Soziale Medien

Zielscheibe des Hasses

Die Attacken auf Fürsprecher Israels werden immer härter – bis hin zu Morddrohungen

von Michael Thaidigsmann  14.03.2024 09:48 Uhr

Hetze im Namen der Parodie: Auch für Anna Staroselski gab es einen Fake-Account. Foto: Screenshot

Die Attacken auf Fürsprecher Israels werden immer härter – bis hin zu Morddrohungen

von Michael Thaidigsmann  14.03.2024 09:48 Uhr

Israel hat nicht erst seit dem 7. Oktober mehr Gegner als Fürsprecher. Das gilt besonders in den sozialen Medien. Seit dem Massaker der Hamas und dem israelischen Krieg gegen die Terrororganisation ist es für Freunde Israels im Netz noch ungemütlicher geworden.

Volker Beck ist ein bekennender »Twitterati«. Fast täglich ist der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) auf dem vergangenes Jahr in X umbenannten sozialen Netzwerk aktiv, mischt sich in kontroverse Debatten ein. Beck hat 100.000 Follower und äußert sich vor allem zum Nahostkonflikt und zu Themen wie Antisemitismus und jüdisches Leben.

Hetze hat dramatisch zugenommen

Seit dem 7. Oktober 2023, sagt der ehemalige Grünen-Politiker, sei seine Timeline nicht mehr dieselbe. Alles sei mittlerweile »toxisch«, Hass und Hetze hätten dramatisch zugenommen. Viele Posts würden nur mit der Absicht veröffentlicht, andere zu denunzieren und fertigzumachen. »Schlicht gemein« nennt Beck das. Er vermutet, dass hinter vielen Accounts Trollfabriken stecken, also von interessierter Seite zum Zweck der Desinformation eröffnete Nutzerkonten, mit denen massenhaft die Diskussion im Netz beeinflusst wird. »Bei manchen Accounts wird man das Gefühl nicht los, dass sich da anti­ukrainische und antisemitische Propaganda verbündet«, so der DIG-Präsident.

Seit einigen Wochen muss er sich mit einem Fake-Account herumschlagen, der seinen Namen und sein Konterfei verwendet, aber Stimmung gegen den echten Volker Beck und dessen politische Anliegen macht, indem er ihm absurde Äußerungen unterschiebt. In der Timeline ist das echte vom falschen Profil optisch kaum zu unterscheiden. Erst wenn man auf das »Parodieprofil« klickt, wird klar, dass es sich um einen Fake handelt. In der Unterzeile ist nämlich zu lesen: »PARODIE/SATIRE. #ziontology, #humanrights (außer für Palis/Musel), LGBT-Minus, Chef-Apologet israelischer Kriegsverbrechen in DE (inoffizieller Titel)«.

Der falsche Beck-Account hat nur wenige Follower, erzielt aber in vielen Debatten eine beträchtliche Reichweite, weil er von unwissenden Usern angeklickt und als Becks Meinungsbeitrag wahrgenommen wird. Eigentlich gibt es auf X klare Regeln, was die Verwendung von Identitäten anderer Nutzer angeht: Sie ist nur dann gestattet, wenn es sich um »Parodie­-Accounts« handelt. So müssen die Betreiber klarmachen, dass das Konto nicht von der persiflierten Person betrieben wird. Mehrfach, sagt Volker Beck, habe er sich beschwert, dass der Fake-Account die Nutzer in die Irre führe, bislang aber vergeblich.

Noch mehr als Beck ist Arye Sharuz Shalicar es gewohnt, dass ihm in den sozialen Netzwerken der blanke Hass entgegenschlägt. Er ist Reservist der israelischen Armee (IDF) und fungiert seit dem 7. Oktober als IDF-Pressesprecher. Der gebürtige Berliner kann damit umgehen, dass er im grellen Scheinwerferlicht der Medien steht.

