unter den vielen großen Persönlichkeiten der jüdischen Geschichte repräsentiert Rabbi Akiwa wahrscheinlich mehr als jeder andere die Verschmelzung von allem, was dem jüdischen Volk als tugendreich und charaktervoll erscheint.

Nationalheld Rabbi Akiwa ist eine der beliebtesten Figuren in der jüdischen Geschichte, deren Einfluss und Gestalt in allen Epochen eine Quelle der Inspiration ist. Der Talmud (Menachot 29a) vergleicht ihn sogar mit Mosche Rabbenu, unseren Lehrer Mosche, den Nationalhelden des jüdischen Volkes für alle Zeiten.

Eine Katze hatte sich von hinten herangeschlichen und fraß den Hahn auf.

Über seinen unerschütterlichen Glauben an G’tt und seinen Leitspruch »Alles ist für irgendetwas gut« lesen wir im Talmud (Berachot 60b) folgende Geschichte: Auf einer seiner Reisen kam Rabbi Akiwa in ein fremdes Land. Eines Tages erreichte er ein kleines Dorf.

Als es Nacht wurde, suchte er Schutz und klopfte an die Türen der Häuser. Er bat die Leute, ihn für eine Nacht zu beherbergen. Er bot sogar an, für seinen Aufenthalt zu bezahlen; aber alle weigerten sich, ihn einzulassen.

Schöpfer Doch Rabbi Akiwa verlor nicht den Glauben an seinen Schöpfer, sondern sagte sich: »Alles, was der Ewige tut, erweist sich als das Beste.«

Nun blieb ihm aber keine andere Wahl, als sich irgendwo ein Plätzchen zu suchen, um dort zu übernachten.

So gelangte er in einen Wald am Rande des Dorfes. »Ach, es wird sicherlich alles zum Besten sein«, sagte er und bereitete sich, so gut es eben ging, vor, die Nacht dort zu verbringen.

Drei Dinge hatte er auf seiner Reise dabei: einen Hahn, der ihn am Morgen wecken sollte; einen Esel, um auf ihm zu reiten; und eine Kerze, die er am Abend, vor dem Torastudium, anzündete.

Lichtung Im Wald fand er eine Lichtung. Dort breitete er seine Decke aus, zündete die Kerze an und begann zu lernen. Doch plötzlich fuhr ein starker Wind auf und blies die Kerze aus. Da sagte Rabbi Akiwa: »Alles, was der Ewige tut, tut er zum Besten«, und legte sich im Dunkeln schlafen.
Plötzlich hörte er ein verzweifeltes Krähen.

Eine Katze hatte sich von hinten herangeschlichen und fraß den Hahn auf. Rabbi Akiwa seufzte, sagte erneut: »Alles, was der Ewige tut, tut er zum Besten« und legte sich wieder hin – bis er von einem furchtbaren Gebrüll geweckt wurde. Ein großer Löwe hatte sich auf den Esel gestürzt, und Akiwas Wegbegleiter wurde zu seiner Beute. Doch der Rabbi sagte auch diesmal: »Alles, was der Ewige tut, tut er zum Besten.«

Rabbi Akiwa fühlte sich angesichts der schrecklichen Ereignisse sehr betrübt – aber auch erleichtert.

Akiwa und seine ganze Umgebung waren in tiefste Dunkelheit gehüllt. Sehen konnte man nichts, aber zu hören waren plötzlich Aufschreie, Hilferufe und das furchtbare Stöhnen von verwundeten Opfern.

Was war geschehen? In der Nacht hatten Banditen das Dorf angegriffen, einige Bewohner getötet und andere gefangen genommen, um sie als Sklaven zu verkaufen.

Kerze Rabbi Akiwa murmelte: »Nicht umsonst sagte ich: ›Alles, was der Ewige tut, tut er zum Besten.‹ Hätte ich im Dorf eine Unterkunft bekommen, so wäre ich mit den Bewohnern gefangen genommen oder getötet worden. Hätte der Esel später geschrien, der Hahn erst nachher gekräht oder die Kerze immer noch gebrannt, so hätten die Banditen meinen Standort ausgemacht, mich aufgestöbert und gefangen genommen und möglicherweise sogar getötet.«

Rabbi Akiwa fühlte sich angesichts der schrecklichen Ereignisse sehr betrübt – aber auch erleichtert, dass man ihm im Dorf den Schutz verweigert hatte. Und obwohl er seinen Esel, seinen Hahn und sein Licht verloren hatte, stärkte es seine Überzeugung, dass man sich nicht beschweren sollte, egal, was passiert, denn »alles ist für etwas gut«.

Studium

»Was wir von den Rabbinern erwarten, ist enorm«

Seit 15 Jahren werden in Deutschland wieder orthodoxe Rabbiner ausgebildet. Ein Gespräch mit dem Gründungsdirektor des Rabbinerseminars zu Berlin, Josh Spinner, und Zentralratspräsident Josef Schuster

von Mascha Malburg  21.11.2024

Europäische Rabbinerkonferenz

Rabbiner beunruhigt über Papst-Worte zu Völkermord-Untersuchung

Sie sprechen von »heimlicher Propaganda«, um Verantwortung auf die Opfer zu verlagern: Die Europäische Rabbinerkonferenz kritisiert Völkermord-Vorwürfe gegen Israel scharf. Und blickt auch auf jüngste Papst-Äußerungen

von Leticia Witte  19.11.2024

Engagement

Im Kleinen die Welt verbessern

Mitzvah Day: Wie der Tag der guten Taten positiven Einfluss auf die Welt nehmen will

von Paula Konersmann  17.11.2024

Wajera

Offene Türen

Am Beispiel Awrahams lehrt uns die Tora, gastfreundlich zu sein

von David Gavriel Ilishaev  15.11.2024

Talmudisches

Hiob und die Kundschafter

Was unsere Weisen über die Ankunft der Spione schreiben

von Vyacheslav Dobrovych  15.11.2024

Gebote

Himmlische Belohnung

Ein Leben nach Gʼttes Regeln wird honoriert – so steht es in der Tora. Aber wie soll das funktionieren?

von Daniel Neumann  14.11.2024

New York

Sotheby’s will 1500 Jahre alte Steintafel mit den Zehn Geboten versteigern

Mit welcher Summe rechnet das Auktionshaus?

 14.11.2024

Lech Lecha

»Und du sollst ein Segen sein«

Die Tora verpflichtet jeden Einzelnen von uns, in der Gesellschaft zu Wachstum und Wohlstand beizutragen

von Yonatan Amrani  08.11.2024

Talmudisches

Planeten

Die Sterne und die Himmelskörper haben Funktionen – das wussten schon unsere Weisen

von Chajm Guski  08.11.2024