Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, ist unzufrieden mit dem Koalitionsvertrag von Union und SPD. Die Papiere der Arbeitsgruppen seien hinsichtlich Israel und israelbezogenen Antisemitismus sehr klar gewesen, sagte er dem Magazin »Stern«. »Umso enttäuschter war ich, dass das meiste im Koalitionsvertrag wieder abgeschichtet wurde und wir im Grunde bei altbekannten, unbestimmten Formulierungen angelangt sind«, beklagte Schuster. Positiv hob er aber die geplante Verschärfung des Volksverhetzungsparagrafens hervor.
Eine ernüchternde Bilanz zog er über die Amtszeit von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne). »Wir kannten uns vorher und ich hatte immer den Eindruck, dass sie jemand ist, der jüdischen Leben in Deutschland sehr wertschätzt, schützt und auch fördern will«, sagte Schuster. »Ihre Amtsführung hat dies dann leider vermissen lassen«, ergänzte er. Ihr Nachfolger müsse wieder »mehr Rigorosität im Umgang mit Antisemitismus« zeigen. An die künftige Bundesregierung appellierte er: »Es braucht vor allem den Willen, den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland durchzusetzen. Auch gegen Widerstände.«
Alternative zu Netanjahu-Besuch in Deutschland angeregt
Vor dem Hintergrund des internationalen Haftbefehls gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und einen möglichen Deutschland-Besuch schlug Schuster Alternativen vor. »Der oberste Repräsentant des Staates ist der Staatspräsident«, dieser könnte schon bald nach Deutschland kommen, sagte Schuster mit Blick auf Staatsoberhaupt Izchak Herzog. Auch ein Besuch des wohl künftigen Kanzlers Friedrich Merz (CDU) in Israel wäre ein gutes Signal.
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hatte im vergangenen November wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gaza-Krieg einen Haftbefehl gegen Netanjahu verhängt. Merz hatte nach seinem Wahlsieg Ende Februar der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« gesagt: »Es ist für mich unvorstellbar, dass der demokratisch gewählte Ministerpräsident des Staates Israel Deutschland nicht besuchen kann.« Und betont: »Wir werden völkerrechtlich korrekte Wege finden, um den israelischen Ministerpräsidenten auch weiterhin in Deutschland empfangen zu können.« dpa