An Schawuot ist es Tradition, vor allem milchige Speisen zu essen. Aber warum eigentlich? Es gibt sieben faszinierende Gründe:
1. Als das jüdische Volk am Berg Sinai die Tora erhielt, schloss sie spezielle Anweisungen zum Schächten ein. Bis dahin waren die Juden diesen Anweisungen nicht gefolgt, und ihr gesamtes Fleisch, inklusive der Töpfe, galt laut Tora als nicht koscher. Die einzige Alternative war also, Milchspeisen zu essen, die keiner besonderen Vorbereitung bedurften. Natürlich stellt sich die Frage, warum die Juden nicht einfach neue Tiere schlachteten und frisches Fleisch kochten. Die Antwort ist, dass die Tora am Sinai am Schabbat übergeben wurde – Schlachten und Kochen waren also verboten. Melken ist zwar Juden am Schabbat ebenfalls untersagt, doch es stand Milch zur Verfügung, die zuvor gewonnen wurde.
2. Die Tora wird in der Hebräischen Bibel mit Milch verglichen: »Wie Milch und Honig liegt (die Tora) unter deiner Zunge«, steht im Hohelied 4,11.
3. In der Gematria, der jüdischen Zalenmystik, hat das hebräische Wort für Milch, »Chalaw«, den Zahlenwert 40. Wir essen an Schawuot Milchspeisen, um der 40 Tage zu gedenken, die Mosche auf dem Berg Sinai verbrachte, um Instruktionen zur gesamten Tora zu erhalten. Der Zahlenwert von »Chalaw« hat in unserer Tradition weitere Bedeutungen: Es gab 40 Generationen von Mosche bis zur Generation von Ravina und Raw Aschi, die die endgültige Version der mündlichen Tora, den Talmud, schrieben. Außerdem beginnt der Talmud mit dem Buchstaben Mem, der den Zahlenwert 40 hat, und endet ebenfalls mit einem Mem.
4. Der Zohar lehrt, dass jeder der 365 Tage des Jahres mit einer der 365 »negativen Mizwot«, den Verboten der Tora, korreliert. Im 2. Buch Mose 34,26 heißt es: »Bringe die Erstlingsfrüchte in G’ttes Heiligen Tempel; koche kein Zicklein in der Milch seiner Mutter.« Da der erste Tag für das Darbringen der Erstlingsfrüchte Schawuot ist, das in der Tora auch »Fest der Bikkurim« heißt, stellt die zweite Hälfte dieses Verses das negative Toragebot für Schawuot dar. Deshalb essen wir an Schawuot zwei Mahlzeiten, eine milchige und eine fleischige, und wir achten sorgfältig darauf, beide nicht miteinander zu vermischen.
5. Der Berg Sinai wird auch als »Har Gav’nunim« bezeichnet, der »Berg der majestätischen Höhen«. Das hebräische Wort für Käse ist »Gvina«– etymologisch verwandt mit »Har Gav’nunim«. Der Zahlenwert für das Wort Käse beträgt 70, passend zu den »70 Gesichtern der Tora«.
6. Mosche wurde von der Tochter des Pharao gerettet, nachdem er als Baby in einem Körbchen auf dem Nil ausgesetzt worden war. Sie adoptierte ihn und brachte ihn in den Palast des Pharao. Doch sofort stellte sich ein Problem: Wer sollte das Baby ernähren? Damals gab es noch keine Flaschenmilch. Mosche aber weigerte sich, von ägyptischen Frauen gestillt zu werden. Schließlich fand die Tochter des Pharao Mosches biologische Mutter Jocheved, die ihn stillte. Was für eine Ironie: Der Pharao wollte die männlichen Neugeborenen der Hebräer töten lassen. Stattdessen wurde eine zukünftige jüdische Führungspersönlichkeit unter seinen Augen herangezogen! Dass wir an Schawuot Milchprodukte essen, erinnert an dieses Ereignis am sechsten Tag des Monats Siwan – an Schawuot.
7. Ein Kommentator ist der Ansicht, dass die Juden an Schawuot zum ersten Mal Milchprodukte aßen. Bis dahin galt entsprechend den Noachidischen Gesetzen das Verbot, »ein Glied eines lebenden Tieres zu essen«, was auch Milch einschloss. Mit der Annahme der Tora, die Israel im 2. Buch Mose 3,18 das »Land, wo Milch und Honig fließen« nennt, wurde den Juden der Genuss von Milchprodukten gestattet. Mit anderen Worten: Zum gleichen Zeitpunkt, als ihnen (nicht geschächtetes) Fleisch verboten wurde, wurden Milchprodukte erlaubt. Daher aßen die Juden am ursprünglichen Schawuotfest Milchiges, und wir tun es bis heute auch.
Übersetzung und Abdruck mit freundlicher Genehmigung von www.aish.com