»Widerwärtig, volksverhetzend und unerträglich.« Mit diesen treffenden Worten hat Martin Salm Wahlplakate beschrieben, die einen neuen Tiefpunkt in der Geschichte der Wahlen für ein deutsches Parlament darstellen. Salm ist Vorsitzender der Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft«, die aus der Zwangsarbeiterstiftung hervorging, und es handelt sich um Plakate der NPD, die die neonazistische Partei vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus in Berlin angebracht hat.
In der Nähe des Holocaust-Mahnmals, des Jüdischen Museums und des Hauses der Wannsee-Konferenz hängen sie. Sie zeigen den NPD-Vorsitzenden Udo Voigt in Lederkluft auf einem Motorrad. Dazu die Parole »Gas geben«.
zynismen Salm hat gegen Voigt Strafanzeige wegen Volksverhetzung gestellt. Und auch, wenn fraglich ist, ob der Stiftungschef damit juristisch Erfolg hat, ist das ein gutes Zeichen wachen bürgerlichen Geistes. Zwar zeigen sich die Bezirksbürgermeister uneins darüber, ob es eine rechtliche Handhabe gegen die Hetze der NPD gibt, zumal einer zu den Wahlen zugelassenen Partei wohl nur schwer vorzuschreiben ist, wohin sie ihre bewusst zweideutigen Plakate hängen darf und wohin nicht. Die Empörung darüber ist jedenfalls nachvollziehbar – an manche Tabubrüche und Zynismen darf man sich nicht gewöhnen.
Dies aber ist nicht Kern des Problems, sondern vielmehr, dass eine neonazistische Partei wie die NPD immer noch nicht verboten ist. Solange dies nicht wieder versucht wird, kann sie mit solch zynischer Werbung ganz billig weiterhin die Aufmerksamkeit erregen, die sie mit ihren Inhalten nicht mehr findet. Nach der Pleite in Sachsen-Anhalt vor ein paar Monaten gieren die Neonazis nach dem Letzten, das sie noch kriegen können: öffentliche Empörung. Und sie zeigen damit unfreiwillig umso deutlicher, wes Geistes Kinder sie sind. Die vermeintlichen Biedermänner reißen sich selbst die Maske der Harmlosigkeit vom Gesicht.
Die Autorin ist Leiterin für Internationale Programme und Partnerschaften beim World Jewish Relief in London (www.wjr.org.uk).