Israels Oberrabbinat ist massiv irritiert über die jüngsten Worte von Papst Franziskus. Dieser hatte in einer Predigt anlässlich der wöchentlichen Generalaudienz am 11. August auch Ausführungen über die Tora und die darin enthaltenen Gebote (Mizwot) gemacht.
»VERHEISSUNG« Darin bezog sich Franziskus auf die im christlichen Neuen Testament gemachten Aussagen zur Tora. Wörtlich sagte er: »Der Bund Gottes mit Abraham gründet auf dem Glauben an die Erfüllung der Verheißung, das Gesetz wurde später wegen der Übertretungen hinzugefügt. Doch auch wenn es nicht in der Verheißung enthalten war, so kommt das Gesetz von Gott und hat eine klare Rolle in der Heilsgeschichte. Es schenkt aber nicht das Leben und die Erfüllung der Verheißung. Diese wurde in Christus verwirklicht. Darin besteht also die radikale Neuheit des christlichen Lebens: Wer an Jesus Christus glaubt, ist zum Leben im Heiligen Geist berufen, der vom Gesetz befreit und es zugleich erfüllt gemäß dem Gebot der Liebe.«
Einige Beobachter interpretierten die Aussagen des Kirchenoberhaupts als Herabstufung des Judentums und seiner Grundlagen. »Zu sagen, dass dieser fundamentale Grundsatz des Judentums kein Leben schenkt, bedeutet, die religiöse Grundhaltung der Juden und des Judentums zu verunglimpfen. Das hätte schon vor dem Konzil geschrieben werden können«, sagte der katholische Pater John Pawlikowski, einst Leiter des katholisch-jüdischen Studienprogramms an der Katholisch-Theologischen Hochschule in Chicago, der Nachrichtenagentur »Reuters«.
»ABFÄLLIG« Diese zitierte jetzt aus einem Brief des Rabbiners Rasson Arousi, Vorsitzender der Kommission des israelischen Oberrabbinats für den Dialog mit dem Heiligen Stuhl, an den Kurienkardinal Kurt Koch. Der Schweizer ist im Vatikan für die Beziehungen zum Judentum verantwortlich. In Arousis Schreiben enthalten ist die Bitte, Franziskus möge seine Aussagen zurechtrücken. Die Kommentare des Papstes erweckten den Eindruck, jüdisches Recht sei veraltet.
»In seiner Predigt stellt der Papst den christlichen Glauben nicht nur als Ersatz für die Tora dar, sondern behauptet auch, dass die Tora kein Leben mehr spende, was bedeutet, dass die jüdische Religionsausübung in der heutigen Zeit obsolet geworden ist«, schrieb Arousi an Koch.
Er bat den Kardinal, »Papst Franziskus unsere Betroffenheit zu übermitteln« und sicherzustellen, dass etwaige »abfällige Schlussfolgerungen, die aus dieser Predigt gezogen werden, eindeutig zurückgewiesen werden«. Kochs Büro teilte »Reuters« mit, der Kardinal werde die Angelegenheit »ernsthaft prüfen« und denke bereits über eine Antwort nach.
Unter der Ägide des seit März 2013 amtierenden Papstes sind die Beziehungen zwischen katholischer Kirche und der jüdischen Seite eigentlich noch enger als zuvor. Schon in seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires hatte Franziskus enge Freundschaften mit jüdischen Persönlichkeiten aufgebaut. mth