Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hat bei den demokratischen Parteien der Mitte mehr Kompromissfähigkeit angemahnt. »Was passiert, wenn demokratische Parteien nicht mehr miteinander koalieren können, sieht man derzeit in Österreich«, sagte Schuster in Würzburg. Mit Blick auf die Bundestagswahl am Sonntag und folgende Koalitionsgespräche betonte er: »Ich habe jedoch die Hoffnung und den Glauben, dass die Demokraten hierzulande einen gemeinsamen Weg finden.«
Schuster sagte, die gemeinsame Abstimmung von Union, FDP und AfD im Deutschen Bundestag bei der geplanten Verschärfung der Asylpolitik vor einigen Wochen sei aus seiner Sicht »kein Bruch der Brandmauer« gewesen. Dennoch wäre es klüger gewesen, dass sich die Parteien der politischen Mitte vor einer solchen Abstimmung im Parlament auf einen gemeinsamen Weg verständigt hätten, so Schuster.
Der Zentralratspräsident schreibt der kommenden Legislaturperiode des Bundestags »eine Schlüsselrolle für unsere Demokratie« zu. Alle demokratischen Parteien müssten sich ihrer Verantwortung bewusst werden, sagte Schuster. Es gelte, die großen und bekannten Probleme zu lösen: »Das sind die Migration, die schwächelnde Wirtschaft und auch die Herausforderungen im Sozialbereich.« Wenn die Demokraten in dieser Frage keine Kompromisse fänden und nicht vorankommen, »habe ich die große Sorge, dass das der AfD einen weiteren Auftrieb geben würde«, sagte Schuster.
Er habe sich vor ungefähr zehn Jahren, als er das Amt des Zentralratspräsidenten übernommen habe, »in meinen schlimmsten Albträumen nicht vorstellen können, dass eine in Teilen als gesichert rechtsextrem geltende Partei in Deutschland einen derart großen Zulauf bekommt«. Sollte die AfD in Deutschland beispielsweise auf Bundesebene in Regierungsverantwortung kommen, müsse man ernsthaft hinterfragen, »ob und wie jüdisches Leben in Deutschland dann überhaupt noch weiter möglich sein kann«, erläuterte Schuster. epd