Routinemäßig feiern wir Chanukka jedes Jahr vom 25. Kislew bis zum 2. Tewet. Wer von uns achtet darauf, dass unser Lichterfest genau in der dunkelsten Zeit unseres Jahres begangen wird? Der israelische Rabbiner Joel Bin-Nun hat in zwei Abhandlungen auf diese Tatsache aufmerksam gemacht, und er hat bei dieser Gelegenheit eine versteckte Verbindung zu Adams Feiertagen aufgedeckt, von denen der Talmud berichtet.
Nach unserem Sonnenkalender ist am 21. Dezember bekanntlich die Nacht am längsten und der Tag am kürzesten. Der Wendepunkt befindet sich, wenn wir ihn im Mondkalender suchen, gegen Ende des Monats Kislew. Wie am Ende eines jeden Monats ist dann kein Mondlicht zu erblicken. Daher kann man die letzte Kislew-Woche als die finsterste Zeit des Jahres bezeichnen. Diesen Sachverhalt entdeckte bereits der erste Mensch, Adam, und gab ihm eine religiöse Deutung.
Angst Im Talmud (Awoda Sara 8a) heißt es: »Die Rabbanan lehrten: Als Adam, der Ur-Mensch, die Tage fortschreitend abnehmen sah, sprach er: ›Wehe mir, vielleicht wird nun die Welt, weil ich gesündigt habe, verfinstert und wird zurück in Leere und Öde verwandelt. Das ist also der Tod, der im Himmel über mich verhängt worden ist!‹ Da stand er auf und fastete acht Tage. Als aber der Wendepunkt des Tewets eintrat und Adam sah, wie die Tage allmählich wieder länger wurden, sprach er: ›Das ist also der Lauf der Welt!‹ Da ging er und machte acht Tage zu Festtagen. Im nächsten Jahr machte er diese und jene Tage zu Festtagen. Adam hatte sie im Namen des Himmels festgesetzt, Götzendiener aber bestimmten sie auf die Namen von Götzen.«
Nach dem talmudischen Bericht hat Adam seine erste Deutung der beobachteten Phänomene korrigiert. Die unterschiedlich langen Tage hängen also gar nicht mit seinem sündhaften Verhalten zusammen; sie sind vielmehr eine Naturgegebenheit, die unabhängig vom Tun und Lassen des Menschen abläuft. Die Lichtgesetzmäßigkeit, die Adam erkannte, war für ihn ein Anlass, Festtage zu Ehren des Schöpfers festzulegen.
Götzendiener Dass diese Feiertage später von Götzendienern im Sinne ihrer heidnischen Religion uminterpretiert worden sind, ist eine bedauerliche Geschichte. Diese Entwicklung zeigt, dass eine lobenswerte religiöse Festsetzung aus ideologischen Gründen ohne viel Mühe in das Gegenteil verkehrt werden kann.
Es ist natürlich bemerkenswert, dass wir die acht Chanukkatage genau in der Zeit begehen, die Adam als Festtage zu Ehren Gottes bestimmte.
Freilich bemerken wir auch wichtige Unterschiede: Adam feierte zweimal acht Tage: einmal zur Erinnerung an sein Fasten und einmal zur Erinnerung an seine Freude, als er ein Gesetz der Schöpfung als solches erkannte. Dass Adams Festtage in späterer Zeit heidnisch umgedeutet worden sind, ist eine traurige geschichtliche Tatsache.
Unser Chanukkafest lehnt sich an Adams religiös-kosmische Feier an und bereichert das uralte Fest um weitere wichtige Aspekte: um den Sieg der Makkabäer, die Wiedereinweihung des Tempels sowie um das Ölwunder. Die Tiefendimension von Chanukka, die wir hier in den Spuren von Rabbiner Bin-Nun beschrieben haben, wird häufig übersehen.