Herr Graumann, eine Woche nach der Gedenkfeier für die Opfer des rechtsextremistischen Terrors: Was bleibt von den bewegenden Worten?
Den Worten müssen nun wirklich Taten folgen. Klare Worte sind wichtig. Auch Taten sind nicht immer alles. Aber ohne Taten ist alles gar nichts. Sicherlich werden wir niemals den Schmerz und Verlust der Angehörigen der Opfer lindern können, aber wir müssen alles dafür tun, dass sich solche Gewalttaten nie mehr wiederholen. Dazu brauchen wir in der Gesellschaft einen Ruck gegen Rechts, mehr Engagement des Herzens für die Menschlichkeit und gegen den Hass.
Dazu zählen Sie das Verbot der NPD. Rechnen Sie mit einem baldigen Verfahren? Der neue Generalbundesanwalt Harald Range ist eher skeptisch.
Die zögerlichen Bedenkenträger scheinen leider im Moment wieder Hochkonjunktur zu haben. Über das Thema ist aber nun lange genug gesprochen worden. Jetzt muss gehandelt werden. Wann eigentlich soll denn ein Verbotsverfahren überhaupt noch kommen – wenn nicht jetzt? Die NPD darf nicht den Anschein von politischer Legalität und Legitimität behalten. Und dass sie sogar noch staatlich subventioniert wird, um ihr böses Gift zu verbreiten, ist eine Schande, für die ich einfach kein Verständnis mehr aufbringen kann. Wer jetzt noch zögert, die Faschistenpartei zu verbieten, der wird diesen Schritt nie mehr gehen. Und das wäre ein grober moralischer Fehler.
Sie haben auch ein Eintreten gegen rechtsextreme Burschenschaften gefordert. Der Burschenschaften-Bundesverband hat sich gegen den vermeintlichen Pauschalvorwurf verwahrt. Wie reagieren Sie darauf?
Wer laut hinausschreit, sollte besser zunächst einmal richtig hinhören. Denn einen Pauschalvorwurf gab es doch niemals, vielmehr war explizit nur von rechtsextremen Burschenschaften die Rede. Die gibt es bedauerlicherweise sehr wohl. Gerne erinnern wir bei Bedarf an die entsprechenden Meldungen. Der Bundesverband sollte sich von diesen Gruppen auch klarer distanzieren, anstatt sie, wie es nun scheinen mag, womöglich noch in Schutz zu nehmen. Und im Übrigen: Die Deutsche Burschenschaft hat wenig Anlass, ausgerechnet uns Belehrungen zu erteilen. Vergessen wir nicht: Schon 1920, also lange vor der Nazizeit, hatten die deutschen Burschenschaften insgesamt offiziell beschlossen, keine Juden mehr anzunehmen. Ein wenig mehr Demut auf dieser Seite wäre daher heute gar nicht so schlecht.
Am Rande der Gedenkfeier haben Sie mit Joachim Gauck gesprochen. Wie ist Ihre Meinung zum designierten Bundespräsidenten?
Ich bin zuversichtlich, dass er ein sehr würdiger Bundespräsident sein wird. Womöglich auch ein nicht immer ganz bequemer. Er wird sicher frischen Wind in die deutsche Politik bringen. Dieser Wind mag dann auch manchmal denen direkt ins Gesicht wehen, die ihn jetzt besonders laut preisen. Aber das muss ja gar nicht verkehrt sein.
Mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden sprach Detlef David Kauschke.