Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, hat sich für die Absetzung der Ruhrtriennale-Intendantin Stefanie Carp ausgesprochen. »Wir würden es begrüßen, wenn sie abgelöst würde«, sagte Lehrer, der auch Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln ist, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk.
»Ich glaube, dass es an der Zeit ist, dass die Aufsichtsgremien, die die Ruhrtriennale finanzieren und beaufsichtigen, dass die sich nach Abschluss der Ruhrtriennale zusammensetzen und eine Bestandsaufnahme machen von all dem, was die Frau Carp, ich sage mal: in meinen Augen verbockt hat«, so Lehrer.
widerstand Wer als bedeutende Kultureinrichtung in Nordrhein-Westfalen der israelfeindlichen und nach Ansicht von etlichen Experten antisemitischen BDS-Bewegung ein Forum gebe, der müsse mit entschiedenem Widerstand von jedem Demokraten rechnen, so Lehrer weiter.
Die Einladung, Ausladung und schlussendliche Wiedereinladung der schottischen Band »Young Fathers« war vielfach diskutiert worden. Die Musiker hatten sich nicht von der BDS-Bewegung distanziert und die erneute Einladung schließlich abgelehnt. Sie wollten nicht ausschließen, bei ihrem Konzert auch zur Unterstützung der BDS-Bewegung aufzurufen.
Lehrer begrüßte zudem den Entschluss von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), nicht an der Ruhrtriennale teilzunehmen. Laschet hatte Anfang dieser Woche in der Begründung seiner Entscheidung auf eine Bundestagsresolution verwiesen, die BDS grundsätzlich ablehnt.
Geldgeber Laschet habe bei der Intendantin ein entschlossenes Auftreten gegen die israelkritische Bewegung vermisst und sich daher zu der Absage gezwungen gesehen, teilte sein Sprecher zudem mit. Die Absage ist ein einmaliger Vorgang, da das Land Nordrhein-Westfalen sowohl Mitgründer als auch Geldgeber der Ruhrtriennale ist.
Ruhrtriennale-Intendantin Carp hatte am Donnerstag in einem Interview mit der »Süddeutschen Zeitung« erklärt, dass der Vorwurf des Antisemitismus gegen die »Young Fathers« absurd sei. Die Band singe vielmehr gegen Rassismus und Totalitarismus, erklärte Carp.
Über die BDS-Bewegung sagte sie in dem Interview: »BDS ist in vielen Ländern, zum Beispiel in Belgien, satisfaktionsfähig. In Deutschland ist das dagegen anders.« Die Kritik an ihrem Krisenmanagement in Sachen BDS könne sie nicht nachvollziehen. »Ich habe den Eindruck, dass populistisch etwas am Zündeln gehalten wird.«
Krisenmanagement Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hatte am Donnerstag im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen der Ruhrtriennale ein desaströses Krisenmanagement vorgeworfen. Wenn Künstler ankündigten, auf der Bühne für BDS zu werben, müssten die Organisatoren das Gespräch suchen oder sie notfalls ausladen, betonte Klein.
Bedauerlich sei ebenfalls, dass bei einer Podiumsdiskussion am 18. August in Bochum keine BDS-kritischen Stimmen zu Wort kämen, sagte der Antisemitismusbeauftragte weiter. »Und zudem: Muss das Podium wirklich am Schabbat stattfinden, sodass praktizierende Juden von vornherein ausgeschlossen werden?« Gerade im Kulturbereich hätte er sich mehr Vernunft und Sensibilität gewünscht.
Klein nannte die BDS-Bewegung in ihren Handlungen und Zielen antisemitisch. Die Aktivisten versuchten, Israel zu isolieren und als angeblichen Apartheidstaat zu diffamieren. Der jüdische Staat solle dadurch Schritt für Schritt delegitimiert werden. Auch nehme BDS israelische Staatsbürger in Geiselhaft und mache sie pauschal für das Handeln der israelischen Regierung verantwortlich.
Podium Unterdessen steht die bei der Ruhrtriennale für den 18. August geplante Podiumsdiskussion über die Kunstfreiheit weiterhin in der Kritik. Sowohl zahlreiche jüdische Verbände in Nordrhein-Westfalen als auch die israelische Botschaft in Deutschland nehmen Anstoß an deren Einseitigkeit.
Man unterstütze zwar die Idee, verschiedene Friedenskonzepte zu diskutieren, auch mit Menschen, deren Meinung man nicht teile, teilte die israelische Botschaft mit. »Wir werden jedoch nicht das Existenzrecht Israels diskutieren.«
Als Protest gegen die Podiumsdiskussion hat die Kölner Aktivistin Malca Goldstein-Wolf für den 18. August, 14 Uhr, vor der Jahrhunderthalle zum Protest gegen die fehlende Distanzierung vonseiten der Ruhrtriennale aufgerufen. Die Kundgebung steht unter dem Motto »Kein Support des BDS mit öffentlichen Geldern«. Die Jüdische Gemeinde Düsseldorf und die Synagogen-Gemeinde Bonn unterstützen die Demonstration. Einen Shuttle-Service nach Bochum stellt die Düsseldorfer Gemeinde bereit.
boykottaufrufe Die BDS-Bewegung wurde im Jahr 2005 auf die Initiative von über 170 palästinensischen Nichtregierungsorganisationen hin ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, durch gezielte Boykottaufrufe Israel international zu isolieren. Dabei hat sie sowohl israelische Firmen und Institutionen als auch Wissenschaftler und Künstler im Visier.
Die diesjährige Ruhrtriennale unter dem Titel »Zwischenzeit« soll im Zeichen von Migration und Vertreibung stehen. Seit Donnerstag werden bis zum 23. September mehr als 920 Künstler aus rund 30 Ländern Industrieplätze der Metropole Ruhr bespielen. ja (mit epd)