Hat das FDP-geführte Bundesministerin für Bildung und Forschung (BMBF) als Reaktion auf einen offenen Brief von Berliner Hochschullehrern im Zusammenhang mit zu großen Teilen israelfeindlichen und antisemitischen Studierendenprotesten an der FU Berlin eine Kürzung von Fördermitteln prüfen lassen?
Diesen Eindruck erweckte ein Bericht des ARD-Magazins »Panorama«. Interne E-Mails aus dem Ministerium würden dies belegen, so das Politmagazin. In dem Aufruf hatten Hunderte Hochschuldozenten die Auflösung einer Besetzung der FU kritisiert und von »Polizeigewalt« gesprochen. Dass es sich bei der Besetzung um Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung handelte und vor allem im großen Maßstab zur Auslöschung Israels und zur Ermordung von Juden aufgerufen wurde, wurde in dem offenen Brief nicht erwähnt. Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger hatte sich gegen den offenen Brief positioniert und ihrerseits die Unterzeichner kritisiert.
Hausintern, so »Panorama«, habe Stark-Watzinger um Prüfung gebeten, ob sich in dem Brief strafrechtlich relevante Aussagen finden lassen und inwiefern Hochschullehrern Fördermittel gestrichen werden könnten. Ministeriumsmitarbeiter hätten daraufhin Bedenken gegen eine solche Überprüfung geäußert, da »unabhängig vom Ergebnis einer rechtlichen Prüfung, keine unmittelbaren Handlungs- bzw. Einflussmöglichkeiten in (...) disziplinarrechtlicher Hinsicht« bestanden hätten und die betroffenen Hochschullehrer Angestellte des Landes Berlin seien.
Auf Anfrage der Jüdischen Allgemeinen teilte die Staatssekretärin im BMBF, Sabine Döring, mit, das Ministerium habe den Aufruf der Berliner Lehrenden »vor dem Hintergrund einer öffentlichen Debatte über die Verfassungsmäßigkeit einzelner Aussagen im Brief auf rechtliche Aspekte hin überprüft.«
Weiter erklärte Döring: »Die Hausleitung hat sehr zeitnah nach Erteilung des Prüfauftrags klargestellt, dass zuwendungsrechtliche Aspekte nicht Bestandteil dieser rechtlichen Prüfung sein sollen. Die rechtliche Überprüfung des offenen Briefes hat ergeben, dass sein Inhalt von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Damit erübrigen sich Diskussionen über formale Konsequenzen.«
Der Entzug von Fördermitteln in Reaktion auf den offenen Brief habe für die Leitungsebene nicht zur Debatte gestanden, so Döring. Gleichwohl sehe man den Inhalt des offenen Briefs »unverändert kritisch«.
Der Aufruf beziehe sich »mit keinem Wort« auf den Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023, sondern unterstelle pauschal Polizeigewalt und suggeriere, dass Hochschulen ein quasi rechtsfreier Raum seien.
Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Walter Rosenthal, meldete sich am Dienstag ebenfalls zu Wort - und kritisierte das Ministerium. »Im BMBF gab es Mitte Mai offenbar das Ansinnen, den Ausschluss von Wissenschaftler:innen aus laufenden BMBF-Förderungen zu prüfen, nachdem diese von ihrem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung im Zusammenhang mit den Nahost-Konflikt Gebrauch gemacht hatten«, so Rosenthal in seinem Pressestatement.
Man könne zwar über die Meinungsäußerung unterschiedlicher Auffassung sein und darüber streiten, und er selbst habe den in Rede stehenden offenen Brief kritisiert und stimme seinen Inhalten nicht zu. »Eine Verknüpfung einer nicht strafbewehrten Meinungsäußerung mit der Frage einer weiteren Förderwürdigkeit der wissenschaftlichen Arbeit würde jedoch eine Verletzung der Wissenschaftsfreiheit darstellen. Gut ist, dass es zu diesem befremdlichen Vorstoß im BMBF offensichtlich ganz unmittelbar einen kritischen internen Dialog und entsprechend klare warnende Hinweise gegeben hat«, so der HRK-Präsident. ja