Aufgeheizte Stimmung bei den Themen Israel und Gaza

Aber auch er nimmt wahr, wie sich die Stimmung aufgeheizt hat, wenn es um Israel und Gaza geht. Bemerkbar macht sich das nicht nur im Netz, sondern auch im echten Leben: Shalicar bekommt seit einiger Zeit Morddrohungen. In Wien wurden jüngst Flugblätter verteilt, auf denen ihm Schlimmes angedroht wurde. Und auf Ins­tagram schrieb ein User: »Ich werde dich finden. Ich werde dich jagen.«

»Ich überlege zweimal, bevor ich allein zu einer Veranstaltung in Deutschland gehe.«

Ayre Sharuz Shalicar

Darunter, so Shalicar, sei auch ein türkischstämmiger Influencer aus Berlin, der seit Monaten gegen ihn hetze. Die Anfeindungen kommen aber nicht nur aus der muslimischen Community. Es gebe auch deutsche Judenhasser, sagt Shalicar.

Und meint damit unter anderem den früheren ZDF-Redakteur und Auslandskorresponden­ten Stephan Hallmann, der auf X Israels Vorgehen in Gaza als »grausamen Vernichtungskrieg« bezeichnete und behauptete, Israel lasse den »bereits zerstörten Norden bewusst in Hunger, Elend und Chaos versinken«. Hallmann an Shalicars Adresse: »Vielleicht solltest Du, lieber Arye, wenn Dein Job als PR-Mann des Militärs endet und es Dir erlaubt, es mal mit Appellen an Israel versuchen. Wie wäre es mit ›FCK Apartheid‹, ›FCK Militärjustiz‹, ›FCK Ben-Gvir‹, ›FCK SSmotrich‹ (sic) oder ›FCK Netan­yahu‹?«

Fake-Account unter Arye Shalicars Namen

Auf X gibt es auch einen Fake-Account unter Shalicars Namen. Der IDF-Sprecher: »Das ist ein großes Problem für mich. Das wirkt auf viele Leute, als sei ich das, der da kommentiere. Und wenn da dann behauptet wird, ich sei nicht einverstanden mit dem Vorgehen der israelischen Armee, dann führt das zu großer Verwirrung.«

Auch Anna Staroselski hat eine Sprecherfunktion. Die 27-Jährige war Vorsitzende der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD) und ist nun Sprecherin des Vereins WerteInitiative. Schon im Dezember fiel ihr ein Fake-Account unter ihrem Namen auf, der auf X diverse Tweets kommentierte. Staroselski forderte ihre Follower auf, das Profil zu melden. Mittlerweile existiert es nicht mehr.

Angefeindet wird Staroselski aber weiterhin, sowohl in Direktnachrichten als auch öffentlich. Und vor allem dann, wenn sie in TV-Sendungen wie Markus Lanz auftritt. Vor Kurzem postete die Israel-Kritikerin Deborah Feldman auf X einen Aufruf an ihre Follower mit den Worten: »Was wissen wir eigentlich über @AStaroselski? DM me with your hot tips ladies and gents.«

Als »völlig inakzeptabel« bezeichnete die Werte­Initiative das Vorgehen Feldmans, die auf X Zweifel sät über die Jüdischkeit deutscher Juden. »Die öffentliche Aufforderung von @Deborah_Feldman, Daten über Frau Staroselski zusammenzutragen, kann man durchaus als Doxing verstehen, welches gemäß Paragraf 126a StGB strafbar ist«, so der Verein. Ob den Anfeindungen mit dem Strafrecht beizukommen ist, erscheint fraglich, denn die Mühlen der deutschen Justiz mahlen langsam.

Gefragt, wie er damit umgehe, antwortet Shalicar: »Ich habe das bislang nicht zur Anzeige gebracht, ich habe schließlich hier in Israel mit einem Krieg zu tun. Aber ich überlege es mir zweimal, bevor ich allein zu einer Veranstaltung in Deutschland gehe.«

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