In diesen Tagen zeigt sich leider: Als die Jüdische Gemeinde Dresden vor ein paar Monaten gegen Pegida aufrief, waren unsere Befürchtungen berechtigt. Derzeit erleben wir rassistische Übergriffe, es herrscht ein fremdenfeindliches Klima, und das politische Gefüge hat sich deutlich nach rechts verschoben. Bei den Pegida-Demonstrationen war das alles zu beobachten, Neonazis liefen mit, doch wenn jemand diese Wahrheit aussprach, wurde empört aufgeschrien.
Wir wollen nicht übertreiben: Nein, es herrscht keine Pogromstimmung. Aber viele Zeichen deuten darauf hin, dass es eine Art Vorpogromstimmung gibt.
Freital Wir erleben, dass Hass salonfähig wird, und wir erleben eine dramatisch gestiegene Gewaltbereitschaft: in Dresden Attacken gegen ein Zeltlager, in Freital rechte Pöbeleien vor einem Asylbewerberheim und ein Anschlag auf das Auto eines Linkspolitikers, in Brandenburg ein Brandanschlag auf eine Flüchtlingswohnung.
Eine besondere Zunahme an offenem Judenhass erleben wir derzeit nicht – aber sollte uns das beruhigen? Es fällt doch auf, dass diejenigen, die vor Monaten gegen den Islam mobilmachten, nun gegen Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan oder Afrika wettern. Wir in der jüdischen Gemeinde kennen auch Fremdenhass: Zuwanderer etwa aus den Ländern der früheren Sowjetunion, die in unseren Gemeinden eine neue Heimat fanden, mussten ihn erleben.
rassismus Das politische Klima hat sich verändert. Das wurde zwar nicht von der Politik betrieben, aber sehr wohl zugelassen: durch Redewendungen wie die von den »berechtigten Sorgen und Nöten der Bürger«, die als Verständnis für Rassismus verstanden werden konnten.
Zum Glück gibt es auch Widerstand. Der kommt aber nicht aus der Politik, sondern fast nur aus der Zivilgesellschaft: Vor allem auch junge Menschen engagieren sich in Flüchtlingsinitiativen. Wir müssen alles dafür tun, dass die Politik die »Sorgen und Nöte« der Flüchtlinge ernst nimmt.
Die Autorin ist Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Dresden.