Likes für antisemitische Tweets

Zentralrat der Juden fordert Rücktritt von TU-Präsidentin

Zentralratspräsident Josef Schuster Foto: imago images / epd

Nach der Like-Affäre um Geraldine Rauch hat nun auch Zentralratspräsident Josef Schuster den Rücktritt der Präsidentin der Technischen Universität Berlins gefordert.

»Zunächst hab ich mir gedacht, das muss eigentlich nicht sein«, hob Schuster in einem Interview mit dem TV-Sender Welt an. Doch dann behauptete Rauch, sie habe nicht bemerkt, dass in einem von ihr gelikten Tweet Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit einem Hakenkreuz dargestellt wurde.

»Das man ein solches Bild nicht bemerkt und einfach liked, ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar«, so Schuster. »Ich finde auch die Ausflüchte, die jetzt kommen, so unglaubwürdig, dass mein Vertrauen zu der Präsidentin der Universität nicht mehr gegeben ist«, führte der Zentralratspräsident aus.

Am Mittwoch hatte sich Geraldine Rauch dafür entschuldigt, dass sie unter anderem einen Tweet geliked hatte, in dem Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit Hakenkreuzen dargestellt wurde. Das Foto habe sie nicht gesehen, sondern nur den Text darüber, der einen Waffenstillstand im Gazastreifen fordert.

»Ich habe auf der Plattform X einige Tweets ›geliked‹, welche die Situation in Gaza und Rafah aufgreifen, die aber antisemitischen Inhalts oder Ursprungs sind. Von den antisemitischen Inhalten oder Autor*innen der Tweets möchte ich mich klar distanzieren«, teilte die TU-Präsidentin mit.

Rauch bezeichnete ihr Like außerdem als einen Fehler: »Ich möchte ganz ausdrücklich betonen, dass ich den Tweet nicht geliked hätte, wenn ich die antisemitische Bildsprache aktiv wahrgenommen hätte oder wenn ich mich mit dem Account des Verfassers beschäftigt hätte. Dies war ein Fehler, für den ich mich aufrichtig entschuldigen möchte, da dieses Bild Symbole nutzt und Gleichsetzungen verwendet, die ich mir nicht zu eigen mache und die ich entschieden ablehne.«

Geraldine Rauch ist seit 2022 Präsidentin der TU Berlin.Foto: picture alliance/dpa

Den Präsidenten des Zentralrats der Juden überzeugt das nicht. »Die Entschuldigung der TU-Präsidentin für das Liken von antisemitischen Tweets ist für mich nicht glaubwürdig«, teilte Josef Schuster am Donnerstag mit. »Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, in diesem Fall übrigens gerade einmal ein Satz. Konnte Frau Prof. Rauch dieses unzweifelhaft antisemitische Bild wirklich übersehen?«

Antisemitismusbeauftragter solle nur Vorwürfe gegen seine Chefin entkräften

Geraldine Rauchs Statement baue auf »Ausflüchten und dem Heranziehen einer Entkräftung des eigens ernannten umstrittenen Antisemitismusbeauftragten auf«, so Schuster mit Blick auf Uffa Jensen, der erst am Montag auf den Posten gehoben wurde.

Uffa Jensen arbeitet seit 2018 am Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität BerlinFoto: IMAGO/Funke Foto Services

Jensen war sich in seiner Erklärung mit Rauch einig, dass der Tweet mit dem Netanjahu-Bildnis eindeutig antisemitisch sei. Doch Israel einen Völkermord und Kriegsverbrechen vorzuwerfen - wie es in zwei von Geraldine Rauch gelikten Tweets geschah - sei »nicht per se antisemitisch«.

Der Zentralratspräsident glaubt, dass Jensen seine Chefin entlasten wolle. »Ein Antisemitismusbeauftragter ist keine wissenschaftliche Position. Er ist in erster Linie für den Schutz jüdischer Studenten und Lehrender verantwortlich, nicht um eine Universitätspräsidentin für ihre antisemitische Einlassungen zu entlasten. Dieses Vertrauen genießt Prof. Jensen nicht«, kritisiert Schuster.

