Bereschit

Adam, Eva und die Dinosaurier

Szene aus dem Film »Jurassic Park« Foto: dpa

Ach, hör doch auf! Ich hab’ echte Dinosaurierknochen gesehen, und Steine, die Millionen von Jahren alt sind. Von wegen, die Welt wurde vor 5775 Jahre erschaffen!», spottet Salomon, der sich über seine Schwester Liora lustig macht.

Sie ist gerade vom Religionsunterricht nach Hause gekommen und hat begeistert von der Weltschöpfung erzählt. «Hmm, lustig, dass du das sagst, das hat nämlich auch Daniel gemeint. Aber der Rabbiner hat eine Reihe von Antworten gegeben, wie man mit diesem Widerspruch umgehen kann.» «Aha?»

Wissenschaft «Also», fängt Liora an aufzuzählen, «die erste Möglichkeit, die unterschiedlichen Datierungen zu erklären, besteht darin, dass die Wissenschaft sich irrt: Die berechnet das Alter von Dingen nach einer Regel, die besagt, dass bestimmte Substanzen sich auf immer gleichbleibende Weise während der Zeit verändern. Wenn also ein Knochen nur noch einen bestimmten Anteil dieser Substanzen hat, muss er nach dieser Regel so und so alt sein.»

«Ja, und?» «Na, erstens, wer weiß, ob das wirklich immer gleich geblieben ist? Vielleicht sind während der Sintflut die Sachen schneller gealtert?!» Salomon schaut skeptisch: «Damit kannst du bestimmt keinen Wissenschaftler überzeugen!»

«Okay, wie wäre es damit: Gott hat extra die Welt so erschaffen, dass einige Dinge älter erscheinen?» «Ach, und warum sollte er das tun? Immerhin habe ich in Reli gelernt, dass G’tt die Welt mit ihren physikalischen Gesetzen geschaffen hat und diese auch nicht einfach so verändert.» «Vielleicht, damit die Wissenschaftler was zum Zweifeln und die Juden was zum Glauben haben?!»

Kabbala Liora erinnert sich noch an ein weiteres Argument aus dem Unterricht. «Na gut, wie wäre es damit: laut der Kabbala …» «Was? Der Raw erzählt euch von jüdischer Mystik?» «Jedenfalls in der jüdischen Überlieferung gibt es die Meinung, dass es vor dieser Welt schon andere ›Versuche‹ von Haschem gegeben hat, Welten zu erschaffen. Die Dinosaurierknochen wären dann aus diesen Welten noch übrig geblieben.» «Ganz ehrlich? Das überzeugt mich alles nicht. Warum ist es überhaupt so wichtig, an die Weltschöpfung zu glauben so wie sie in der Tora steht?»

«Ah, da sind wir endlich bei dem Argument, das mich am meisten beeindruckt hat», grinst Liora. «Der Talmud fragt nämlich selbst, warum die Tora uns die Geschichte von Adam und Eva erzählt.» Salomon ist auf die Antwort gespannt.

Menschenleben Und Liora fährt fort: «Da gibt es zwei Antworten. Wir lernen aus der Geschichte, wie unendlich wichtig ein einzelnes Menschenleben ist. Denn stell dir vor, jemand hätte Adam oder Eva getötet, bevor sie Kinder hatten. Dann wären alle Menschen auf der Welt nie geboren worden! Deshalb lehrt der Talmud: Wer einen Menschen tötet, tötet eine ganze Welt; und wer einen Menschen rettet, rettet eine ganze Welt.» «Wow», sagt Salomon beeindruckt, «den Satz kenn ich aus einem Film, aber mir war nie der Grund dafür klar …»

«Der zweite Grund ist, dass, wenn einer zum anderen sagt: ›Ich bin mehr wert als du, weil mein Vater ein König war und deiner bloß ein Sklave‹, kann der andere antworten: ›Aber mein Ururgroßvater und deiner waren ein und dieselbe Person!‹ Das heißt, dass keiner sich für etwas Besseres halten soll.»

«Wenn ich also an die Weltentstehung glaube, wie sie in der Tora steht», überlegt Salomon laut, «lerne ich daraus, dass jeder Mensch genauso viel wert ist wie ein anderer und dass jedes Leben unendlich wertvoll ist …» «Eben», schließt Liora sichtlich zufrieden mit sich. «Mir ist es eigentlich egal, ob es uralte Knochen gibt! Hauptsache, die Menschen verhalten sich nicht wie Dinosaurier!»

Berlin

Von Generation zu Generation

Am Donnerstag fand in Berlin die feierliche Ordination von zwei Rabbinerinnen sowie sechs Kantorinnen und Kantoren statt. Doch auch der monatelange Streit um die liberale Rabbinatsausbildung in Deutschland lag in der Luft

von Ralf Balke  06.09.2024

Potsdam/Berlin

Neue Stiftung für Ausbildung von Rabbinern nimmt Arbeit auf

Zentralratspräsident Schuster: »Die neue Ausbildung öffnet wichtige internationale Horizonte und Netzwerke innerhalb des liberalen und konservativen Judentums«

von Yvonne Jennerjahn  06.09.2024 Aktualisiert

Schoftim

Das Wort braucht auch die Tat

Warum Gerechtigkeit mehr als nur leeres Gerede sein sollte

von Rabbiner Alexander Nachama  06.09.2024

Talmudisches

Bedürfnisse der Bedürftigen

Was unsere Weisen über zinslose Darlehen lehrten

von Yizhak Ahren  06.09.2024

Sanhedrin

Höher als der König

Einst entschieden 71 Gelehrte über die wichtigsten Rechtsfragen des Judentums. Jeder Versuch, dieses oberste Gericht wiederaufzubauen, führte zu heftigem Streit – und scheiterte

von Rabbiner Dovid Gernetz  06.09.2024

München

Rabbiner offerieren »Gemeindepaket«

Mit besonders auf kleine Gemeinden abgestimmten Dienstleistungen will die Europäische Rabbinerkonferenz halachische Standards aufrechterhalten

 05.09.2024

Re’eh

Der Weg ist das Ziel

Warum man sich nie unvorbereitet auf die Suche nach Verborgenem machen sollte

von Vyacheslav Dobrovych  30.08.2024

Talmudisches

Essen übrig lassen

Was unsere Weisen über den Umgang mit Wirten lehrten

von Rabbiner Avraham Radbil  30.08.2024

Revolutionäre Rabbiner

»Prüfe die Dinge, und du wirst sie erkennen«

Die Schriften von Rabbiner Menachem Meiri zeigen, dass Juden bereits im Mittelalter das Verhältnis zu ihren nichtjüdischen Nachbarn neu definierten

von Sophie Bigot Goldblum  28.08.2024