Lesen Sie auch

Der Antisemitismusbeauftragte der TU bezog sich in seiner Einschätzung auf die von ihm unterzeichnete »Jerusalemer Erklärung«, die Antisemitismus deutlich weniger streng definiert, als die international anerkannte IHRA-Definition. Der »Jerusalemer Erklärung« zufolge ist etwa der Boykott israelischer Wissenschaftler, Künstler oder Produkte nicht antisemitisch.

Auch das ist für Josef Schuster ein Skandal: »Dass Prof. Jensen in seiner ersten Amtshandlung zu dieser Entlastung ausgerechnet die Jerusalemer Erklärung heranziehen muss, die von jüdischen Organisationen weltweit sowie von den meisten demokratischen Staaten der Welt nicht als Definition für Antisemitismus angewendet wird, ist an Absurdität kaum zu überbieten.«

Die Kritik, dass Uffa Jensen ohne Rücksprache mit jüdischen Organisationen zum Antisemitismusbeauftragten gemacht wurde, ist für Daniel Eliasson »Verleumdung«. Geraldine Rauch scheint das ebenfalls so zu sehen

Die Jüdische Studierendenunion Deutschlands hatte Jensens Ernennung ebenfalls kritisiert und ihn einen »Antisemitismus-Relativierer« genannt. Geraldine Rauch hat auf diese Kritik bisher nicht reagiert. Auf ihrem X-Account likte sie jedoch einen Kommentar, der die Vorwürfe als »Verleumdung« bezeichnete.

»Der erste Anwendungsfall hat mehr als deutlich gezeigt, worin der Fehler der Benennung Prof. Jensens als Antisemitismusbeauftragter der TU liegt«, resümiert Josef Schuster. (Nils Kottmann)

USA

Israel: Netanjahu kommt auf Trumps Einladung ins Weiße Haus

Der israelische Premier könnte der erste Regierungschef aus dem Ausland sein, den Trump als Präsident empfängt

 28.01.2025

Nahost

Scholz: Moment, um Zukunft Gazas zu planen

Die Hamas hat einige ihrer Geiseln freigelassen. Der Bundeskanzler rückt nun die Perspektiven der Menschen vor Ort in den Fokus

 28.01.2025

Meinung

Keine Ausreden mehr für Elon Musks Apologeten

Spätestens nach seinem Auftritt bei einer AfD-Wahlkampfveranstaltung sollte klar sein: Der Tech-Milliardär steht nicht aufseiten von Freiheit und Demokratie

von Antonia Sternberger  28.01.2025

Zeitz

Stolpersteine erneut beschädigt

Schwarze Verfärbungen müssen beseitigt werden. Gingen die Täter mit einem Brenner vor?

 28.01.2025

Kommentar

Gaza gleich Auschwitz?

»Spiegel Online« hat anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung des Todeslagers einen Beitrag veröffentlicht, der einmal mehr Fragen aufwirft

von Ralf Balke  28.01.2025

Washington D.C.

Vorbild Israel: Trump will »amerikanischen Iron Dome«

Ein Schutzschild für die USA: Damit machte der Präsident Wahlkampf. Nun hat er eine entsprechende Verfügung unterzeichnet

 28.01.2025

London

Kate und William sprechen mit Holocaust-Überlebenden

Der britische Prinz und die Prinzessin haben eine Holocaust-Gedenkveranstaltung besucht

 28.01.2025

Oswiecim

Ronald Lauder: Schweigen der Welt hat zu Auschwitz geführt

Auch heute sei angesichts eines zunehmenden Antisemitismus Gleichgültigkeit zu beobachten, kritisiert der Präsident des Jüdischen Weltkongresses beim Gedenken am 80. Jahrestag der Befreiung

 28.01.2025

Debatte

Schuster: Heute würde ich als Jude nicht überall studieren wollen

Der Antisemitismus in Deutschland macht dem Präsidenten des Zentralrates der Juden zu schaffen. Er blickt sorgenvoll auf die Universitäten und Schulen

von Stefan Heinemeyer  27.01.2025